Gelsenkirchen. Am Samstag sind für den Weltmeistschaftskampf zwischen Wladimir Klitschko und Ruslan Chagaev über 58.000 Karten in der Arena auf Schalke verkauft. Was passiert, wenn sich die Kontrahenten im Supermarkt an der Emscherstraße treffen.
Real holt sie alle. In Madrid zum Beispiel Cristiano Ronaldo und Kaka, in Gelsenkirchen Wladimir Klitschko und Ruslan Chagaev. In Madrid heißt der Fußball-Klub Real, in Gelsenkirchen der Supermarkt an der Emscherstraße.
Auf dem Parkplatz dirigieren Einweiser in orangen Warnwesten die Autos, hinter den gläsernen Eingangstüren drängen sich ein paar hundert Menschen. Links die Theke mit den Brötchen und dem Paderborner, es gibt eine kleine Rangelei um die besten Plätze, Alarmstufe Brot.
Früher, als der Liter Benzin noch 50 Pfennig kostete und die Boxer Joe Frazier oder Muhammad Ali hießen, machten die Schwergewichtler im Caesar's Palace von Las Vegas Reklame für ihre Kämpfe. Heutzutage sprechen Klitschko und Chagaev im Supermarkt zwischen Erbsen und Möhren über ihren WM-Kampf am Samstag in der Schalker Arena. Aber jeder braucht Reklame. Sogar der liebe Gott, er hat Glocken.
Für den Samstag sind rund 58 000 Karten verkauft, doch es gibt noch etwa 3500 Tickets. Die meisten davon für die Stehplätze, sie kosten 24 Euro. Wer möchte, kann aber auch noch für 650 Euro direkt am Ring Platz nehmen. Ein Parkplatz und Schnittchen sind dann im Preis enthalten.
Jetzt spricht Chagaev. Man sieht ihm an, dass er nicht gerne vor einem Mikrofon steht. Er plaudert locker unter Freunden, aber nicht vor Publikum. Wenn er vor vielen Leuten „Guten Tag” gesagt hat, hat er schon eine Rede gehalten. An diesem Mittag zwischen den Verkaufsregalen sagt er: „Guten Tag! Ich bin bereit. Vielen Dank!”
Die Zuschauer rücken immer enger an die eisernen Absperrgitter, die die Boxer und die Kameraleute abschirmen. Dabei ist eigentlich längst alles rund um den Kampf erzählt.
Erstens: Klitschko und Chagaev sind die besten Schwergewichtler der Welt, klammert man einmal Wladimirs Bruder Vitali aus. Die Absagen der ursprünglich geplanten Kämpfe von Chagaev gegen den russischen Riesen Nikolai Walujew und von Klitschko gegen den Engländer David Haye sind daher ein Segen.
Zweitens: Die angebliche Hepatitis-B-Infektion von Chagaev ist längst aufgeklärt. Der Usbeke trägt seit dem Jahr 2003 das Anti-Gen der Krankheit in sich. Die Ansteckungsgefahr, so Chagaevs Arzt Michael Ehnert, ist so groß wie die Gefahr, dass einem der Himmel auf den Kopf fällt. Zudem ist Klitschko geimpft, und der Ukrainer sagt: „Nach einem Kampf gegen Ruslan Chagaev ist noch niemand gestorben.”
Drittens: Es geht in dem Kampf um die WM-Titel der Verbände IBF und WBO von Klitschko. Ob Chagaev seinen WM-Titel der WBA ebenfalls verteidigen darf, steht weiterhin nicht fest. Angeblich soll es Mittwoch eine Entscheidung geben. Vielleicht aber auch nicht. Die WBA hat kein Interesse, ihren Titel an Klitschko und sein Management zu verlieren.
Als Vitali für seinen Bruder einspringt
Alles mehr oder weniger bekannt, trotzdem gieren die Zuschauer im Supermarkt nach weiteren Sätzen. Oder zumindest nach Autogrammen. Vitali Klitschko, der im Publikum sitzt, springt für seinen Bruder ein und lässt sich mit Kindern und Fans fotografieren.
Wladimir, auch im roten Trainingsanzug ein Entertainer am Mikrofon, geht derweil in die verbale Offensive. Er ist am Tag zuvor aus seinem Trainingslager in Tirol angereist und weiß natürlich, was im Ruhrgebiet gut ankommt. Zum Beispiel sein „Glückauf”, das er statt „Guten Tag” benutzt.
Am Ende spricht Klitschko vom K.o.-Sieg
Und die Ankündigung, dass der schönste und klarste Sieg im Boxen der K.o. sei, und dass er daher am liebsten durch einen K.o. gewinnt. „Am besten auch gegen Ruslan”, sagt Klitschko. Es ist das, was die Menschen hören wollen. An der Brötchentheke herrscht längst wieder Ruhe – der Brotschafter hat gesprochen.