Essen. Das IOC will die Olympischen Spiele nachhaltiger gestalten. Aber gelingt dies auch? Es gibt gute und schlechte Beispiele.
Schneller, höher, weiter – dieser Dreiklang ist noch immer die Antriebsfeder für viele Sportler, wenn sie sich alle vier Jahre im Sommer oder Winter bei Olympischen Spielen messen. Es geht in den Wettstreiten meistens um Rekorde, mindestens aber um persönliche Bestleistungen. Dazu werden großartige Bilder von überwältigenden Emotionen erzeugt, und die Athleten senden eine Botschaft hinaus: Seht her, dieser Sportsgeist – sofern es mit fairen Mitteln zugeht – kann auch euch inspirieren.
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Schneller, höher, weiter – diese Maxime ist allerdings auch in anderem Zusammenhang stellvertretend für Olympia. Sie steht für Gigantismus, Umweltsünden, Gier im Geschäft mit den fünf Ringen. Das größte Sportlertreffen der Welt ist ein Milliarden-Business, seit den 80er-Jahren des vergangenen Jahrtausends auf Profit ausgelegt. Wo viel Geld fließt, sind Neid, Korruption und Betrug nicht fern. Da wird schnell vergessen, wie verantwortungsvoll mit Menschen umgegangen werden muss, wie umweltfreundlich so ein Riesenevent sein kann, ob sich die immensen Kosten durch gelegentlichen Gebrauch anschließend überhaupt rentieren. Olympia ist deshalb weit mehr als nur eine gut zweiwöchige Party. Und viele Menschen fragen sich deshalb zurecht: Welches Erbe hinterlassen die Spiele denn?
Der Klimawandel spielt eine große Rolle für die Gastgeber
Längst geht es nicht mehr allein um Gold, Silber und Bronze im Medaillenspiegel – der Klimawandel ist ein wesentlicher Faktor bei der Frage, wer künftig Spiele ausrichten soll. Was haben die Menschen davon? Eine verbesserte Digitalisierung, mehr Optionen im Verkehr, soziale Partizipation und ein gesundes Leben? Olympia verschafft den Gastgebern internationales Marketing und wird weiter als Katalysator für positive Stadt- und Sportentwicklungsprojekte betrachtet.
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Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat sich zuletzt eine blutige Nase geholt, weil es ihm mehr darum ging, was sich in den Köpfen seiner Führungsmitglieder abspielt als in den Seelen der Gastgeber. Früher rissen sich die Städte um die Ausrichtung – zuletzt aber sagten Hamburg, München, Boston, Rom und Stockholm, um nur einige zu nennen, Nein zu Olympia.
IOC setzt sich mit der Agenda 2020 hohe Ziele
In seiner Agenda 2020 hat sich das IOC deshalb Ziele gesetzt, mit denen die Spiele von der Planung bis zur Durchführung, von der Bewerbung bis zur Übergabe der Bauten in den Alltag reformiert werden sollen. Indem sie bezahlbarer, ressourcenschonender und nachhaltiger werden. „Die Universalität und globale Attraktivität des Sports bedeutet, dass das IOC und die Olympische Bewegung eine besondere Verantwortung für eine nachhaltige Zukunft unserer Welt tragen“, erklärte der deutsche IOC-Präsident Thomas Bach.
Wer es schlecht mit Olympia meint, braucht nur auf die Missstände hinzuweisen: Beim IOC gibt es Korruption, die kaum mehr im Schatten der Skandale beim Weltfußballverband Fifa steht. Doping ist ein flächendeckendes Verbrechen. Die Austragung ist stets teurer als geplant, das IOC kommt nie für die Rechnung auf. Das Komitee ist durch die Steuerbefreiung im Land des Gastgebers, die es sich vertraglich zusichern lässt, monetärer Goldmedaillengewinner.
In Rio und Athen verkommen die Stadien
Von den Sommerspielen 2004 in Griechenland wirken manche seitdem ungenutzte Athener Sportstätten so antik wie die Originale in Olympia. Das berühmte Vogelnest, Olympiastadion 2008 in Peking, steht leer und verschlingt im Jahr 15 Millionen Dollar Unterhaltskosten. In Rio, Gastgeber der letzten Sommerspiele 2016, wird das für 400 Millionen Euro umgebaute Maracanã-Stadion nur spärlich benutzt, die Schwimmhalle verrottet. Das globale Sportereignis hinterlässt überall Weiße Elefanten: große Bauten, die nach Olympia nicht gebraucht werden. In den Favelas sind die Menschen immer noch von Strom und Wasser abgeschnitten, die Stadt ist zu pleite für den Bau neuer Schulen.
