Rom. Doppel-Olympiasiegerin Britta Steffen will Gold bei der Weltmeisterschaft in Rom holen. Aber auch andere deutsche Schwimmer starten mit Hoffnungen. Die deutsche Mannschaft steht nach den verpatzten Olympischen Spielen 2008 in Peking stark unter Druck.

Kofferpacken heißt die heutige Disziplin bei den Weltmeisterschaften in Rom für die deutschen Schwimmer. Nachdem sich die Beckenschwimmer zwei Wochen lang in Ravenna vorbereitet haben, beziehen sie heute in Rom Quartier. Das Team hat nichts dem Zufall überlassen, um ab Sonntag ihr schon fast peinlich schlechtes Abschneiden bei den Olympischen Spielen in Peking vergessen zu machen.

Vorbereitungsort ein Freibad in Ravenna

Da die WM-Wettbewerbe im Foro Italico unter freiem Himmel und nicht in einer Halle ausgetragen werden, hat die neue Führung des Deutschen Schwimm-Verbandes mit Sportdirektor Lutz Buschkow und Bundestrainer Dirk Lange als Vorbereitungsort ein Freibad in Ravenna gewählt. Wasser ist Wasser, könnte ein Laie einwenden. Aber erstens fühlt sich jedes Wasser für Spitzenschwimmer ganz unterschiedlich an, und zweitens gibt es ganz spezielle Anforderungen. Nicht nur die Luft-Temperaturen, die in Rom derzeit um die 35 Grad liegen. So haben die Schwimmer in Ravenna exakt zu den WM-Vorlauf- und Final-Zeiten trainiert, um sich beim Atmen zur Seite an den Stand der Sonne zu gewöhnen.

Die deutschen Schwimmer stehen in Rom stark unter Druck. Störende Sonnenstrahlen sind ein Klacks im Vergleich zu den anderen Herausforderungen, die auf sie warten. Es gilt, das Debakel von Peking auszumerzen. Bei Olympia hatte sich zwar Britta Steffen als Doppel-Olympiasiegerin zu einem neuen deutschen Sportstar gemacht, doch außer ihr hatte nur Paul Biedermann als Fünfter über 200 m Freistil ein olympisches Finale erreicht.

Trotz des enttäuschenden Abschneidens sind dem Verband nicht die finanziellen Mittel gekürzt worden. Aber das Team schwimmt sozusagen auf Bewährung. Eine ähnlich katastrophale Bilanz wie in Peking würde wohl nach der WM Einschnitte bei der Förderung zur Folge haben. Und da auch Adidas nach der anhaltenden Nörgelei der Sportler über das nicht konkurrenzfähige Material den Vertrag kündigte und noch kein neuer Ausrüster gefunden wurde, ist die Kassenlage ohnehin schon bedrohlich.

So gibt es auch keinen zusätzlichen Anreiz in Form von WM-Prämien. „Das ist wie in einer Familie. Wenn wenig Geld da ist, kann man nichts ausgeben", sagte DSV-Sportdirektor Lutz Buschkow, „die Sportler sind mit dafür verantwortlich, dass wir keinen Ausrüstervertrag mehr haben. Jetzt will ich kein Geheule hören." Aber das Fehlen eines Ausrüsters bringt auch Vorteile für die Schwimmer. So sind sie bei der WM nicht an einen Hersteller gebunden. Jeder konnte sich den High-Tech-Anzug aussuchen, in dem er sich am behaglichsten und vor allem am schnellsten fühlt.

Gute DM-Ergebnisse lassen auf gute WM hoffen

Die guten Ergebnisse bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin lassen auf eine gute WM aus deutscher Sicht hoffen. „Uns fehlt noch die Dichte in der Spitze", sagt Bundestrainer Dirk Lange, der nach den Olympischen Spielen die Nachfolge von Örjan Madsen antrat, „aber unsere nominierten Schwimmer sind durch eine der härtesten Qualifikationen der Welt gegangen und sind schon sehr konkurrenzfähig."

Der eigenwillige Hamburger, der zuletzt das Nationalteam von Südafrika trainierte, hat nicht nur gemeinsam mit Sportdirektor Buschkow neue Strukturen der Leistungsförderung eingeführt, er stellt seine Schwimmer auch vor knallharte Anforderungen. Wettkampfhärte ist gefragt und die Erfüllung von sehr hoch angesetzten Normen.

Britta Steffen und Paul Biedermann sind in Rom die größten deutschen Medaillenhoffnungen. Steffen möchte erstmals Weltmeisterin werden. Mit zwei Weltrekorden unterstrich sie bei den nationalen Titelkämpfen diese Ambition. Biedermann schwamm in einem „alten" Anzug Europarekord. In Rom fordert er im neuesten Modell über 200 Meter Freistil den Achtfach-Olympiasieger, den Megastar des Schwimmsports, Michael Phelps, heraus.

Aber das DSV-Team 2009 besteht nicht nur aus Steffen und Biedermann. Auch die Essener Rücken-Weltrekordlerin Daniela Samulski oder die jungen Brustschwimmer Marco Koch und Hendrik Feldwehr haben in Berlin beeindruckt. In Rom müssen sie den Trend bestätigen. Unter Druck. Das ist die eigentliche Kunst des Sports.