Essen. Der Verbandschef der Schulköche über Tiefstpreise und Eltern, die Gemüse fordern, aber selbst nur Nudeln kochen. Wie er das löst, was er fordert.

Billig, aber am besten bio soll das Schulessen sein, gesund und vollwertig, aber bitte so, dass die Kinder es nicht liegen lassen. Für Stefan Lehmann ist das jeden Tag eine echte Herausforderung, ebenso für alle anderen Caterer, die für die Kitas und Schulen in NRW kochen. Die Ansprüche der Eltern und Schulen sind oft deutlich höher als ihre Zahlungsbereitschaft. Wie das zusammenpasst? „Eigentlich gar nicht“, sagt der neue NRW-Chef des Verbands der Deutschen Schul- und Kita-Caterer (VDSKC) in unserem Podcast „Die Wirtschaftsreporter“.

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Lehmann selbst bekocht mit seinem Familienbetrieb in Bonn rund 200 Kitas und Schulen, die Mitglieder des Verbands liefern täglich eine halbe Million Mittagessen für die Kinder aus. Im Podcast erklärt er, warum seine Köche das Gemüse verstecken müssen, Eltern gesundes Essen fordern, das ihre Kinder von zu Hause gar nicht kennen, warum sein Schulessen in der gleichen Stadt mal teurer und mal günstiger ist – und er beklagt, dass in Deutschland jede Pommesbude Schulverpflegung machen darf.

Schul- und Kita-Caterer erhöhen Preise nur moderat, damit niemand abbestellt

Die letzten beiden Jahre mit Inflationsraten bei Lebensmitteln von in der Spitze über 20 Prozent haben es denen, die unsere Kinder in den Kitas und Schulen bekochen, nicht leichter gemacht. Ein „unfaires Preis-Leistungs-Verhältnis“, beklagt Lehmann ohnehin, doch in der Rekordinflation sei es noch weit schlechter geworden: „Eltern haben in der Regel schon Verständnis für Preisanpassungen, aber sie müssen moderat bleiben. Wenn wir alle Mehrkosten auf die Endpreise umgelegt hätten, hätten wir viele Kunden verloren“, sagt der Chef des Caterer-Landesverbands.

Stefan Lehmann, Chef des Verbands der Deutschen Schul- und Kita Caterer (VDSKC) in NRW. Mit seinem eigenen Unternehmen beliefert er selbst rund 200 Kitas und Schulen mit täglichem Mittagsessen.
Stefan Lehmann, Chef des Verbands der Deutschen Schul- und Kita Caterer (VDSKC) in NRW. Mit seinem eigenen Unternehmen beliefert er selbst rund 200 Kitas und Schulen mit täglichem Mittagsessen. © LEHMANNs Gastronomie GmbH | LEHMANNs Gastronomie GmbH

Er selbst hat sich in seinem Betrieb anders geholfen, mit neu gewonnen Kunden, aber auch mit trickreichen Einsparungen in der Küche: „Wir haben zum Beispiel den Fleischanteil in der Bolognese reduziert und dafür den Gemüseanteil erhöht, das macht es dann auch noch gesünder“, erzählt Lehmann. Manche Gerichte hat er aber auch komplett gestrichen, weil sie zu teuer geworden sind, etwa wie Rindergeschnetzeltes oder Lachs.

Sein Betrieb nimmt 3,40 Euro für den Hauptgang und 40 Cent fürs Dessert - und ist damit noch „einer der teuersten in der Region“. In NRW werde noch weniger fürs Schulessen bezahlt als im Bundesdurchschnitt. Und der harte Wettbewerb der Caterer um die Aufträge führe dazu, dass die Preisspanne von zwei bis fünf Euro reiche. Dabei gebe es kaum Regeln dafür, wer was kochen soll: „Aktuell darf in Deutschland theoretisch jede Pommesbude Schulverpflegung machen.“

