Essen. Die Band Revolverheld will eine längere Pause einlegen. Sänger Johannes Strate erklärt, warum das gemischte Gefühle in ihm weckt.

Revolverheld zählen zu den erfolgreichsten deutschen Bands. Die Hamburger Musikgruppe ist aus der Radio- und TV-Landschaft längst nicht mehr wegzudenken. Im Jahr 2005 gegründet, prägt sie seit zwei Jahrzehnten die deutsche Musikszene. 2025 begeht Revolverheld das 20-jährige Jubiläum mit zahlreichen Open-Air-Konzerten und einer spektakulären Arena-Tour, die die Band ab November 2025 durch ganz Deutschland führen wird. Zum vorerst letzten Mal, denn: Danach ist Pause. Ab 2026 gönnen sich die Musiker erstmals in ihrer Karriere eine kreative Auszeit. Die Sonntagszeitung hatte die Gelegenheit, mit Frontmann Johannes Strate (44) über die bewegte Geschichte von Revolverheld zu sprechen. Der gebürtige Bremer gewährt dabei nicht nur spannende Einblicke in die Bandhistorie, sondern spricht auch offen über die Gründe für den bevorstehenden Rückzug.

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Herr Strate, als ich 2005 zum ersten Mal in der Popcorn-Redaktion von Revolverheld hörte, dachte ich: „Oh, wieder so eine Band, die wird es nicht schaffen.“ Doch mit dem Song „Freunde bleiben“ wurde ich neugierig. Ich durfte das erste Interview führen. Erinnern Sie sich an die Anfänge?

Johannes Strate: Oh ja. Für uns war das eine wahnsinnig aufregende Zeit. Wir hatten ja schon 2002 angefangen, Musik zu machen. Das war dann drei Jahre unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Wir sind damals in Hamburg ins Auto gestiegen und haben für null Euro Gage am Bodensee gespielt. Wir hatten eine gute Energie zusammen und waren heiß darauf, Musik zu machen. Und als dann ein Label ins Spiel kam, waren wir natürlich glücklich. Die ersten Jahre waren völlig irre. Wir haben anfangs 180 Konzerte gespielt, ich kenne jedes Jugendzentrum in Deutschland. Da kamen 15 bis 20 Leute am Abend. Heute bin ich dankbar, dass wir das erlebt haben. Mir ist diese coole Zeit immer noch gut im Gedächtnis geblieben. Es war immer das erste Mal, in einer Stadt zu spielen und nicht nur in Hamburg und Bremen. Dann wurden es mehr.

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Sie wurden immer schneller zu einer Band, die da draußen Gehör fand. Der erste Hit hieß 2005 „Die Welt steht still“. Haben Sie manchmal gedacht „Bitte kneift mich“?

Ich habe das als sehr langsam und gesund in Erinnerung, wenn unsere Songs im Radio liefen oder unser Video bei MTV oder später bei Viva gezeigt wurde. Live ist es dennoch nicht gleich so explodiert, dass da 5000 Leute standen, sondern 2005 erstmals 200. Es ging langsam und stetig. Wenn wir von 2005 reden, dann hat es zehn Jahre gebraucht, bis wir unseren Peak erreicht haben. Erst dann waren wir auf dem Arena-Niveau. Es war nie wie bei einer Castingshow, wo man innerhalb einer Woche mit dem Album auf der eins und in jeder Fernsehshow war. Das habe ich immer als absurd empfunden. Bei den Casting-Acts war es acht Wochen später wieder vorbei.

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Haben Sie sich an anderen Bands orientiert?

Amerikanische Bands haben uns immer inspiriert. Da standen bei uns Papa Roach, Limp Bizkit oder Linkin Park hoch im Kurs. Am Anfang hatten wir auch noch einen DJ dabei, weil Linkin Park das auch hatte. (lacht) Bei der ersten Platte haben wir auch versucht, eher diesen Nu Metal-Gitarrensound abzubilden.

