Essen. Wir machen im Umgang mit Kolleginnen, Kunden und Geschäftspartnern etliche Fehler, weiß Knigge-Trainerin Birte Steinkamp. Das sind rote Linien.

Die weißen Turnschuhe sind okay, in bestimmten Kreisen inzwischen fast Standard. Die Jeans gehen auch. Aber da liegt schon der erste grobe Fehler auf dem Tisch: das Handy. „Das ist ein Signal an mich, dass ich nicht die Nummer eins im Raum für Sie bin“, sagt Birte Steinkamp, „das ist nicht nur wenig respektvoll, sondern es signalisiert echtes Desinteresse“. Das sitzt. Und es wird nicht der letzte Benimmfehler des Journalisten bleiben, auf den ihn die zertifizierte Knigge-Trainerin für Business-Etikette im WAZ-Podcast „Die Wirtschaftsreporter“ hinweist. Dabei hatte er sich so sehr vorgenommen, noch korrekter aufzutreten als sonst.

Was den Journalisten ein wenig tröstet: Etlichen Managern und Beschäftigten bis hin zu Azubis ergeht es ähnlich. Birte Steinkamp, die auch bei der IHK Essen als Knigge-Coach geführt wird, ist in Dax-Konzernen, mittelständischen Betrieben und auch an Universitäten wie der in Uni Essen-Duisburg unterwegs - im Auftrag des guten, zeitgemäßen Benehmens. Die Knigge-Regeln müssten ständig neu geschrieben werden, mit der Zeit gehen, betont sie gern. Und segnet das eher lockere Büro-Outfit ihres Gegenübers ab.

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No-Go im Büro: Emojis sollte man sich verkneifen

Die Wirtschaftsreporter

Doch schon bei der Anrede hakt es: „Liebe Frau Steinkamp“ - ist das eigentlich okay? Wo wir uns doch zum ersten Mal begegnen und noch gar nicht kennen? Sie legt diese besondere Art von Lächeln auf, das Freundlichkeit signalisiert, aber Ablehnung ankündigt. „Nein, das geht schon in eine freundschaftliche, private Richtung“, sagt sie, die den Klassiker „Sehr geehrter ...“ bevorzugt. Gleichwohl weiß sie, dass der „liebe Herr“ und die „liebe Frau“ in der Geschäftswelt auf dem Vormarsch sind. „Wenn man sich etwas länger kennt und schätzen gelernt hat, ist das bei regelmäßigem Kontakt eine Anrede, die sich eingebürgert hat.“

„Herzchen-Emojis haben in der geschäftlichen Kommunikation nichts zu suchen“

Signale in die falsche Richtung senden wir vor allem im Umgang mit dem Handy, auch damit, was wir hineintippen. Herzchen-Emojis an den Kollegen oder die Kollegin sollte man sich verkneifen, rät die Knigge-Trainerin, man sollte auch kein Herzchen zurückschicken - „das könnte erst recht falsch verstanden werden“. Mit Ausnahme des gereckten Daumens hätten „Emijokons in der geschäftlichen Kommunikation nichts zu suchen“, sagt Steinkamp bestimmt.

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Die private und berufliche Kommunikation sollten sich schon unterscheiden. Aber auch im Privaten kann die Expertin für gutes Benehmen der immer wortkargeren Sprache wenig abgewinnen. „Whatsapp-Nachrichten fehlen oft die Begrüßung, die Satzzeichen, die korrekte Groß- und Kleinschreibung und die Verabschiedung. Wenn ich statt Emojis lieber das ein oder andere nette Wort hinzufüge, breche ich mir doch keinen Zacken aus der Krone - und ich zeige dem anderen, dass ich ihm ein Fünkchen mehr Zeit gewidmet habe.“ Wie der Name schon sage, sollten Emojis Emotionen ausdrücken. „Wie schön wäre es, das über Worte auszudrücken. Ein ,Danke, dass Du mir geholfen hast‘ ist viel wertschätzender als ein austauschbares Emoji“, findet Steinkamp.

Handys auf den Tisch zu legen, ist längst Gewohnheit, sendet aber schlechte Signale

Bei ihren Seminaren sei das Handy immer ein großes Thema. Im letzten habe sie die Teilnehmenden gebeten, alles, was sie aktuell nicht brauchen, vom Tisch zu räumen. „Das erste, was verschwand, waren die Handys. Allen war bewusst, dass die da nichts zu suchen haben, es ist aber offensichtlich eine Gewohnheit, ohne zu wissen, was das für ein Signal sendet“, erzählt Steinkamp.

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Wer sich in einer Konferenz oder einem Gespräch befinde, solle das beherzigen. „Stummschalten ist das absolute Minimum“, so die Knigge-Trainerin. Wer meine, es unbedingt auf den Tisch legen zu müssen, solle wenigstens den Bildschirm nach unten drehen. Besser sei es aber, es gar nicht zu beachten.