An weiterführenden Schulen essen weniger Kinder zu Mittag

Was ihn besonders umtreibt, sind die enormen Unterschiede nicht nur zwischen Bundesländern, sondern auch den einzelnen Städten. So unterstützen manche Kommunen ihre Schulen und übernehmen selbst einen Teil der Kosten, andere nicht. Das führe auch dazu, dass in ärmeren Städten, die ihre Schulen nicht beim Essen subventionieren, Eltern das Mittagessen für ihre Kinder wieder abbestellen. „Die Menschen wurden zuletzt sehr gefordert durch die Inflation, das hat sicherlich dazu geführt, dass die Anzahl der Essen gerade in den weiterführenden Schulen abgenommen hat.“

Doch die Faustregel „klamme Kommune, teures Schulessen“ stimme nicht überall, betont Lehmann. Es komme sehr darauf an, ob den Verantwortlichen einer Kommune dieses Thema am Herzen liegt oder nicht. So gebe es ärmere Städte, die das Essen subventionierten und reichere, die dies nicht tun. „Es ist wirklich verrückt, wie unterschiedlich die Preise innerhalb weniger Kilometer sind“, sagt Lehmann. Manchmal sogar in derselben Stadt, weil sie etwa Schulen mit freiwilligem Langtag nicht unterstützt. „Das führt dazu, dass wir zwei Schulen in derselben Stadt mit dem gleichen Essen beliefern, die Eltern aber unterschiedlich hohe Preise zahlen.“

Catering-Verbandschef fordert 2,50 Euro vom Staat fürs Schulessen

Die vielen Initiativen aus Politik und Gesellschaft für besseres und am besten für die Eltern kostenfreien Mittagessen hätten bisher wenig gebracht, auch, weil Länder und Bund immer auf den anderen zeigten. „Dieses Pingpong der letzten Jahre hat dazu geführt, dass wir nicht weitergekommen sind“, kritisiert Lehmann.

Sein Wunsch wäre es daher, dass der Staat das Schul- und Kita-Essen bundesweit einheitlich subventioniert: „Eine Untergrenze von fünf Euro, 2,50 Euro zahlt der Staat, 2,50 Euro die Eltern.“ Deutschland als eines der reichsten Länder der Welt müsse es doch schaffen, „für alle unsere Kinder ein gutes gesundes Essen zur Verfügung zu stellen“.

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Vor große Probleme stelle die Caterer aber auch, dass die Eltern mehrheitlich ein gesundes, vollwertiges Essen verlangen, das ihre Kinder aber von zu Hause oft gar nicht kennen und deshalb auch nicht mögen. Was wie gut gegessen wird, halte er nach, und: „Negatives Feedback gibt es meistens zu vegetarischen und gesunden Gerichten, weil die Kinder sie nicht kennen. Nudeln mit Gulasch und Schnitzel-Pommes geht dagegen immer.“ Seine Köche müssten deshalb das Gemüse „gut verstecken“, damit es auch gegessen wird.

In der Kita kann man die Kinder noch an Gemüse gewöhnen

Nicht wenige Eltern verlangten von ihm, was sie selbst nicht schafften. Ein Beispiel: „Von einer Mutter wurde ich mal ganz böse angegangen, wie es mir einfallen würde, Nudel mit Tomatensauce anzubieten. Das sei doch ihr Joker für zu Hause, ich dagegen müsse gesund kochen“, erzählt Lehmann. Von den Caterern werde erwartet, dass sie den Kindern gesundes Essen beibringen. „In der Kita geht das auch, da ist die Akzeptanz für Gemüse und Gesundes noch viel größer, weil beim pädagogischen Mittagstisch gemeinsam probiert wird“, sagt er. Man wisse, dass Kinder Neues 18 Mal probieren müssen, bis sie es mögen. Gelingt das in der Kita nicht, sei es meist zu spät: „Ab der Grundschule geht es leider nur noch darum, Massen an Kindern irgendwie satt zu kriegen.“

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Der Verbandschef sieht aber auch bei den Anbietern noch viel Luft nach oben, etwa wenn es darum geht, vollwertige vegetarische Gerichte anzubieten. „Manche Köche denken immer noch, ich lasse das Schnitzel weg, dann habe ich ein vegetarisches Essen, das war die letzten 20 Jahre so“, räumt Lehmann ein. Das ändere sich langsam, sein Verband biete dazu auch Fortbildungen an. Das Problem, dass viele Kinder das Essen stehen lassen, sobald sie etwas Grünes darauf entdecken, bleibe aber dasselbe.

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