Essen. Hotels und Restaurants mangelt es an Arbeitskräften. Migrierte könnten die Lösung sein. Doch der Weg auf den deutschen Arbeitsmarkt ist mühsam.
Zusätzliche Ruhetage; Tische, die nicht besetzt werden können; Veranstaltungen, die abgesagt werden müssen. Dass der Essener Gastronom Jan Imhoff während der Coronapandemie gut zehn Prozent seiner Mitarbeitenden verloren hat, spürt er heute immer noch. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband aus NRW (DEHOGA NRW) sieht Einwanderung als eine Lösung für den Arbeitskräftemangel im Gastgewerbe und lud dazu am Dienstag auf Zeche Zollverein zu einem Impulstag ein.
Politik, Wissenschaft und Wirtschaft waren sich einig, dass Branchen, wie das Gastgewerbe, dringend auf eine Belebung des Arbeitsmarktes durch Einwanderung angewiesen sind. Denn: laut dem Wissenschaftler Dr. Sekou Keita vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, sind die Aussichten mit Blick auf den demografischen Wandel düster.
Hürden machen Deutschland unattraktiv für ausländische Arbeitskräfte
„Stand heute wird Deutschland bis zum Jahre 2035 sieben Millionen potenzielle Erwerbspersonen verlieren“, sagt er. Um dem entgegenzuwirken, brauche es ein jährliches Zuwanderungssaldo von 400.000. Das Problem: Es gebe zu viele Hürden, die dazu beitragen, dass ausländische Fach- und Arbeitskräfte auf dem deutschen Arbeitsmarkt häufig nicht Fuß fassen können: Ein bürokratisches System, das Zeit und Nerven kostet. Eine Sprache, die kaum woanders gesprochen wird. Eine Willkommenskultur, die große Lücken aufweist. „Es braucht dringend eine Reform unserer Einwanderungsgesetze“, so Sekou Keita.
Besonders letztere Hürde bekam zum Beispiel die studierte Tourismus- und Hotelmanagerin Joanne Marinay zu spüren, als sie der Liebe wegen aus ihrem Heimatland, den Philippinen, nach Deutschland zog. Nach ewig langen Wartezeiten auf einen Termin bei der Ausländerbehörde, nachdem ihr Studium neu anerkannt werden musste, nachdem sie auf etliche Bewerbungen nicht mal eine Antwort bekam, habe man ihr nur eines geraten: „Arbeite doch in einem Sushirestaurant“.
Auch für die Geschäftsführerin von „dds korea consulting“ Hee-Ra Chung, gehören diese Einwanderungsbarrieren zum täglichen Wahnsinn. Die Institution vermittelt seit über sieben Jahren ausgebildete Fach- und Arbeitskräfte aus Südkorea, Malaysia, Indonesien, Nepal und Indien nach Deutschland – oder versucht es zumindest. Denn nicht selten scheitere es an der Arbeitserlaubnis. „Und das, obwohl unsere Leute einen Job sicher hätten“, erklärt Chung. „Es hängt stark von der Laune des Sachbearbeiters ab und das darf nicht sein“, betont sie.
Politiker und Politikerinnen uneinig über Lösungsansätze
In der Politik sei das Problem angekommen, sagt FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai. Auch, dass es beim Gewinn guter Arbeitskräfte aus dem Ausland große Konkurrenz gebe. „Staaten wie Kanada oder Australien zeigen uns seit Jahren wir erfolgreiche Einwanderungspolitik funktioniert“, so Djir-Sarai. Seiner Meinung nach müsse man die Zuwanderungsformen besser steuern und kontrollieren, mehr auf Erwerbsmigration als auf Sozialmigration setzen. Zudem müsse man stärker auf die persönlichen Bedürfnisse der Arbeitnehmenden eingehen und sie auch emotional an das Land binden.
Auch interessant
SPD-Landtagsabgeordnete Lena Teschlade hält die „Rosinenpickerei der besten Arbeitskräfte“ nicht für den richtigen Weg. „Es kommen keine Maschinen zu uns, sondern Menschen“, sagt sie. „Alle mit Stärken, Schwächen und Problemen, viele mit Familien.“ Auch geflüchtete Menschen dürfe man bei der Integration in den Arbeitsmarkt nicht außer Acht lassen.
Matthias Heidmeier, NRW Staatssekretär im Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales, sieht vor allem, dass man die bürokratischen Hürden abbauen muss, zum Beispiel, indem man die Behördengänge digitalisiert. „Eigentlich bräuchten wir eine eigene Arbeitsagentur für Einwanderer“, gibt er zu bedenken. Seiner Meinung nach dürfe man jedoch nicht erwarten, dass allein das Fachwissen aus dem Ausland Lücken im deutschen System füllt. „Bei 50.000 Schulabbrechern in Deutschland muss man auch die Bildung im eigenen Land stärker ins Visier nehmen“, so Heidmeier.
Weitere Texte aus dem Ressort Wirtschaft finden Sie hier:
- Vorwerk-Chef: Meine Frau wollte auch keinen Thermomix haben
- Biermarkt: Darum verkauft Stauder schweren Herzens wieder Dosenbier
- Sorgen bei Thyssenkrupp: „Stahlindustrie kämpft um Existenz“
- Galeria-Doppelschlag gegen Essen: Warenhaus und Zentrale weg
- Menschen in Not: So reagieren Einzelhändler auf Bettler vor ihrer Ladentür