Essen. Immer wieder kommt es in Hotel-Pools zu Unfällen mit Todesfolge. Immer wieder beteuert die Reiseindustrie, dass sie alles für die Sicherheit tue. Eine Initiative des Deutschen Reiseverbandes (DRV) zur Pool-Sicherheit lief jetzt allerdings still und lautlos aus.
Das Thema Pool-Sicherheit schafft es seit Jahren nicht aus den Schlagzeilen. Wieder und wieder kommt es in Ferienhotels zu Unfällen mit Todesfolge. Trotzdem lief eine Initiative des Deutschen Reiseverbandes (DRV) zur Pool-Sicherheit jetzt still und lautlos aus. „Wir hatten von den Veranstaltern den Auftrag, Prüfungskriterien und Lösungen rund um die Poolsicherheit auszuarbeiten. Dieses Projekt wurde erfolgreich beendet und an die Reiseveranstalter übergeben“, sagte Torsten Schäfer vom DRV dieser Zeitung. Ganz und gar nicht zufrieden mit diesem Ergebnis ist der Pool-Sachverständige Alexander Göb, der sich zum Ferienstart in Nordrhein-Westfalen endlich mehr Sicherheit für Kinder wünscht.
Herr Göb, der Deutsche Reiseverband hat seine Initiative zur Pool-Sicherheit gerade auslaufen lassen. Sie sind aktuell weiter in Ferienhotels unterwegs. Wie ist die Lage?
Alexander Göb: Wir haben jetzt vor der anstehenden Saison bei Stichproben sogar in Vier- und Fünf-Sterne-Hotels erschreckende Ergebnisse gesammelt. Mit Pool-Mängeln aller Art, bis hin zur Todesfalle, die wir entschärft haben. Wir haben dann das jeweilige Hotelmanagement informiert.
Mit welchem Erfolg?
Göb: Die Hotels haben sofort gehandelt und nach unseren Informationen die Mängel abgestellt.
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Ist das, was Sie da tun, nicht eigentlich die Aufgabe der Veranstalter?
Göb: Das Problem scheint mir folgendes zu sein: Die Reiseveranstalter schieben den Schwarzen Peter den Hoteliers zu und sagen, die Betreiber vor Ort seien zuständig für die Pool-Sicherheit. Mir wurde zugetragen, dass sich Reiseleiter um die Sicherheitsmaßnahmen kümmern, und das anhand einer Checkliste. Ein Beispiel: Mir liegt ein Prüfbericht eines Reiseveranstalters vor, sehen Sie mir nach, dass ich keinen Namen nennen möchte. In diesem Bericht war kein einziger der vorliegenden lebensbedrohlichen Pool-Mängel aufgeführt. Dort wurden stattdessen Fragen nach den Vorgaben zum Flambieren von Gerichten gestellt. Ein Prüfer, der einfach eine Hotel-Checkliste durchgeht, ist meiner Meinung nach nicht in der Lage, eine Sicherheitsüberprüfung bei einem Hotelpool durchzuführen, bei der man Equipment und Fachwissen braucht.
Wie also entstehen Todesfallen?
Göb: Primär sind es Ansauganlagen, die durch falsche Gitterkonstruktionen und zu hohe Strömungsgeschwindigkeiten gefährlich werden.
Können Sie da konkret werden?
Göb: Erlaubt sind 0,3 Meter pro Sekunde. Wir haben bei Prüfungen mit unserem Equipment Geschwindigkeiten feststellen müssen, die 13 Mal so hoch waren. Stellen Sie sich mal vor, Sie fahren mit dem Auto mit knapp 400 km/h durch eine 30-Zone. Wir haben in Kinderbecken teilweise so starke Strömungen entdeckt, dass man die Strudel schon an der Wasseroberfläche sehen konnte.
Aber es gibt auch sichere Pools.
Göb: Absolut.
Sicherheitssiegel könnte Abhilfe schaffen
Es gibt also die technischen Voraussetzungen, sichere Pools zu bauen. Warum passiert das nicht in 100 Prozent der Fälle?
