Herne. Eine Personalentscheidung sorgt in einer Herner Kita für Zoff zwischen Eltern, Leitung und Träger. Wie der Streit eskalierte.
In Herne-Mitte sind die Eltern des Familienzentrums Arche Noah Kita St. Bonifatius schockiert: Zwei Erzieher sollen kurzfristig in andere Einrichtungen versetzt werden, kritisiert der Elternbeirat. Als sich dieser darüber schriftlich beim katholischen Träger beschwerte, strichen Kita und Gemeinde kurzfristig den für den Abend geplanten Gottesdienst und Martinsumzug. Die entsetzten Eltern organisierten daraufhin selbst einen Umzug. Die vorbereiteten Fürbitten verlasen Kinder unterwegs im Behrenspark.
Die Stimmung in der Kita St. Bonifatius an der Glockenstraße ist aktuell im Keller, die Atmosphäre vergiftet. Auslöser ist die Ankündigung des Trägers, der Katholischen Kindertageseinrichtungen Östliches Ruhrgebiet gGmbH (Dortmund), dass zwei Erzieher ab kommender Woche in anderen Kitas arbeiten - auf freiwilliger Basis. Das war den Eltern am Tag zuvor in einer Versammlung mitgeteilt worden. „Die Entscheidung, langjährige und vertraute Bezugspersonen unserer Kinder unter angeblichem finanziellem Druck in andere Einrichtungen zu versetzen, ist für uns in keiner Weise nachvollziehbar und in höchstem Maße besorgniserregend“, heißt es in dem Elternbrief, der unserer Zeitung vorliegt.
Herner Elternbeirat: Träger soll Entscheidung widerrufen
Finanzielle Engpässe, das zeige ein Blick in die öffentlich einsehbaren Finanzen des Trägers, gebe es nicht, so der Beirat in seinem zweiseitigen Brief. Außerdem seien erst im August neue Kräfte in der Kita eingestellt worden. Darüber hinaus kritisiert das Gremium, dass es in die Entscheidung nicht eingebunden worden sei. Und es wundert sich unter anderem darüber, dass die Angestellten - beides Männer - ausgerechnet jetzt nach der Eingewöhnungsphase innerhalb von nur wenigen Tagen abgezogen würden. Persönliche Gespräche hätten zudem gezeigt, dass beide nicht freiwillig gingen.
„Es ist unmenschlich und inakzeptabel, unter fadenscheinigen Gründen den Kindern ihre vertrauten Bezugspersonen zu entziehen und so das Vertrauen in eine stabile und sichere Betreuungsumgebung zu gefährden“, heißt es in dem Schreiben weiter. Der Kitaleitung werfen die Eltern vor, „sich hinter kirchlichen Instanzen zu verstecken, anstatt klare Verantwortung zu übernehmen.“ Dieses Verhalten widerspreche fundamental den christlichen Werten, „die Sie als katholische Einrichtung vertreten sollten, und enttäuscht uns als Eltern zutiefst“. Den Träger rufen die Eltern auf, die Entscheidung zu widerrufen.
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Nachdem der Elternbeirat den Brief am Freitag, 8. November, an den Träger versandt hatte, überschlugen sich die Ereignisse. Kurz vor Beginn sagte die Kita den für denselben Nachmittag geplanten Gottesdienst mit Martinsumzug ab. Die Kitaleitung sei über den Brief sehr getroffen und nicht in der Lage, fröhlich und unbeschwert das Martinsfest zu feiern, begründete die Leitung in einer App der Kita. Die Absage, so heißt es darin weiter, sei mit dem Träger und der Großpfarrei so abgestimmt. Der Gottesdienst werde auf Montag verschoben, und das Fest werde in der Kita gefeiert, mit Brezeln und Kinderpunsch - „sofern wir nicht mit der örtlichen Presse oder anderweitigen Vertretern beschäftigt sein werden“, so die Kitaleitung weiter.
Die Eltern seien entsetzt über die Absage, schilderte eine Mutter der WAZ. Ein kritischer Brief reiche offensichtlich aus, um den Kindern eine schöne und wichtige Veranstaltung zu nehmen. Indirekt habe die Kitaleitung die Eltern darin auch davor gewarnt, sich an die Presse zu wenden. Das alles sei unprofessionell und kindisch. „So geht man mit Kindern nicht um“, so die Mutter weiter. Die Eltern hätten noch am Freitagabend selbst einen Martinsumzug organisiert und durchgeführt, um die Kinder nicht allzu sehr zu enttäuschen. Sie seien die Leidtragenden der Absage. Bei dem Umzug seien auch die Fürbitten vorgetragen worden, zuletzt hätten alle neben der Kita gegrillt.
Pfarrer: Enttäuscht und traurig über Zerwürfnis
Pfarrer Nils Petrat, Leiter der Großpfarrei St. Dionysisus, zeigt sich gegenüber unserer Zeitung enttäuscht und traurig über das Zerwürfnis. Natürlich sei Kritik an den Folgen der Finanzierungslücken beim Kibiz (Kinderbildungsgesetz) erlaubt, ja mehr noch: Sie sei auch durchaus berechtigt. Allein: Die Kritik an der Kitaleitung sei nicht akzeptabel und nachvollziehbar. Er habe die Absage des St.-Martinsumzugs deshalb befürwortet und auch selbst den Gottesdienst abgesagt und auf Montagvormittag verschoben.
Ähnlich äußert sich Thorsten Herrmann, Geschäftsführer der Kitaträgers, der Katholischen Kindertageseinrichtungen Östliches Ruhrgebiet. Er könne die Kritik der Eltern an der Versetzung der Kollegen verstehen, sagt er unserer Zeitung. Es gebe in der Kita aber seit Jahren rechnerisch einen Personalüberhang, zugleich fehlten in anderen Herner Kitas des Trägers Erzieherinnen und Erzieher. Deshalb müsse der Träger jetzt reagieren. Schon seit August seien hierzu Gespräche in der Kita geführt worden. Die Kritik an der Kitaleitung könne er nicht nachvollziehen, sagt auch Herrmann. Dass diese den Umzug abgesagt hat, weil sie nach dem Elternbrief getroffen gewesen sei, könne er dagegen verstehen.
Und wie geht es jetzt weiter? Pfarrer Petrat und Geschäftsführer Herrmann hoffen, dass sich die Wogen schnell glätten lassen. Eine Kita lebe von einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitenden und den Eltern, sagt Petrat. Auch Herrmann betont, dass wieder Vertrauen geschaffen werden müsse, damit es eine gute Partnerschaft zwischen Kitaleitung und Eltern geben könne. Wie das gehen soll, ist aber noch unklar. Erschwerend kommt hinzu: Nun habe auch der Vorsitzende des Elternbeirats seinen Posten niedergelegt, heißt es.