Wann haben Sie gespürt, „da geht was?“

Als wir 2004 Support von Silbermond waren, kam in München das ganze Label von Sony zur Show. Wir merkten da schon, wie das Publikum auf uns reagierte. Danach waren wir in Hannover in einem großen Studio, und unsere erste Single „Generation Rock“ erschien. Die landete, glaube ich, auf Platz 60. Als wir bei MTV gespielt wurden, merkten wir, dass wir aus dem lokalen Mief rauskommen. Plötzlich waren mehr Mails in unserem Postfach. Da haben wir gemerkt, da geht was.

Die  Band Revolverheld während ihrer 20-Jahre-Tour in der Sporthalle Hamburg.
Die Band Revolverheld während ihrer 20-Jahre-Tour in der Sporthalle Hamburg. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Sie wurden mit den Jahren Stück für Stück größer und haben das Ziel erste Liga schneller erreicht als der HSV. Heute sind Revolverheld Radio-Lieblinge.

Das Radio hat sich schon etwas verändert. Anfangs mussten wir sehr um das Radio kämpfen, da mussten wir die E-Gitarren ausmachen, weil es dort hieß: „Deutsche Musik auf gar keinen Fall, und verzerrte Gitarren gehen auch nicht!“ Dann kam HIM mit „Join Me“, und dann wurde es minimal besser. Wir haben aber immer weitergemacht. Für mich war es ein guter, entspannter Prozess. So richtig explodiert ist es mit dem zweiten Bundesvision Song Contest 2014, bei dem wir gewonnen haben. Da waren wir schon groß und haben vor 1500 Leuten gespielt. Doch auf einmal war unser Ding gefühlt in der Tagesschau und hatte nationale Relevanz.

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Haben Sie als Band alles richtig gemacht?

Mit Sicherheit nicht. Wir haben auch vieles falsch gemacht. Doch wir haben auch da auf das amerikanische Modell geschaut, aus Fehlern zu lernen. In den USA ist es ja normal, dass du Fehler machst, hier wirst du dafür verurteilt.

Haben Sie sich als Typ verändert, weil Sie plötzlich ein Popstar sind? Der Johannes vom Weserstrand sind Sie nicht mehr.

(lacht) Ich wurde mit der Zeit schon mehr erkannt und musste gucken, wie ich mein Privatleben geregelt bekomme. Als ich die Jahre als Coach bei „The Voice Kids“ gemacht habe, war es schon extrem mit dem Kind (Strate hat einen elfjährigen Sohn, d. Red.) auf dem Spielplatz. Da habe ich versucht, manche Orte zu meiden. Aber ich habe viele Freunde und Bekannte, die nicht in der Musikbranche arbeiten. Da hatte ich immer einen guten Austausch. Es war nicht so schwer, den Faden zum normalen Leben nicht zu verlieren. Wenn du dann Vater wirst, ist eh alles anders.

Gibt es eine Anekdote aus 20 Jahren Revolverheld?

Es gibt zwei nette Geschichten. Als wir das erste Mal in Basel gespielt haben, war das auf so einem Kulturschiff. Da war alles etwas selbst gemacht und nicht ganz stabil. Irgendwann ist die kleine Bühne nach und nach in sich zusammengebrochen. Da haben wir das erste Mal die Bühne eingerissen. Diesen Moment war schon sehr Rock‘n‘Roll. Bei Rock am Ring war es auch mal krass. Wir spielten am Nachmittag, und die Bude war schon rappelvoll. Nach uns spielten Velvet Revolver, Muse, Korn und Die Ärzte. Ein irres Line Up. Da gehst du von der Bühne und triffst backstage Scott Weiland (2015 verstorbener Sänger der Stone Temple Pilots, d. Red.) Da waren wir Tür an Tür mit den größten Rockstars der Welt. Das wird mir immer als einer der wahnsinnigsten Auftritte meines Lebens in Erinnerung bleiben.

