Essen. Tuner, Poser, Raser: Wer ist wer? Auf der Essen Motor Show klären Tuning-Experten und ein Polizist auf, was hinter den Vorurteilen steckt.
Es ist ein Wochentag, nachmittags um drei, und trotzdem herrscht großes Treiben beim großen Jahrestreffen der deutschen Tuning-Community: der Essen Motor Show. Tiefergelegt, glänzend und bunt – so sehen viele der aufgemotzten Fahrzeuge aus. Mit Basecaps, Hoodies und Sneakers schlendern hier Tuner und Tuning-Begeisterte aus ganz Deutschland und Nachbarländern von Auto zu Auto, bleiben stehen, hocken sich ab zu den Felgen und fragen die Aussteller nach Details.
Doch wenn über Autotuner berichtet wird, dann meist in einem bestimmten Kontext: Polizeikontrolle, Stilllegung und Straßenrennen. Auch werden sie oft in einem Atemzug mit Rasern und Posern erwähnt.
„In Deutschland gibt es ein grundlegendes Missverständnis“, erklärt Sebastian Musciagna, Inhaber der Tuning-Werkstatt Camtec aus Frankfurt. „Man wirft Autotuner und Autoposer oft in einen Topf, doch das sind zwei völlig unterschiedliche Gruppen. Poser stehen vor allem in den Medien im Fokus: Sie mieten oder leasen leistungsstarke Serienfahrzeuge und fahren laut durch Innenstädte, um Eindruck zu schinden. Wir Tuner hingegen bauen unsere Fahrzeuge selbst um – und das machen wir in erster Linie für uns, aus Leidenschaft.“
Tunerin Lela: „Das Vorurteil, wir seien alle Raser und Spinner, existiert durchaus“
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Spricht man Autotuner auf diese Vorurteile an, hört man oft erst ein tiefes Seufzen, gefolgt von einem regelrechten Wasserfall an Argumenten darüber, was in der öffentlichen Darstellung alles schieflaufe. „Das Vorurteil, wir seien alle Raser und Spinner, existiert durchaus“, erklärt Tunerin Lela aus Hamburg. „Wir schrauben nur gerne, treffen uns, um Benzingespräche zu führen. Diejenigen, die tatsächlich rasen – das sind keine Tuner, die schrauben auch nicht selbst an ihren Fahrzeugen.“
Auch jede einzelne Veränderung am Fahrzeug sei TÜV-geprüft, begutachtet und alles dokumentiert, trotzdem werde man regelmäßig aus dem Verkehr gezogen, beteuert Aussteller Leon. Felgen, Reifen oder Tiefe werden bis ins kleinste Detail begutachtet und hinterfragt, wenn nicht sogar angezweifelt, klagt er.
„Angezweifelt“ – ein Wort, das Kopfschmerzen bei Tunern auslöst. Mit der „Anzweiflung“ ist gemeint, dass die Polizei-Beamten vermuten, dass etwas mit einem Fahrzeug nicht in Ordnung oder es nicht verkehrssicher ist – seien es technische Mängel oder Unstimmigkeiten in den Dokumenten. Im schlimmsten Fall führe das zu einer Stilllegung. Leon und andere befragte Tuner sind überzeugt, dass der schlechte Ruf der Szene der Hauptgrund für die vielen Kontrollen sei.
„Tune it Safe“ in Essen: Polizist räumt mit Vorurteilen gegen Tuner auf
Immanuel Noske aus Kamen plant und leitet die Fortbildungen zur Verkehrsüberwachung für die Landespolizei NRW. Er hat freundliche Augen und runzelt die Stirn nur selten, selbst wenn er eine „Ich frag für ’nen Freund“-Frage gestellt bekommt. Seit 20 Jahren ist er Teil der Initiative „Tune it Safe“. Neben ihm steht ein getuntes Fahrzeug im Polizei-Look: ein BMW M2 Coupé mit 560 PS. „Der steht hier nur für die Ausstellung, für den Einsatz wird er nicht benutzt“, erklärt er einem Jugendlichen mit Augenzwinkern.
Bei „Tune it Safe“ können Tuner kostenlose Auskunft vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) erhalten. Man kann beispielsweise bei geplanten Tuning-Maßnahmen direkt einen Sachverständigen hinzuziehen, der den Fall betreut, damit alles reibungslos und legal abläuft.
