Düsseldorf. Nach Attacken eines Clans im Essener Elisabeth-Krankenhaus ist nun eine Gesamtbilanz aus dem NRW-Gesundheitswesen bekannt geworden.
Eine Woche nach den Übergriffen einer türkisch-libanesischen Familie auf medizinisches Personal des Essener Elisabeth-Krankenhauses hat NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) seine harte Linie gegenüber kriminellen Clans bekräftigt.
„Wer der Meinung ist, er müsse Macht, Ehre und Familienansehen verteidigen oder für seine Trauer ein Ventil finden, indem er Pflegekräfte oder ärztliches Personal angreift, der muss eines verstehen: Zum Selbstverständnis unserer Gesellschaft und zu unserem Rechtstaat passt das nicht“, sagte Reul am Donnerstag im Innenausschuss des Landtags.
NRW-Innenminister „wütend“ über die Clan-Übergriffe im OP
Der Vorfall mache „wütend“ und zeige, „was Clankriminelle von unseren Werten und Normen halten: nämlich gar nichts“, so Reul weiter. Am vergangenen Freitagmittag war ein 87-jähriger Mann türkisch-libanesischer Herkunft von Familienmitgliedern mit Atemnot in die Kardiologie des Elisabeth-Krankenhauses gebracht worden.
Als das Klinikpersonal den wartenden Angehörigen mitteilen musste, dass der Mann verstorben sei, stürmten die aufgebrachten Familienmitglieder den Operationssaal. „Dort wurde dann nicht nur Inventar zerstört, sondern eben auch Klinikpersonal teils massiv körperlich angegangen“, berichtete Reul dem Parlament. Sechs Mitarbeiter wurden attackiert. Unter anderem sei eine Ärztin so erheblich verletzt worden, dass sie mit Verdacht einer Gehirnerschütterung stationär aufgenommen werden musste.
Empfinden die Clans die Strategie der 1000 Nadelstiche als Akupunktur?
Mehr zum Thema Clan-Randale im Elisabeth-Krankenhaus
- Angriff auf Klinikpersonal – Polizei prüft Clanverbindung
- Clan-Angriff auf Essener Krankenhaus: So lief die Attacke ab
- Brutale Gewalt in Essener Klinik: Warum niemand in Haft ist
- Prügel im Krankenhaus: Diese Strafe soll Chaoten abschrecken
- „Wir bekommen den Patienten-Frust in voller Geballtheit ab“
- Clan-Randale in Essener Klinik: Minister nennt neue Details
Als Beschuldigte werden zwei Söhne des Verstorbenen geführt. Beide seien kriminelle Clanangehörige und wegen diverser Delikte vorbestraft, so Reul. Gegen beide wurde Strafanzeige wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung gestellt. Gegen ein Clanmitglied darüber hinaus auch wegen Bedrohung und der wüsten Beleidigungen, die sich teilweise auch gegen die in mehreren Streifenwagen angerückten Einsatzkräfte richteten. Einem dritten Sohn, der offenbar nicht gewalttätig wurde, sei später von Ärzten unter Polizeischutz erklärt worden, woran der Vater verstorben ist.
FDP-Innenexperte Marc Lürbke sprach im Landtag von einem „absolut asozialen Verhalten“ und bezweifelte, dass die bisherige Linie der NRW-Polizei die Clans „in irgendeiner Weise beeindruckt“. Reuls seit sieben Jahren verfolgte Strategie der „1000 Nadelstiche“ drohe zur „Wohlfühl-Akupuktur“ zu werden, spottete Lürbke.
„Der gewaltsame Angriff auf Klinikkräfte in einem Essener Krankenhaus ist kein Einzelfall“, schob SPD-Fraktionsvize Lisa-Marie Kapteinat am Freitagmorgen nach. Sie verwies dabei auf eine Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage ihrer Fraktion. Demnach ist die Zahl der Fälle von Gewaltdelikten in Krankenhäusern und Sanatorien seit 2017 um über 34 Prozent gestiegen. Allein im vergangenen Jahr hat es 1705 bekannt gewordene Fälle von Rohheitsdelikten und Straftaten gegen Beschäftigte in Krankenhäusern und Sanatorien gegeben. „Das sind absolute Schockzahlen, die alle wachrütteln müssen“, kommentierte Kapteinat und forderte bessere Schutzkonzepte im Gesundheitswesen.