Essen. Essener Gastronomiebetriebe leiden unter dem Personalmangel in der Branche. Snack’n’Roll schließt unter anderem deshalb Lokal und Biergarten.
Joschka Glod spricht direkt in die Kamera. „Und zwar habt ihr vielleicht schon mitbekommen, dass wir in letzter Zeit häufiger schließen mussten aufgrund von Personalmangel“, sagt der Inhaber des Burgerlokals Snack’n’Roll am Bahnhof Süd in einem Video, das er bei Instagram hochgeladen hat. „Seit Corona bekommen wir kein Personal mehr.“ Noch dazu seien sein Stellvertreter und er Väter geworden, wünschten sich mehr Zeit mit der Familie. Die Folge: Das Restaurant und der Biergarten von Snack’n’Roll schließen zum 30. Juni für immer.
„Die Leute wollten nach Corona einfach nicht mehr in die Gastro zurück“, sagt Glod im Gespräch mit unserer Redaktion. Vor der Pandemie seien sie vor Ort zwölf Leute gewesen, jetzt nur noch sechs, und ab und an seien die Mitarbeiter eben auch im Urlaub oder krank. Bei einem so kleinen Team muss der Chef einspringen, wenn jemand ausfällt. „Ich kann aber einfach nicht 24/7 arbeiten“, so Glod. Deshalb werde man die Snack-Garage nun drastisch verkleinern.
Snack’n’Roll im Essener Südviertel betreibt künftig nur noch Imbiss und Foodtrucks
Die Schließung bedeutet nicht das Ende von Snack’n’Roll. Die Foodtrucks, die man für Catering buchen kann, sind weiter unterwegs. Und auch der Imbiss am Bahnhof Süd, wo man sich aktuell Gerichte auf die Hand holen kann, wird umgebaut und bleibt geöffnet. Dort soll es künftig ab und an auch schickere Gänge-Menüs geben. Statt wie aktuell über 200 Sitzplätze werden ab Juli nur noch 15 am Imbiss zur Verfügung stehen. Das Essen holt man sich dort selbst, Servicekräfte werden künftig nicht mehr bei Snack’n’Roll arbeiten, stattdessen nur noch Küchenpersonal.
Laut Moritz Mintrop, Vorsitzender des Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) in Essen, ist die Personalsituation in der Gastronomie „unverändert“ schwierig. Damit sei die Branche aber nicht alleine: „Im Moment bemühen sich alle um Menschen, die im besten Fall eine Ausbildung haben, aber auch um Hilfskräfte.“ Diese Suche dauere aktuell länger, man müsse zudem mehr Kraft und Energie in die Ausbildung stecken. Auch das Anwerben von qualifiziertem Personal aus dem Ausland spiele eine immer größere Rolle.
Dehoga Essen: Hürden für den Berufseinstieg sind heruntergeschraubt
„Die Hürden, die es früher für den Einstieg in den Beruf gab, haben viele heruntergeschraubt“, ist Mintrops Erfahrung. Das müsse nicht zwingend negativ sein: „Es geht jetzt mehr um den Menschen und weniger um die Noten.“ Am erfolgreichsten seien Betriebe, wenn sie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine positive Arbeitskultur mit nettem Team und ein ordentliches Gehalt anbieten könnten.
Personal zu gewinnen bringt aber nichts, wenn es dann nicht zum Dienst erscheint oder nach kürzester Zeit das Handtuch wirft. Diese Erfahrung haben die Inhaber des Wirtshauses zur heimlichen Liebe gemacht. Das Lokal mit Blick auf den Baldeneysee hat im Außenbereich 400 Sitzplätze, im Innenbereich noch einmal 120. Laut Maren Romberg, die das Lokal gemeinsam mit ihrem Mann Stefan Romberg betreibt, werden dafür zehn bis zwölf Kellnerinnen und Kellner benötigt.
Heimliche Liebe in Essen: Neue Vollzeitkräfte gaben auf – oder erschienen gar nicht
Zunächst sah es gut aus für das Team der Heimlichen Liebe. „Wir haben Anfang des Jahres drei Vollzeitkräfte eingestellt“, berichtet Maren Romberg. Der erste Kellner habe einen Monat durchgehalten – und dann sonntags mitten im laufenden Geschäft gekündigt: „Er hat uns einen handgeschriebenen Zettel mit seiner Kündigung in die Hand gedrückt und sagte, dass ihm das alles viel zu anstrengend sei.“
Servicekraft Nummer zwei habe sich eine Woche vor Arbeitsbeginn mit den Neuigkeiten gemeldet, dass er lieber ein Angebot für einen Job als Tierpfleger annehmen würde: gleicher Verdienst, bessere Arbeitszeiten. Die dritte Vollzeitkraft schließlich sei zum Start ihres Anstellungsverhältnisses einfach nicht aufgetaucht. „Wir haben nie wieder etwas von ihr gehört“, so Romberg. Folge des Personalmangels: Die Chefin, die sich normalerweise um den Papierkram kümmert, muss auch hier häufig spontan im Service einspringen.
