Essen. Nach der beispiellosen Prügelattacke auf das Reanimations-Team des Elisabeth-Krankenhauses ist der Sicherheitsdienst rund um die Uhr im Einsatz.
Sie wollten Leben retten und sahen sich einem beispiellosen Gewaltausbruch ausgesetzt. Eine junge Pflegekraft des Essener Elisabeth-Krankenhauses, die bei dem Angriff von Mitgliedern eines polizeibekannten Familienclans am Freitag (20.9.) schwer verletzt wurde, konnte nach dem Wochenende aus der stationären Behandlung entlassen werden. Wann die 23-Jährige an ihren Arbeitsplatz zurückkehren kann, ist dagegen ungewiss. Und es trifft nicht nur sie: Das gesamte Krankenhaus im Essener Stadtteil Huttrop steht unter Schock, während die Polizei nach der Festnahme eines 41-Jährigen weitere Täter zu überführen versucht.
Unvermittelter Angriff auf die Lebensretter im Essener Elisabeth-Krankenhaus
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„Die Mitarbeiterin ist körperlich wieder so hergestellt, dass sie nicht mehr als Patientin hierbleiben musste“, sagt die Sprecherin des Elisabeth-Krankenhauses, Dorothee Renzel. Aber: „Alles andere hallt noch nach.“
Alles andere ist die gewalttätige Attacke, der sich mehrere Klinik-Beschäftigte am Freitagnachmittag (20. September) ausgesetzt sahen. Wie berichtet, war dem plötzlichen Gewaltausbruch von Angehörigen ein notärztlicher Einsatz vorausgegangen. „Ein medizinisches Team hat sich um die Versorgung eines schwerkranken Patienten gekümmert und um dessen Leben gekämpft. Trotz aller Bemühungen und Reanimationsversuche verstarb der Patient leider. Nahezu gleichzeitig kam es zum unvermittelten Angriff auf das Reanimationsteam und auf weitere Kollegen und Kolleginnen“, teilte das Krankenhaus mit.
Herzkatheter-Labor in Essen wurde gestürmt
Wie die Polizei am Montag berichtete, kam es zu dem Gewaltausbruch, als die Ärztin den Angehörigen auf dem Flur die Todesnachricht überbrachte. Die Familienmitglieder reagierten „sofort aggressiv, schrien herum und griffen das medizinische Personal mit Schlägen und Tritten an“, so Polizeisprecher Matthias Werk. Die Schläger und Randalierer drangen in einen Behandlungsraum ein, um dort Möbel und medizinische Geräte zu zertrümmern. Mehrere Mitarbeiter des Krankenhauses wurden auf die Angriffe aufmerksam und eilten ihren Kollegen zur Hilfe. Dabei wurden auch sie von den Angehörigen attackiert.
Der Patient, bei dem es sich nach Informationen um das über 80-jährige Oberhaupt einer türkisch-libanesischen Großfamilie aus Huttrop handelte, war nicht mit dem Rettungswagen eingeliefert worden, sondern zunächst als Notfall von ein oder zwei Angehörigen in das Krankenhaus begleitet worden. Die – letztlich nicht erfolgreiche – Reanimation fand im Herzkatheter-Labor statt. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Funktionsbereich (vergleichbar etwa mit der Endoskopie), in dem mittels wertvoller Medizintechnik Diagnostik und auch Eingriffe stattfinden. Ein Behandlungs- und Schutzraum, der für Begleiter des Patienten normalerweise tabu ist. „Da geht niemand rein. Angehörige warten auf dem Flur“, betont Dorothee Renzel.
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Doch diese Grenze wurde am Freitagnachmittag rücksichtslos überschritten, als die Angehörigen über den Tod des Patienten informiert wurden: Plötzlich seien nicht mehr ein, zwei, sondern mehrere Personen dagewesen, hätten sich Zutritt zum Herzkatheter-Labor verschafft und dort randaliert. „Die griffen Mitarbeiter und Mobiliar an, nahmen Schränke auseinander“, bestätigt die Kliniksprecherin die Darstellung der Polizei.
„Diese Massivität und diese Gewalt hat zuvor noch niemand hier so erlebt. “
Die Klinik alarmierte die Leitstelle im Präsidium, bei der der Notruf gegen 15.10 Uhr einging. Bei dem nachfolgenden Einsatz wurde zunächst der 41-jährige Tatverdächtige festgenommen. Gegen ihn laufen Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung. Inzwischen hat sich der Verdacht der Polizei erhärtet, dass behördenbekannte Mitglieder des türkisch-libanesischen Clans an den Übergriffen beteiligt gewesen sein sollen. Die Ermittlungskommission „Klara“ soll weitere Gewalttäter überführen. Der 41-Jährige, der nach einem Aufenthalt im Gewahrsam mangels Haftgründen wieder auf freiem Fuß ist, gilt als Haupttäter, aber beileibe nicht als einziger Beteiligter, so die Polizei: „Die Familie ist bekannt für ein solches Auftreten.“
Sicherheitsdienst ist nun rund um die Uhr im Einsatz
Nach dem beispiellosen Vorfall hat das Krankenhaus seine Sicherheitsmaßnahmen sofort und bis auf Weiteres verstärkt. War der Sicherheitsdienst bisher nur an Randzeiten am Abend und am Wochenende im Einsatz, „haben wir ihn kurzfristig auf 24/7 angehoben“, sagt Dorothee Renzel. Also rund um die Uhr. Schließlich ereignete sich der Angriff am Freitag am Nachmittag gegen 15 Uhr.
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Um das Sicherheitsgefühl von Ärzten und Pflegekräften wiederherzustellen, dürften weitere Anstrengungen notwendig sein. Neben der schwer verletzten Mitarbeiterin wurden mindestens sechs weitere Beschäftigte verletzt; einige sind weiterhin krankgeschrieben. Neben dem Reanimationsteam seien auch Kollegen auf dem Krankenhausflur vor dem Herzkatheter-Labor betroffen gewesen, heißt es.
Vertrauen der Mitarbeiter muss erst wieder aufgebaut werden
Weil es im Elisabeth-Krankenhaus wie in allen anderen Kliniken immer wieder Situationen gibt, in denen Angehörige die Fassung verlieren, laut werden oder Personal angreifen, sind dort Deeskalationstrainings und Kommunikationsschulungen seit langem etabliert. Im aktuellen Fall hätte eine kluge Kommunikation aber offenbar überhaupt nichts ausrichten können. „Diese Massivität und diese Gewalt hat zuvor noch niemand hier so erlebt. Da hilft so etwas nicht“, betont Sprecherin Renzel.
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Das Krankenhaus sei aber dankbar, dass es bereits eine psychosoziale Unterstützungsarbeit (PSU) auf den Weg gebracht hatte, die offiziell im November an den Start gehen sollte. „Die betroffenen Kollegen haben die PSU jetzt bereits als Stütze erlebt, das ist Gold wert.“ Im Haus liefen seit dem Vorfall weitere Gespräche, wie man das Vertrauen der betroffenen Mitarbeiter und ihrer schockierten Kollegen wieder aufbauen können. „Wir wollen diejenigen stärken, deren Motivation es ist, anderen Menschen zu helfen. Wie machen wir es ihnen möglich, weiter an ihren Arbeitsplatz zu kommen?“
Andere Krankenhäuser zeigen ihr Solidarität
Wie sehr das Thema weit über das Elisabeth-Krankenhaus hinaus bewegt, zeigten die vielen Solidaritätsbekundungen, die jetzt dort eintreffen. „Auch von den anderen Krankenhäusern in der Stadt.“
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