Essen. Warum es immer wieder zu tödlichen Unfällen kommt, weiß Olaf Seiche vom TÜV Rheinland. Im Interview spricht der Experte über Sicherheitsstandards, mangelhafte Kontrollen und notwendige Veränderungen der Schwimmbecken. Er wünscht sich eine TÜV-Plakette für Hotelpools – bisher aber gibt es nur freiwillige Kontrollen.

Immer wieder sterben Kinder in Hotelpools. Immer wieder beteuert die Reiseindustrie, dass sie alles für die Sicherheit tue. Nach dem jüngsten Vorfall auf Fuerteventura fordert nun auch der Deutsche Reiseverband (DRV) die Industrie auf, endlich die geforderten Sicherheitsstandards in den Feriengebieten umzusetzen. Woran es heute noch hapert und was Eltern unternehmen können, um ihre Kinder zu schützen, weiß Olaf Seiche, der seit drei Jahren die Sicherheit von Hotelanlagen als Tourismus-Experte des TÜV Rheinland begutachtet.

Herr Seiche, warum gibt es überhaupt Ansaugpumpen, wenn sie doch so gefährlich sind?

Olaf Seiche: Ansaugpumpen in der Pooltechnik braucht man zum einen für Reinigungszwecke. Zum anderen werden so Wasserattraktionen wie Rutschen, Wasserfälle und ähnliches versorgt.

Viele Veranstalter beteuern, die Poolsicherheit sei schon lange explizierter Bestandteil ihrer Checklisten im Zielgebiet. Warum kommt es dann noch so häufig zu Unfällen?

Seiche: Die Veranstalter führen tatsächlich Prüfungen durch. Das Problem ist aber, dass es sich hier in der Regel nur um eine Inaugenscheinnahme handelt. Um die Ansauggeschwindigkeit zu prüfen, benötigt man allerdings Daten, die sich nicht durch einen Poolrundgang erschließen. Dafür muss der Prüfer ins Wasser!

Das macht aber keiner.

Seiche: Genau, weil zum einen eine Inaugenscheinnahme das nicht verlangt und zum anderen das technische Verständnis oft fehlt.

Wer ist also dafür verantwortlich, dass Sicherheitsstandards eingehalten werden?

Seiche: Das ist eine heikle Frage. Wir haben auf der einen Seite das Thema Veranstalterhaftung des Reiseveranstalters: Es gibt eine Vielzahl von Urteilen, in denen Gerichte Veranstalter für Mängel im Hotel verantwortlich gemacht haben. Allerdings ging es da meist um Versäumnisse bei der Inaugenscheinnahme. Stolperfallen im Speisesaal oder Hotelzimmer sind so ein Klassiker. Dann gibt es Schadenersatz, weil der Veranstalter das tatsächlich hätte sehen können. Ein klarer Fall also. Beim Pool ist der Betreiber ganz klar das Hotel. Durch eine Inaugenscheinnahme erkennt man nicht, ob schwere Mängel vorliegen. Deshalb streiten sich die Gelehrten, wer bei Poolunfällen haftbar ist.

Was muss jetzt passieren?

Seiche: Es ist so, dass sich der DRV nun Gedanken über einen einheitlichen Standard macht, das ist zumindest mal ein erster Schritt. Im zweiten muss sichergestellt werden, dass diese eingehalten werden. Zum Beispiel in Form von technischen Gutachten vor Ort. Das beste wäre eine Art TÜV-Plakette für Poolsicherheit für alle Hotels, die sich in deutschen Katalogen wiederfinden möchten.

Gibt es Veranstalter, die bei diesem Thema vorpreschen?

Seiche: Die Tui hat über eine Gästeanalyse festgestellt, dass das Thema Poolsicherheit Relevanz hat. Daraufhin wurde mit dem TÜV Rheinland ein Sicherheitskonzept entwickelt, das die Hotels jetzt auf freiwilliger Basis anwenden sollen.

Aber freiwillig bringt doch nichts. Dann können Hotels ja wie bisher weiter machen.

Seiche: Richtig. Oder anders ausgedrückt: Wenn es keine Pflicht gibt, muss es der Markt regeln. Also wir als Reisende müssen mehr auf solche Aspekte achten.

Dann wäre es doch an der Zeit, Hotels, die nicht mitziehen, aus dem Veranstalterprogramm zu streichen.

Seiche: Das ist auch exakt unsere Meinung. Wir haben jedes Jahr fünf bis zehn tote Kinder – und das sind nur die Fälle, die bekannt werden. Ob Türkei, Bulgarien oder Spanien spielt dabei keine Rolle. Das Hauptproblem sind die Menschen, die dort die Pools bauen. Das sind in manchen Fällen eben nicht Experten, sondern einfache Hilfsarbeiter. Da fehlen jegliche Berechnungen. Schippe, Zement, los geht’s. Auf die Frage, warum denn keine Gitter vor der Ansauganlage sind, lautet die Antwort vielleicht: „Weil dann kein Wasser mehr an der Rutsche ankommt.“ Blauäugiger geht’s nicht mehr.

Wie können Eltern erkennen, ob ein Hotelpool sicher ist?

Seiche: Augenscheinlich gar nicht, Taucherbrille auf und los zur Pool-Inspektion heißt die Devise. Wenn man dann irgendwelche Öffnungen entdeckt, schwimmt man hin und hält zum Beispiel ein Handtuch davor, um die Ansauggeschwindigkeit zu kontrollieren. Wird das Handtuch richtig fest eingezogen, so dass ich es kaum wieder losbekomme, dann raus aus dem Pool und Kinder überhaupt nicht reinlassen. Dann hat sich das erledigt. Der wichtigste Tipp ist aber: Wenn ich mein Kind in einen Hotelpool gehen lasse, darf ich es keinen Moment lang aus den Augen lassen.