Essen. Die Pandemie ist lange vorbei, doch viele Lokale schränken ihr Angebot für Gäste weiter ein. Das liegt nicht nur daran, dass Mitarbeiter fehlen.

Mehr Ruhetage, früherer Küchenschluss, kleinere Speisekarten – seit Corona hat sich im Essener Restaurant Kiepenkerl einiges geändert. Inhaber Thomas Stolle musste das Angebot für seine Gäste einschränken. Der Grund: Personalmangel. Bis heute sucht der Gastronom nach zwei Service-Kräften und einem Koch.

Wie Kiepenkerl ergeht es vielen Betrieben. Nach Angaben des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga fehlen in der Gastronomie in Deutschland derzeit mehr als 65.000 Mitarbeitende. Das hat Folgen: „Personalnot stellt die Betriebe vor große Herausforderungen in der Küche, auf der Terrasse, bei Veranstaltungen und an der Rezeption“, sagt Patrick Rothkopf, Präsident des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga in NRW.

Fachkräftemangel ist im Gastgewerbe weiterhin ein Thema

Die Gründe liegen auf der Hand: In der Pandemie sind Kellner, Köche und Co. massenweise aus der Branche geflüchtet. Dass sie schlecht bezahlt werden, nicht sehr freundliche Arbeitszeiten haben und wenig Wertschätzung erfahren, das wussten zwar viele in der Branche schon vorher - die konkrete Erfahrung von Alternativen war dann aber für einige doch noch einmal augenöffnend.

Lesen Sie hier dazu zwei Protokolle von einer Aussteigerin und einem Rückkehrer:

  • Hotelfachfrau (26): Warum ich das Gastgewerbe verlassen habe
  • Koch (23) aus Bottrop: „Ich wollte oft genug hinschmeißen“
Patrick Rothkopf ist der Präsident des Hotel- und Gaststättenverbands DEHOGA in NRW.
Patrick Rothkopf ist der Präsident des Hotel- und Gaststättenverbands DEHOGA in NRW. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann Funke Foto Services

Doch inzwischen ist das Problem nicht mehr nur eine Frage der fehlenden Mitarbeiter. Das zeigen die Zahlen: Auf den ersten Blick suggeriert die Statistik, alles müsste längst wieder gut sein. Inzwischen arbeiten fast wieder so viele Menschen im Gastgewerbe wie vor der Pandemie, hat die Agentur für Agentur für Arbeit für Nordrhein-Westfalen ausgerechnet. Warum aber treffen Kunden dann immer noch an so vielen Orten auf ein eingeschränktes Angebot?

Das Gastro-Problem ist größer als die Zahlen es verraten

Patrick Rothkopf vom Dehoga hat darauf gleich zwei Antworten: „Die Branche war schon vor Corona mit einem Arbeits- und Fachkräftemangel konfrontiert“, sagt er. Zudem sei das Problem größer als die Zahlen verraten: „Corona hat zu einem sogenannten ‘Brain Drain’ geführt.“ Zwar seien viele neue Service- und Küchenkräfte hinzugekommen, aber etliche erfahrene Fachkräfte in andere Branchen abgewandert. Viele Mitarbeitende sind also noch sehr unerfahren.

Gäste müssen sich an Einschränkungen gewöhnen

Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit, der andere ist für Gäste bitterer: Selbst wenn die neuen Mitarbeiter angelernt sind, wird sich die Situation für die Kundschaft wohl kaum ändern. Sie sollte sich an ausgedehnte Schließzeiten, kleinere Karten und längere Wartezeiten bei der Reservierung gewöhnen.

Warum das so ist, lässt sich bei Thomas Stolle im Kiepenkerl erleben. „Für das ganze Team ist der Arbeitsalltag mit zwei Ruhetagen und Küchenschluss um 21 Uhr deutlich angenehmer“, sagt Stolle. Er würde sich zwar über mehr Personal freuen, um seine jetzigen Mitarbeiter zu entlasten, zu seinen alten Öffnungszeiten will er aber nicht mehr zurückkehren. Der Umsatz stimme auch so.

Gastronom Marc Weber möchte die verkürzten Öffnungszeiten, die in Corona-Zeiten entstanden sind, im Webster-Brauhaus beibehalten.
Gastronom Marc Weber möchte die verkürzten Öffnungszeiten, die in Corona-Zeiten entstanden sind, im Webster-Brauhaus beibehalten. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Auch das Webster-Brauhaus in Duisburg behält seinen Ruhetag am Montag, den es erst seit Corona gibt, ganz bewusst bei. „Die Pandemie hat uns gezeigt, dass weniger manchmal mehr ist“, sagt Betreiber Marc Weber. Ziel sei es, den Mitarbeitenden künftig eine Vier-Tage-Woche bieten zu können. Für beide Wirte steht fest: Um als Arbeitgeber wieder attraktiver zu werden, müssen bessere Arbeitsbedingungen geschaffen und Mitarbeitende entlastet werden.

„Mit besseren Gehältern ist es leichter, gute Fachkräfte zu gewinnen“

Das hat unter anderem mit dem Gehalt zu tun: In vielen Gastronomiebetrieben haben sich die Gehälter zuletzt deutlich erhöht. Die Tarifgehälter sind gestiegen. In NRW liegt das Einstiegsgehalt seit Mai bei 12,94 Euro statt 12,50 Euro pro Stunde. Im Durchschnitt haben die Gastronomen im vergangenen Jahr ihre Personalausgaben um mehr als ein Fünftel gesteigert, hat eine Umfrage der Dehoga ergeben.

Auch Kiepenkerl-Inhaber Thomas Stolle zahlt seiner Mannschaft mehr Geld als früher. „Mit besseren Gehältern ist es leichter, gute neue Fachkräfte für die Branche zu gewinnen und bestehende zu halten“, sagt er. Entsprechend müsse man auch die Preise für Speisen und Getränke erhöhen.

Weitere Folgen für Gäste

Das ist aber nicht die einzige schlechte Nachricht für Restaurantbesucher: „Wir kennen mittlerweile unsere Grenzen und überschreiten sie nicht mehr“, sagt Stolle. Und das hat konkrete Folgen für Gäste: Wie viele Reservierungen an einem Tag angenommen werden, hänge von der jeweiligen „Man-Power“ ab und nicht mehr davon, wie viele Tische im Restaurant stehen.

Für Gruppen ab 14 Personen gebe es kleinere Speisekarten, Gruppen ab 20 Personen müssen 24 Stunden vor Restaurantbesuch entscheiden, was sie von der kleineren Karte essen möchten. „Wenn zu viele Gäste Sonderwünsche haben und jeder etwas anderes bestellt, herrscht in der Küche ganz schön viel Stress“, sagt Stolle. So könne das Team besser planen, und das Essen sei immer frisch. Und die Gäste? „Die nehmen uns das nicht übel“, sagt der Gastronom.

Nicht alle Gastbetriebe klagen seit Corona über Personalnot. Gastronomin Tina Große-Wilde aus Bottrop konnte ihr ganzes Team trotz Lockdown halten. Wie sie das geschafft hat, lesen Sie hier:

  • Gastronomin: So konnte ich mein Personal trotz Corona halten