Knigge-Trainerin: Wir müssen uns die Freiheit nehmen, nicht erreichbar zu sein

Denn: „Zeit ist eine unserer wertvollsten Währungen geworden. Wenn wir uns dann mit einem gemeinsamen Termin, am besten in Präsenz, gegenseitig Zeit schenken, sollten wir auch signalisieren, dass wir sie wirklich nur für unsere Gesprächspartner reserviert haben.“ Man solle sich die Freiheit nehmen, auch mal eine halbe Stunde nicht erreichbar zu sein. „Wir haben uns diese Freiheit selbst genommen, aber wir dürfen sie uns auch wieder zurückholen“, rät Steinkamp.

Die volle Aufmerksamkeit ihres gegenübers fordert Knigge-Trainerin Birte Steinkamp ein. Wenn man sich schon die Zeit für ein Gespräch freischlage, habe das Handy nichts auf dem Tisch zu suchen.
Die volle Aufmerksamkeit ihres gegenübers fordert Knigge-Trainerin Birte Steinkamp ein. Wenn man sich schon die Zeit für ein Gespräch freischlage, habe das Handy nichts auf dem Tisch zu suchen. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Respektlosen Umgang mit dem Handy sehe sie im Übrigen entgegen landläufiger Vorurteile keineswegs vor allem bei den Jugendlichen. „Ich erlebe die junge Generation in meinen Seminaren als sehr motiviert, neugierig und dankbar für Tipps. Sie sind neu in der Arbeitswelt und wünschen sich mehr Sicherheit im Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten“, berichtet Steinkamp.

Manager geben oft keine guten Vorbilder ab

Woran es oft hapere, sei eher die Vorbildfunktion in den oberen Etagen. „Wenn jede zweite Führungskraft das Handy auf den Tisch legt, glauben die Azubis mir nicht, wenn ich ihnen sage, dass sich das nicht gehört“, so Steinkamp. Deshalb empfehle sie Unternehmen, die sie für Kurse in Business-Etikette buchen, auch immer, ganz oben mit den Trainings anzufangen.

Während eines Treffens im Büro oder mit Kunden ein Gespräch anzunehmen, sei maximal unhöflich. Wer ein wirklich wichtiges Gespräch erwarte, etwa wegen eines Krankheitsfalls in der Familie, könne und solle das aber vorher ankündigen, dafür werde jeder Verständnis haben. Eine Eskalationsstufe, eine dunkelrote Linie, gibt es aber noch, und die ist tatsächlich eine Generationenfrage: „Gerade jüngere Menschen telefonieren oft wie selbstverständlich über Lautsprecher, mit dem Handy in der Knäckebrothaltung vor dem Gesicht. Das geht gar nicht.“

Knigge-Rat: Über Fehlverhalten des chefs „geflissentlich hinwegsehen“

Eine Frage der Hierarchie sollte der Umgang mit dem Handy nicht sein, betont die Benimmexpertin. Allerdings rät sie, geflissentlich über das Fehlverhalten von Vorgesetzten hinwegzusehen, Maßregeln unter Zeugen sei keine gute Idee. Aber natürlich habe der Höherrangige aufgrund seiner Position nicht das Recht, unhöflich zu sein.

Beim Thema Dresscode im Büro oder für Geschäftstreffen rät die Expertin schon, sich dem Vorgesetzten anzupassen. „Bei Dresscodes auf Hochzeiten bin ich ja auch bereit, dem Brautpaar die Ehre zu erweisen und das gewollte Ambiente zu unterstützen. Im Berufsleben fühlen sich dagegen viele von Dresscodes bevormundet, obwohl es doch gar nicht so schlimm ist, mal einen geputzten Lederschuh zum Anzug anziehen“, meint Birte Steinkamp.

Unternehmen sollten Beschäftigten nicht das „Du“ aufzwingen

Dabei gehe es nicht um falsche oder richtige, sondern um angemessene Kleidung. Turnschuh und Jeans seien im Büro inzwischen meist völlig okay. Aber der Sneaker bei einem Termin, für den sich der Chef besonders schick macht, habe bei einem solchen Anlass doch „ein leichtes Geschmäckle von Rebellion“.

Umgekehrt findet die Knigge-Trainerin, dass es viele Unternehmen mit der erzwungenen Lässigkeit in Form kollektiver „Duz“-Gebote übertreiben. „Die Unternehmen wollen damit häufig mehr Nähe schaffen - untereinander, aber auch im Kundenkreis. Aber damit fühlt sich nicht jeder wohl“, weiß Steinkamp. „Auch wenn der Schrei nach dem Duzen groß ist: Vielen ist das zu nah. Ich schaffe durch ein respektvolles Sie auch eine positive Distanz. Deshalb finde ich, das Duzen sollte jedem selbst überlassen bleiben.“

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