Rom. Was für ein Tag für die deutschen Schwimmer! Paul Biedermann holte bei der Weltmeisterschaft in Rom über 400 Meter Freistil Gold in Weltrekordzeit - und kurze Zeit später gewann die 4x100-Meter-Freistil-Staffel der Frauen Silber. Dabei verbesserte Britta Steffen ihren eigenen Weltrekorde.
Als Paul Biedermann nach 400 Metern im Foro Italico anschlug, drehte er sich sofort um und starrte auf die Anzeigetafel. 3:40,07 blinkte dort gelb auf schwarz auf. Der 22-Jährige sah, was dort geschrieben stand. Und als könne er sich diese Ziffern nicht erklären, kam der befreiende Jubel erst mit einer kleinen Verzögerung. 3.40,07 Minuten, damit gewann Paul Biedermann nicht nur die Goldmedaille über 400 Meter Freistil bei den Weltmeisterschaften in Rom, er verbesserte auch den sieben Jahre alten Weltrekord des Australiers Ian Thorpe um eine Hundertstelsekunde.
Die Geschichte des Paul Biedermann ist sicherlich eine der unglaublichsten und sensationellsten im deutschen Sport der jüngeren Vergangenheit. Bei den Deutschen Meisterschaften vor vier Wochen hatte Biedermann über 400 Meter Freistil zwar den 21 Jahre alten Deutschen Rekord von Uwe Dassler verbessert, doch die WM-Norm hatte er in 3:46,67 Minuten verpasst. Da er sich aber über 200 Meter Freistil qualifiziert hatte, durfte er in Rom auch die längere Strecke schwimmen.
"400 Meter als Test"
„Ich wollte die 400 Meter hier als Test bestreiten. Im Maximalfall habe ich mir den Finaleinzug zugetraut”, sagte Biedermann nach seinem Titelgewinn und lachte über das ganze Gesicht. So schön kann man sich täuschen. Schon im Vorlauf hatte er sich über drei Sekunden gesteigert und einen neuen Europarekord aufgestellt. Im Finale schaltete er noch einen Gang höher und hängte seine Konkurrenten auf den letzten 20 Metern in einer so beeindruckenden Art und Weise ab, als wenn er von einem Motor angetrieben würde. Wer sich innerhalb von vier Wochen um 6,6 Sekunden steigert, der muss sich Nachfragen gefallen lassen. „Ich hätte es mir doch selbst nicht vorstellen können”, sagte Biedermann, der allerdings nicht wie Radprofi Andreas Klöden Fragen nach Doping für eine Beleidigung hält: „Ich weiß, dass ich jetzt mit Vorwürfen leben muss. Ich kann nur sagen, ich habe mit Frank Embacher den besten Trainer, ich habe sehr, sehr gut trainiert, und mein neuer Anzug hat mir sicherlich auch ein, zwei Sekunden gebracht. Ich bin sauber. Ich bin in diesem Jahr 20 Mal kontrolliert worden.”
Wer in seinem Aufwärm-Rennen so nebenbei Gold holt und einen sogenannten Fabel-Weltrekord eines sogenannten Wunderschwimmers bricht, der sollte eigentlich auf einer Spezialstrecke auch vorne sein. Heute bestreitet Paul Biedermann über 200 Meter Freistil Vorlauf und Habfinale. Und die Prognose, dass er seinen Europarekord dann verbessert, ist ungefähr so gewagt wie die, dass auch am Montag in Rom die Sonne scheint. Spannender wird die Frage, ob er auch den Achtfach-Olympiasieger von Peking, Michael Phelps, der gestern in Rom sein erstes Gold mit der US-Freistilstaffel holte, besiegen kann. Das Duell mit Phelps am Dienstag im Finale könnte der ganz große Höhepunkt dieser WM werden, bei der schon am ersten Tag sechs Weltrekorde gefallen sind.
Silber für vier Frauen
Auch Britta Steffen trug zu diesem Rekord-Festival bei. Als Startschwimmerin der deutschen 4 mal 100 Meter Freistil-Staffel schlug sie nach 52,22 Sekunden an und verbesserte ihren eigenen Weltrekord um 34 Hundertstelsekunden. Zum Gold reichte es dennoch nicht, weil die Niederländerinnen im Ziel um winzige elf Hundertstelsekunden schneller waren als Steffen, Daniela Samulski, Petra Dallmann und Daniela Schreiber. „Es hat mich unheimlich motiviert, dass ich als Startschwimmerin ins Becken ging”, sagte Britta Steffen, „was jetzt noch kommt, ist Zugabe.” Vielleicht eine goldige: Über 50 und 100 Meter Freistil ist die Doppel-Olympiasiegerin natürlich ein heißer Tipp.