Göb: Es scheitert in erster Linie an den Überprüfungen. Ich hatte das Checklistensystem ja bereits angesprochen. Die Ansaugstellen müssten mit Vakuum- und Strömungsmessgeräten und mit einem Haarfangtest überprüft werden. Man muss die technischen Anlagen verstehen – und: Diese Ausrüstung ist teuer.
Wer müsste dieses Geld bereitstellen?
Göb: Auf jeden Fall unterliegen die deutschen Reiseveranstalter einer Verkehrssicherungspflicht. Wenn ich als Kunde eine Reise buche, dann ist der Reiseveranstalter dafür verantwortlich, mir ein durch ihn nach deutschen oder zumindest europäischen Regeln sicherheitsgeprüftes Hotel zu verkaufen. Der Streitpunkt ist aber derzeit: Jeder schiebt es auf den anderen. Ist es der Veranstalter, der am Ende haftbar gemacht werden kann? Ist es das Hotel? Ich kann nur sagen: Jeder hat hier die Verantwortung!
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Was sagen die Veranstalter?
Göb: Wir haben bei den dortigen Akteuren echte Verwirrung festgestellt. Manche Veranstalter verlassen sich darauf, dass ein anderer die Sicherheitsüberprüfung schon durchgeführt hat. Gerade die kleinen Unternehmen denken, dass die großen Konzerne das schon gemacht haben. Das ist alles sehr schwammig.
Was wäre ein sinnvoller Schritt?
Göb: Wir befürworten ein Sicherheitssiegel, das es noch nicht gibt. Der „Goldene Lucas“ könnte so ein Siegel sein, das ich entwickelt habe. Er beinhaltet Haarfangtest, Strömungs- und Vakuumtest, alles mit fachmännischem Equipment. Die Kriterien wären klar.
Haben Sie das bei den Veranstaltern angesprochen?
Göb: Ja. Wir haben einige Veranstalter informiert, die auch sofort reagiert haben. Aber nur aus Verzweiflung heraus, weil wir genau in ihren Anlagen Mängel gefunden haben. Es sind aber immer nur Stichproben, es gibt Tausende Hotels. Es geht also auch um das Geld der Veranstalter. Denn Vergleichszahlungen oder Versicherungen, die einspringen müssen, wenn es zu einem Unfall kommt, sind teuer. Da ist es doch betriebswirtschaftlich, vor allem aber aus menschlicher Sicht sinnvoller, einen geringen Betrag für eine jährliche Prüfung auszugeben. Zumal man diese auf die Urlaubsgäste umlegen könnte. Wir reden da von 50 Cent oder einem Euro pro Gast, der auf den Reisepreis aufgeschlagen werden müsste. Das ist ein Leben doch wert.
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Kann man es regional festmachen, wo es viele gefährliche Pools gibt?
Göb: Nein. Wir waren verstärkt in der Türkei, aber das liegt einfach daran, dass die Türkei ein sehr schönes Land ist, mit sehr, sehr vielen Urlaubsgästen und dem entsprechenden Potenzial, diese zu schützen. Poolmängel gibt es überall, auch in Deutschland. Und auch hier ist man sich der Problematik leider nicht immer bewusst.
Wie schafft man, rein technisch gesehen, Abhilfe?
Göb: Abhilfe schaffen Gittervarianten, die man – a – nicht komplett mit dem Körper abdecken kann, damit kein Vakuum entsteht, und die – b – Bohrungen von nur drei Millimetern haben. Wir haben bei Tests in unseren Anlagen festgestellt, dass Haare bei einem Sog in diese Bohrungen nicht eindringen. Das muss wissenschaftlich aber noch untersucht werden. Wir würden die Veranstalter daher gerne einweisen und wären zusammen mit ihnen vor Ort. Mein Vorteil ist, dass ich seit 23 Jahren mit Hydraulik arbeite und mich sehr schnell in die Problematik einarbeiten konnte. Ein Reiseleiter kann das nicht.
Dürfen sich die Reiseveranstalter bei Ihnen melden?
Göb: Es wäre mein großer Wunsch. Es geht um die Sicherheit der Kinder.