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Sie werden ab 2026 eine längere Pause einlegen. Warum?

Ich bin seit 20 Jahren in der Öffentlichkeit und spiele jedes Jahr Konzerte. Ich möchte einmal in meinem Leben einen Kalender haben, der ein Jahr lang frei von Konzerten und Terminen ist und ich nicht vor Mikros oder Kameras stehe. Diese Freiheit möchten wir uns jetzt gönnen. Für uns gilt wie beim Fußball „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“. Irgendwas wird immer geprobt, und meistens wird parallel auch noch im Studio gearbeitet. Studio, Album-Premiere, Promo, Tour und wieder am nächsten Album arbeiten. Wir haben in all den Jahren nie richtig eine Pause gemacht. Ich will einfach mal durchatmen, die Jungs auch. Ich habe ein bisschen Angst davor.

Warum?

Viel Langeweile habe ich nicht, es gibt immer etwas zu tun. Aber ich weiß nicht, wie sich Langeweile anfühlt, wenn der Kalender tatsächlich mal leer ist. Mit Familie und Band ist alles ganz solide durchgetaktet.

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Aber vor was haben Sie Angst?

Ich kenne es gar nicht mehr, nichts zu tun. Wir sind eine Generation, die sich ablenkt und immer irgendwie etwas reinschmeißt an Aktivitäten. Früher haben wir im Wartezimmer beim Arzt gewartet, jetzt arbeitet man eine Viertelstunde am Handy oder ballert sich bei Instagram oder TikTok die Rübe zu. Ich will wieder mehr Luft in mein Hirn lassen. Wie mir das gelingt, davor habe ich etwas Angst.

Wenn eine Band eine längere Pause einlegt, dann war’s das oft ganz.

Ich habe keine Ahnung, was 2027 passieren wird. Wir mögen uns nach wie vor sehr und machen gerne Musik zusammen. Ich gehe schwer davon aus, dass es nach der Pause weitergeht und wir weiter auf der Bühne stehen werden. Diese Pause wird nicht zwei Monate dauern. Und das war eine gemeinschaftliche Entscheidung.

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Letztens haben Sie Ihren großen Hit „Halt dich an mir fest“ in einer neuen Version veröffentlicht, bald gehen Sie auf große „20 Jahre“-Tour. Wir groß ist da auch die Anspannung vor diesem Ritt ?

Keine Sorge, ich habe darauf total Lust, die Karriere mit den Leuten da draußen zu feiern. Wir werden in den nächsten Monaten unsere alten Songs in neuem Gewand veröffentlichen, und es wird auch ein Album mit diesem Material erscheinen. Ich freue mich sehr, es wird ein super Jahr. Wenn man eine Pause macht, will ich mich nicht still und leise durch die Hintertür rausschleichen. Wir wollen noch mal eine schöne Party feiern.

In der offiziellen Pressemitteilung gibt es keine Erklärung von Ihnen, nur den Satz „Es fühlt sich komisch an…und dann die Worte bezüglich der Dauer der Pause: „Wie lange? Wir werden es sehen.“ Das wird die Fans beunruhigen…

Wenn ich jetzt schon sagen könnte, wie lange die Pause dauert, dann wäre es für mich keine richtige Pause. Weil ich gleich wieder nachdenken werde, dass ich den Neustart vorbereiten müsste. Wir wollen uns das offen halten.

Was werden Sie vermissen?

Die Arbeit im Studio und unsere Konzerte. Aber einen Song schreiben kann ich ja weiterhin. Die Jungs werde ich nicht vermissen, weil wir weiter Kontakt haben werden, wir sind enge Freunde. Mit Kris (Gitarrist Kristoffer Hünecke, d. Red.) spiele ich Tennis, Jakob (Schlagzeuger Jakob Sinn, d. Red.) und ich haben ein altes Motorboot zusammen, das ständig kaputt ist. Wir schrauben da immer dran rum. Ich werde es aber genießen, nicht über Musik und

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