Kreativer Bewerbungsaufruf: Neue Servicekräfte für die Heimliche Liebe
Genau das passierte wieder einmal am Wochenende der Pfingstkirmes in Werden, die Maren Romberg mit ihrem Sohn besuchte. „Ich bekam einen Anruf, es hieß: Du musst sofort kommen. Also mussten wir zurück und ich hatte ein heulendes Kind dabei“, erinnert sie sich. Im Lokal ließ ihr neunjähriger Sohn Max seinem Ärger freien Lauf – und schrieb, begleitet von einem traurigen Smiley, auf eine Tafel: „Mama hat keine Zeit mehr für mich. Wir brauchen Kellner und Köche. Bitte helft uns!“
Diese spontane Aktion verwandelten die Rombergs kurzerhand in eine Stellenanzeige, fotografierten die Tafel und teilten das Foto in den Sozialen Medien. „Daraufhin haben wir viele Bewerbungen bekommen“, sagt Maren Romberg. Einige Servicekräfte seien nun gefunden, Köche würden aber immer noch gesucht.
Peter Soyk, Betreiber der Roten Mühle in Heisingen, musste sein Lokal schon öfter wegen Personalmangels schließen. Deshalb denkt er nun über einen drastischen Schritt nach: „Ich überlege, Samstag und Sonntag zu Ruhetagen zu machen.“ Das seien zwar die umsatzstärksten Tage, könnte seine Personalproblematik aber auf einen Schlag lösen. Soyk: „Die Leute können ruhig merken, dass es für sie auch keine Freizeit am Wochenende gibt, wenn niemand am Wochenende arbeiten will.“
Der Gastronom hat nach eigenen Angaben eine feste Besetzung für Service und Küche in der Roten Mühle. Die könnten aber nun einmal nicht sieben Tage durcharbeiten, er selbst stehe oft genug von halb 8 morgens bis halb 12 abends im Lokal. Qualifiziertes Personal zu finden, sei schwierig: Manche Bewerber wollten schwarz arbeiten, manchen sei der Verdienst zu gering, weil es doch viel bequemer sei, Bürgergeld zu beziehen und damit auch die Wohnung finanziert zu bekommen. Richtige Bewerbungen seien Mangelware. „Einer schrieb auf unsere Annonce einfach: Hallo?“, berichtet Soyk. Viele erschienen außerdem anschließend nicht zum vereinbarten Gespräch. „Von 25 potenziellen Aushilfen kam eine.“
Personalmangel in der Gastro: Villa Vue nur noch für Hochzeiten und Events geöffnet
Auch andere Essener Traditionsgaststätten kämpfen mit dem Personalmangel im Gastgewerbe. So hat die Villa Vue im Heissiwald hoch über dem Baldeneysee, über Jahrzehnte als Ausflugslokal unter dem Namen „Restaurant zur Platte“ bekannt, bereits vor einigen Monaten auf ihrer Homepage veröffentlicht, dass man das A-la-Carte- und Café-Geschäft „schweren Herzens“ einstelle und nur noch als Hochzeits- und Event-Gastromonie fungiere.
Wiederholte Anfragen dieser Redaktion zu den Gründen blieben unbeantwortet. Auf der Homepage wird aber auf die bewegten Zeiten verwiesen, in denen sich die Gastronomie aufgrund der Corona-Pandemie, der Lockdowns sowie der steigenden Energie- und Lebensmittelpreise seit drei Jahren befinde.
Das größte Problem sei allerdings aktuell die Personalknappheit, vor allem an Wochentagen. Deshalb werde man sich ausschließlich auf Veranstaltungen wie Hochzeiten, Geburtstagsfeiern, Firmenfeiern und Ähnliches ab etwa 50 Gästen konzentrieren.
Hülsmannshof in Essen: Vor allem Küchenpersonal fehlt
Über Personalmangel klagt auch Martin Hennig, seit 25 Jahren Inhaber des Hülsmannshofs, ehemals Bauer Barkhof, auf der Margarethenhöhe. „Mir fehlen vor allem Köche. Statt früher sieben habe ich jetzt noch drei“, sagt der Gastronom, der jetzt versucht, Personal, darunter zwei Mitarbeiter aus der Ukraine, zumindest als Beikoch anzulernen. Im Winter habe man aufgrund des Personalengpasses in der Küche die Öffnungszeiten des Restaurants reduzieren müssen, jetzt sei man zu den alten Öffnungszeiten zurückgekehrt.
Im Service ist die Personalsituation laut Hennig in seinem Restaurant derzeit entspannt. „Ich habe sogar den Eindruck, dass viele, die sich während der Pandemie andere Jobs gesucht haben, jetzt wieder zurückwollen, weil Gastronomie für sie doch wohl eine Herzenssache ist. Viele haben einfach Lust darauf“, sagt er.
Wer sich für einen Job im Wirthaus zur heimlichen Liebe interessiert, kann sich telefonisch unter 0201 435200 melden. Bei der Roten Mühle kann man sich per E-Mail an info@flyingchef.de bewerben.
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