Doch wie ist das denn mit den Tunern? Sind sie wirklich zu Unrecht mit Vorurteilen behaftet? „Aber sowas von!“, meint Noske mit einem Lächeln. Er selbst ist Schrauber, tunt Old- und Youngtimer und besitzt Einsatzfahrzeuge aus den 80er- und 90er-Jahren, wie etwa einen Passat 32b Streifenwagen. Stolz zückt er sein Handy und zeigt Bilder seiner Fahrzeuge. Zu Autotreffen fahre er auch, doch hauptsächlich werden seine Einsatzwagen für Film, Fernsehen und Werbung genutzt.
Streitthema „Angezweifelt“: Warum Tuner so oft angehalten werden
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Auf der Messe tritt er mit Tunern in einen Austausch: Beim Stichwort „Angezweifelt“ muss er schmunzeln, er kennt das Streitthema gut. Sollte ein Fahrzeug auffallen, weil es zum Beispiel lauter als gewöhnlich ist, müssen die Polizei-Beamten herausfinden, ob und um was für eine Art Mangel es sich handelt. Zwei Möglichkeiten stehen im Raum: Entweder wurde am Auspuff umgebaut, oder es liegt ein technischer Schaden vor. „Auf der Straße kann man das nicht immer direkt feststellen“, erklärt Noske.
Auch bei der Eintragung gebe es hin und wieder Auffälligkeiten, die zu einer Stilllegung führen können. Ein Beispiel: Einzelne Teile sind zwar eingetragen, aber das Gesamtbild des Fahrzeugs wirft Fragen auf. Es könnten mehrere Gutachten vorliegen, doch bei der Kontrolle wird festgestellt, dass die Kombination so nicht zulässig wäre. Oder es könne sich um eine Gefälligkeit handeln. Besteht der Verdacht, dass ein Fahrzeug den Verkehr gefährden könnte, müsse es (vorübergehend) stillgelegt werden. „Leider stehen da oft die Autotuner im Fokus, die Rostlauben eher weniger“, erklärt er.
Tuning vs. Serie: Warum die Kontrolle anders ist
Der Grund: Bei Tunern werden andere Parameter betrachtet. „Die Qualität der Kontrolle ist natürlich qualitativ gleichwertig, aber ein getuntes Fahrzeug wird anders kontrolliert als zum Beispiel ein alter Sprinter.“ Änderungen am Fahrzeug müssen begutachtet und eingetragen werden, alles, was nicht serienmäßig ist, brauche eine Legitimation. Da komme schon mal mehr Papierkram zusammen.
Zahlen, wie viele stillgelegte getunte Autos tatsächlich vom Gutachter wieder freigegeben werden, gebe es nicht. „Bei der Bilanz wird nämlich nicht unterschieden zwischen den Arten von technischen Mängeln. Zum Beispiel, ob das Auto zu tief liegt oder ob die Bremsen verschlissen sind.“ Trotzdem sei wichtig für Noske, dass Tuner nicht als Kriminelle dargestellt werden, auch wenn es durchaus schwarze Schafe gebe.
Vorsichtig statt rasend: „Dem Tuner ist sein Auto viel zu wertvoll.“
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Auch er betont, dass es eine klare Abgrenzung zwischen Tunern, Posern und Rasern gebe – mit nur einer minimalen Schnittmenge. „Poser fahren meist hochmotorisierte Serienfahrzeuge mit offener Klappe und zu lautem Auspuff. Raser heizen mit Vollgas durch die Stadt. Dem Tuner hingegen ist sein Auto viel zu wertvoll. Er fährt viel vorsichtiger, vielleicht sogar weniger, weil ihm sein Auto so wichtig ist“, betont er. „Die Tuner machen auch nur ihr Hobby – ein legales Hobby.“
Die Essen Motor Show findet bis Sonntag, 8. Dezember, statt. Geöffnet ist sie täglich von 10 bis 18 Uhr, an Samstagen und Sonntagen bereits ab 9 Uhr. Ein Tagesticket kostet 20 Euro, ermäßigte Tickets gibt es für 16 Euro.