Und doch lassen sich für das Olympische Vermächtnis positive Beispiele finden – für die es aber auch jeweils ganz bestimmte politische Voraussetzungen gab. So beim Bau der U-Bahn in München für die letzten Sommerspiele auf deutschem Boden 1972 sowie bei der 1985, acht Jahre nach dem Ende des Franco-Regimes in Spanien, mit europäischen Finanzspritzen eingeleiteten Neugestaltung Barcelonas für Olympia 1992. Aber es lohnt sich ein Blick nach London, wo 2012 die Sommerspiele ausgetragen wurden, die Düsseldorf gerne bekommen hätte, bevor es mit der Bewerbung jedoch schon früh im nationalen Rennen gescheitert war.
London gilt heute als positiver Maßstab
London gilt sowohl für die Stimmung während der 19 Wettkampftage als auch für den Umgang mit Umweltbelangen als Maßstab. Englands Hauptstadt hat bewiesen, dass man es schafft, binnen drei Jahren alle Sportstätten neu zu nutzen oder zurückzubauen. Im von 80.000 auf 55.000 Plätze reduzierten Olympiastadion wurde Fußball gespielt, das Basketballstadion am Wilkinson Square deinstalliert. Londons notorisch überlasteter Nahverkehr wurde ausgebaut, mehr als 425 Fahrrad- und 150 Fußwege entstanden neu.
Stinky Stratford, wenig charmanter Kosename für einen Industrie-Stadtteil im Osten Londons, wurde für den Olympiapark mit Milliarden-Investitionen umgeplant und neu belebt. Wobei in dem Zusammenhang erwähnt werden muss, dass es für dieses Vorhaben erzwungene Umsiedlungen von Firmen gab und sich für die lokale Wirtschaft im Umfeld die Mietpreise erhöht haben.
Der Olympischen Idee ist viel Schaden zugefügt worden
Olympia bleibt eine einmalige Idee, der in der Vergangenheit viel Schaden zugefügt worden ist. Rückschläge wie die ökologisch unverantwortlichen Winterspiele 2014 in Sotschi lassen es wie einen Kampf gegen Windmühlen aussehen, aber der Sport bemüht sich, verloren gegangenes Vertrauen und Begeisterung bei jungen Bürgern zurückzuholen. „Heute definieren sich viele Jugendliche über die Zahl der Likes und Follower in den Sozialen Netzwerken. Es gibt E-Sport, der bisher nicht in die Olympische Agenda passt, aber einen Großteil der Jugend absorbiert“, sagte Wolfgang Maennig, der 1988 in Seoul Ruder-Olympiasieger war und als Professor für Wirtschaftswissenschaften Gutachten für die deutschen Olympia-Bewerbungsgesellschaften erstellt hat, dem Deutschlandfunk und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Dennoch sei Deutschland reif für Olympische Spiele – sportlich, technisch und wirtschaftlich. Dies gelte auch für Rhein Ruhr City 2032. Man dürfe nur nicht den Fehler begehen, mit der Ausrichtung eine ausgiebige Stadtentwicklung zu beanspruchen, eine öffentliche Milliardenfinanzierung zu präsentieren. Es müssen Spiele für die breite Masse und nicht für die Sport-Elite werden. Maennig: „Man muss das Ruhrgebiet nicht verstecken, es hat allerbeste Voraussetzungen, vor allem mit einer sportbegeisterten Bevölkerung und vielen olympiareifen Sportanlagen.“
Hält sich das IOC an seine Kriterien zur Nachhaltigkeit?
Die Bewerbungsinitiative um Michael Mronz plant im Falle eines Zuschlags, für 90 Prozent der Wettkampfstätten bei den Spielen in 13 Jahren vorhandene Bauten zu modernisieren und nachhaltig zu nutzen. Sollte Deutschland also tatsächlich mit Rhein Ruhr City ins Rennen gehen, müssen Mronz und seine Helfer allerdings noch eines hoffen: dass sich das IOC bei der Vergabe von Olympia 2032 an den selbst auferlegten Nachhaltigkeitskriterien orientiert.