Essen. Der Gewaltausbruch in einer Essener Klinik hat Caroline Heitmann erschreckt. Aber auch sie erlebt täglich Übergriffe in der Notaufnahme
Der gewalttätige Übergriff auf Klinikkräfte in Essen bewegt viele Menschen. Caroline Heitmann (30) arbeitet seit 2020 in der unfallchirurgischen Notaufnahme am Universitätsklinikum Essen. Sie hat auf bedrückende Weise von der Gewalttat erfahren.
„Als Erstes habe ich heute Morgen eine Nachricht meiner Mutter auf dem Handy gesehen. Sie wollte wissen, ob es noch den Wachdienst bei uns an der Notaufnahme gebe. Ich wusste erst gar nicht, worum es ging, doch als ich dann von dem Übergriff auf Kolleginnen und Kollegen am Elisabeth-Krankenhaus gelesen habe, wurde mir klar: Meine Mutter macht sich Sorgen, ob ich während meiner Arbeit in Gefahr bin.
„Ich will keine Konflikte austragen“
Ich arbeite seit 2017 am Universitätsklinikum und seit 2020 in der unfallchirurgischen Notaufnahme. Tagsüber sind wir zu viert, nachts mit zwei Pflegekräften im Dienst. Dazu kommen die medizinischen Fachangestellten. Wir haben nie weniger als 50 Patienten am Tag und manchmal sogar 100. Seit der Pandemie gibt es bei uns einen Wachdienst, und ich rufe ihn selbst sehr schnell, wenn ich merke, dass eine Situation zu eskalieren droht. Meine Profession ist es, Menschen zu helfen, zu heilen. Ich will keine Konflikte austragen. Und die nehmen zu.
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Übergriffe gibt es eigentlich täglich. Das fängt bei sexueller Belästigung an. Wir haben Unisex-Kleidung, trotzdem gibt es Sprüche. Letztens wollte ein Patient, dass ich ihn streichle, während er genäht wurde. Auch Beleidigungen gehören zum Alltag, jeder und jede von uns kann dazu Situationen benennen. Mir wurde auch schon der Ausweis vom Hemd gerissen, weil sich jemand über mich beschweren wollte. Verletzt oder angegriffen wurde ich noch nie.
Aber es gibt auch bei uns extreme Fälle. In unserer Notaufnahme wurde schon eine Scheibe eingeschlagen und die Polizei hat sie mal mit Zäunen abgesperrt, weil wir in eine ähnliche Lage gekommen sind wie jetzt am Elisabeth-Krankenhaus. Das macht etwas mit einem, klar. Bei uns gibt es Gegenmaßnahmen, den Wachdienst, auch Angehörigenzimmer, in denen aufgebrachte Leute betreut werden. In meiner Fachweiterbildung lerne ich aber auch Wege zur Selbstverteidigung. Das gibt mir Sicherheit. Ich hätte auch nichts gegen Metalldetektoren am Eingang. Nur löst so etwas das eigentliche Problem nicht.
„Den Leuten fehlt der Respekt“
Die Patienten verstehen nicht, dass wir eine Notaufnahme organisieren müssen. Ihr eigener Grund, zu uns zu kommen, wird als besonders drastisch und dringlich wahrgenommen. Sie verstehen nicht, dass wir nicht jeden als Erstes behandeln können. Den Leuten fehlt der Respekt, ja, aber es geht aus meiner Sicht um mehr. Unsere Gesundheitsversorgung ist nicht ausreichend. Die Leute sind schlecht informiert, finden keinen Fach- oder Hausarzt, zugleich werden Kliniken geschlossen. In den Notaufnahmen bekommen wir dieses Systemversagen, den Frust und auch den fehlenden Respekt in voller Geballtheit ab.“
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