Essen. Mutter Christiane aus NRW ist genervt – vom Eltern-Chat. Ein Experte erklärt, warum die Gespräche so oft eskalieren und was man dagegen tun kann.

Ping. „Um wie viel Uhr geht die Adventsfeier nochmal los?“ Ping. „15 Uhr.“ Ping. „Ich kann beim Aufbau helfen. Wer noch?“ Ping. „Ich.“ Ping. „Ich auch.“ Ping. „Ich nicht.“ Ping. „Wir dürfen das Buffet nicht vergessen.“ Ping. „Ich kann was mitbringen.“ Ping. „Ich auch.“ Ping. „Danke.“ Ping. „Ich nicht.“ Ping. „Denkt aber daran, dass viele Schüler kein Schweinefleisch essen.“ Ping. „Ich finde, alles sollte vegan sein.“ Ping. „Nein, das mögen meine Kinder gar nicht.

Christiane schaut auf ihr Handy und schüttelt den Kopf. Die 45-jährige Mutter aus dem Ruhrgebiet ist genervt – vom Eltern-Chat. „Wenn, wie jetzt, etwas geplant werden muss, ist es besonders schlimm. Die Nachrichten hören gar nicht mehr auf“, sagt sie.

Ob für die Kita, die Schule oder den Sportverein: In sogenannten Eltern-Chats schließen sich Mütter und Väter zusammen. Sie sind eine virtuelle Verlängerung des Elternabends, nur ohne Lehrkraft. Eltern wollen so sicher gehen, nichts Wichtiges im Leben ihrer Kinder zu verpassen. Der Haken: An die Regel, nur das Nötigste zu besprechen, hält sich früher oder später kaum noch jemand. Und so wird am Ende in hunderten Nachrichten darüber diskutiert, ob Glühwein beim Kita-Fest getrunken werden darf. Ob die Hausaufgabe diskriminierend ist. Und ob es wirklich okay ist, wenn ein Schüler nicht mit auf Klassenfahrt kommt. Warum eskalieren Eltern-Chats so oft – und was kann man dagegen tun?

Experte über Eltern-Chats: „Wäre ein Wunder, wenn alles problemlos laufen würde“

Gruppen auf WhatsApp, Signal & Co. sind generell eine heikle Angelegenheit, selbst im Freundeskreis. Mit dem großen Unterschied, dass man sich dort die anderen Mitglieder aussucht. In der Eltern-Gruppe ist man bunt zusammengewürfelt. Kennt sich mal mehr, mal weniger gut und mag sich mal mehr, mal weniger gerne. „Es wäre ein Wunder, wenn unter diesen Voraussetzungen alles problemlos laufen würde. Und das bei einem so emotionalen Thema wie den eigenen Kindern“, sagt Matthias Johannes Bauer. Er ist Professor für Kommunikationsmanagement an der IST-Hochschule in Düsseldorf.

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Das Problem: Mimik und Gestik fallen weg. Was bleibt, ist das geschriebene Wort. Manchmal ergänzt durch einen Smiley, der im Zweifel noch mehr Konfliktpotenzial birgt. (Verbündet sich die andere Mutter durch den Zwinker-Smiley mit mir oder will sie mich etwa provozieren?) „Und oft tippt man mal eben zwischen Tür und Angel etwas ein, ohne groß darüber nachzudenken“, sagt Bauer.

Düsseldorfer Experte: Diskussionen gehören nicht in den Eltern-Chat

Dabei ist laut Experten die wichtigste Regel, dass man sich vorm Abschicken jeder Nachricht fragt: Ist das wirklich ein Thema, das man mit 25 anderen besprechen muss? Oder reicht es nicht, gezielt einer Mutter oder einem Vater zu schreiben? Um das zu entscheiden, sollte man sich am folgenden Grundsatz orientieren: „Alles, was schnell und einfach zu lösen ist, kann besprochen werden. Alles, was in die Diskussion geht, gehört nicht in den Eltern-Chat.“ Doch wie Christianes Beispiel zeigt, führt häufig schon die Planung eines einfachen Events zu einer nicht enden wollenden Flut an Nachrichten. Und nach 100 „Pings“ weiß keiner mehr, was besprochen wurde.

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Das lässt sich allerdings leicht vermeiden, so Bauer. Anstatt dass alle „Danke“ schreiben, sollte man zum Beispiel lieber mit einem „Herz-“ oder „Daumen-Hoch“-Emoji direkt auf eine Nachricht reagieren. Anstatt offen zu fragen, wer etwas zu essen mitbringt, eine „Ja-Nein“-Umfrage starten. Und im Idealfall verlinkt man dann noch eine Excel- oder Word-Liste, in die jeder einträgt, was er mitbringt. Geht es um die Terminfindung, sind Abstimmungs-Tools wie „Doodle“ hilfreich.

Hat man den Moment verpasst, die Planung effizient anzugehen, rät der Experte zu folgender Nachricht: „Ich habe wahrgenommen, dass wir uns mit dem Thema total verzetteln. Mich persönlich stört das. Seht ihr das auch so? Wollen wir nochmal darüber nachdenken, wie wir uns besser organisieren können?“

„Bitte erstmal richtig lesen, was ich geschrieben habe!!! Ich bin raus.“

Komplizierter wird es allerdings, wenn es nicht um die nächste Feier geht, sondern leidenschaftlich über ein Thema gestritten wird. Das hat auch Christiane schon erlebt. „Einmal ging es darum, ob eine Hausaufgabe nicht total diskriminierend sei. Die Kinder sollten zählen, wie viele Gegenstände in ihrem Zimmer sind“, erzählt sie. Eine Mutter schrieb, dass sie befürchtet, das könne zu Mobbing führen. Nach wenigen Minuten diskutierten etliche mit.

Schnell ging es dabei nicht mehr um die Aufgabe an sich, sondern um die persönlichen Mobbing-Erfahrungen. Eine Mutter fühlte sich am Ende so missverstanden, dass sie tippte: „Bitte erstmal richtig lesen, was ich geschrieben habe!!! Ich bin raus.“

Men hands are typing on their smartphones, and chat box symbols appear. Concept of social media marketing technology.
Anstatt etliche Nachrichten im Eltern-Chat hin und her zu schicken, sollte man lieber privat schreiben – oder einfach mal telefonieren. © Getty Images | ipuwadol

Wie hätte sich das vermeiden lassen? Laut Bauer gibt es da zwei Optionen. Erstens: Die Diskussion eins zu eins austragen, am besten telefonisch. Zweitens: Zum Hörer greifen und die entsprechende Lehrerin anrufen. Denn nur sie kann wirklich etwas zur Aufgabe sagen, die Eltern allein drehen sich nur im Kreis.

175 Nachrichten innerhalb von 15 Minuten

Das setzt allerdings voraus, noch mehr Zeit und Engagement in den Eltern-Chat zu stecken. Zum Glück gibt es laut Bauer immer noch eine dritte Option: die Gruppe einfach verlassen. „Die wichtigsten Informationen werden einen schon finden“, sagt er. Das müsse die Schule schließlich sicherstellen.

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Christiane war über ein Jahr lang raus aus dem Eltern-Chat. Als eines Tages 175 Nachrichten innerhalb von 15 Minuten verschickt wurden, hatte sie genug. „Aber jetzt bin ich wieder dabei. Es ist schon praktisch, um zu erfahren, wenn ein Lehrer krank ist oder eine Feier ansteht. Man will sich ja auch einbringen“, sagt sie. Und wenn wie aktuell mal wieder besonders viele Nachrichten aufploppen, stellt sie die Gruppe stumm.

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