Essen. Als die Ruhrgebietsader A40 zu Ehren der Kulturhauptstadt Europas 2010 gesperrt war und Fahrräder darüber flitzten, war die Idee geboren: Ein Radschnellweg durchs Revier soll her - und bundesweit Maßstäbe setzen. Der möglichst steigungsarme Weg über alte Bahntrassen soll auf Alltagsverkehr abzielen.
"Der schnellste Weg durchs Revier" soll bald auf dem Fahrradsattel zurückgelegt werden - wenn es nach den Plänen des Regionalverbands Ruhr für eine neue Radautobahn durch das Ruhrgebiet geht. Bundesweit soll die Strecke Maßstäbe für Mobilität auf zwei Rädern setzen, sagt Martin Tönnes, stellvertretender Regionaldirektor des Verbands. Auf 85 Kilometern verbindet der geplante Radschnellweg die Städte zwischen Hamm und Duisburg. Er soll Autofahrer von den staugeplagten Straßen weglocken.
Die Planungen für den Radschnellweg Ruhr sollen Anfang 2014 in einer vom Bundesverkehrsministerium finanzierten Machbarkeitsstudie konkretisiert und auf Kosten und Nutzen abgeklopft werden. Der gut ausgebaute, möglichst steigungsarme Weg über alte Bahntrassen zielt in erster Linie auf den Alltagsverkehr ab. Im Ballungsraum Ruhrgebiet pendeln nämlich täglich 1,1 Millionen Menschen zwischen Wohnung und Arbeitsplatz - die meisten davon von Nachbarstadt zu Nachbarstadt, heißt es im RVR-Konzept.
Das Landesverkehrsministerium zeigt sich dem Projekt gegenüber aufgeschlossen. Urbane Fahrradtrassen seien wichtiger Baustein eines Aktionsplans, mit dem die rot-grüne Regierung den Radverkehr fördern will. Der Radschnellweg Ruhr wäre das erste Projekt, dem andere folgen könnten. Zur Zeit läuft ein landesweiter Wettbewerb für weitere Radschnellwegprojekte im Land.
Positive Folgen für Gesundheit und Klima
Weniger Staus durch attraktive Direktwege für Radfahrer - im fahrradverrückten Nachbarland gehe das Konzept auf, berichtet Bart Christiaens, Experte und Berater für "Snelfietsrouten" bei einem Planungsbüro in den Niederlanden. Schnellradwege lohnen sich, ist er überzeugt. Bis 2025 wollen die Niederländer ihr Netz von knapp 10 eher kürzeren Verbindungen auf 675 Kilometer ausbauen, sofern die Regierung Ja zu den 700 Millionen Euro Investitionskosten sagt.
Damit könnte 1 Prozent der bisher mit dem Auto zurückgelegten Kilometer auf das Rad verlegt werden. Kleiner Anteil, große Wirkung, meint Christiaens: Bei 1,9 Milliarden weniger zurückgelegten Autokilometern sei mit positiven Folgen für Gesundheit, Klima und Luftqualität zu rechnen. Das gelte auch für das Ruhrgebiet: "Ich denke, dass so ein Projekt wichtig ist um zu zeigen, dass Radfahren nicht nur eine Freizeitbeschäftigung ist, sondern auch für Pendler interessant."
Schnellwege müssen bestimmte Standards erfüllen
Auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) lobt die Planungen. Sprecherin Bettina Cibulski sagt: "Ich glaube, dass die Politik erkannt hat, dass sie mit Radverkehrsförderung viele Probleme gleich mit löst." Damit viele Menschen im Alltag auf das Rad umstiegen, sei es aber wichtig, dass die Schnellwege bestimmte Standards erfüllten: eine ausreichende Breite für sicheres Unterwegssein, gute Erreichbarkeit und eine Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr.
Der Regionalverband Ruhr ist schon jetzt überzeugt von der Strahlkraft des geschätzt 110 Millionen Euro teuren Mammutprojekts. "Mit den ersten Abschnitten können wir im nächsten Jahr schon in Mülheim am Hauptbahnhof sein, zwei Jahre später dann in Duisburg am Rhein", sagt Tönnes. In östlicher Richtung gebe es noch weniger Klarheit über die genaue Trassenführung. Aber Tönnes ist optimistisch: "Ich würde mich freuen, alle Menschen einzuladen, im Jahr 2020 gemeinsam die 85 Kilometer zu fahren". (dpa)