Meßkirch. Die Kleinstadt Meßkrich will künftig rund 180.000 Besucher pro Jahr anziehen: Auf acht Hektar Waldfläche soll eine mittelalterliche Klosterstadt entstehen. Die Pläne dafür stammen aus dem neunten Jahrhundert. Die veranschlagte Bauzeit beträgt 40 Jahre.

Die Innenstadt von Meßkirch wirkt wie ausgestorben. Kein Mensch scheint an diesem Wochentag in der Fußgängerzone unterwegs zu sein. Einige Läden stehen leer, der geschlossene Gasthof "Löwe" neben dem Rathaus hat seine besten Zeiten lange hinter sich. Doch schon bald soll hier zwischen Donau und Bodensee der Tourismus boomen: Auf acht Hektar Waldfläche wird eine mittelalterliche Klosterstadt entstehen, die 180.000 Besucher im Jahr anziehen soll. Die Pläne für das Projekt stammen aus dem neunten Jahrhundert. Die veranschlagte Bauzeit beträgt 40 Jahre. "Ich fühle mich manchmal wie Moses, der das gelobte Land sieht, es aber selber nie betreten wird", sagt Bert Geurten vom Verein "Karolingische Klosterstadt". Der 62-Jährige ist der Ideengeber für das Vorhaben, das ohne Maschinen nur mit Muskel- und Ochsenkraft ganz wie im Mittelalter umgesetzt werden soll.

"Doch das Ziel ist nicht die Fertigstellung, sondern das Bauen an sich", macht Geurten deutlich. Das Vorbild für das Meßkircher Mammut-Projekt steht im französischen Burgund. Seit 13 Jahren bauen Handwerker dort eine Ritterburg aus dem 13. Jahrhundert nach - und die Besucher strömen in Scharen. 320.000 waren es 2010, Guédelon ist in Frankreich mittlerweile Ziel Nummer Eins für Schulausflüge.

Vor sieben Jahren sah Geurten eine TV-Reportage über den Bau und dachte sofort an das Modell der Karolingischen Klosterstadt, das er als junger Mann in einer Ausstellung bewundert hatte. Kurzerhand gründete der Journalist aus Aachen den Verein, stellte seine Idee der Nachahmung verschiedenen Städten vor - und landete schließlich im Landkreis Sigmaringen. "Als ich die Anfrage das erste Mal las, dachte ich: Der ist doch verrückt", erinnert sich der Meßkircher Bürgermeister Arne Zwick (CDU).

Busreise überzeugte auch den letzten Kritiker

Doch je mehr er darüber nachdachte, desto mehr erkannte er die Chancen für die 8.000 Einwohner-Stadt, die von Gewerbe und Industrie lebt. Eine Busreise mit den 19 Gemeinderäten nach Guédelon überzeugte dann auch den letzten Kritiker bei der Stadt. "Wir wollen mit dem Projekt ein Alleinstellungsmerkmal schaffen, das uns ein Wachstum im Hotel- und Gastronomiebereich beschert", sagt Zwick. Die lange Bauzeit beunruhigt den Bürgermeister indessen nicht.

Im schlimmsten Fall habe man in 40 Jahren eine mittelalterliche Stadt, die auch noch belebt sei. Denn die Anlage rund um das Kloster mit Wirtschaftsgebäuden, Ställen, Wohn- und Handelshäusern soll den Besuchern vermitteln, wie das Leben im neunten Jahrhundert aussah. Ein echter Markt ist geplant, Gerichte werden nach alten Rezepten zubereitet und die Handwerker arbeiten nicht nur nach Methoden aus dem Mittelalter, sondern ziehen sich auch entsprechend an. Anfangs war Zwick skeptisch, was die Suche nach Arbeitskräften anging.

"Ich habe mich gefragt, ob sich da überhaupt jemand bewirbt", gibt der Bürgermeister zu. Doch innerhalb kürzester Zeit gingen beim Verein "Karolingische Klosterstadt", der sich um den Bau kümmert, 120 Bewerbungen ein. "Die Leute brennen darauf, ohne Maschinen zu arbeiten", sagt Geurten. Eine Befragung im Ort zeigte im März, dass rund 75 Prozent der Meßkircher für das Projekt sind. Vor allem die Einzelhändler wie der Konditormeister Hermann Brecht erhoffen sich durch den Bau der mittelalterlichen Stadt wesentlich mehr Kundschaft. Doch längst sind nicht alle überzeugt. Dem Diakon Klaus Reichenberger fehlt bei dem Vorhaben der christliche Gedanke. "Auch wenn Bert Geurten immer wieder betont, dass es im Kloster ein religiöses Programm geben wird: Wir haben doch bereits eine geweihte Kirche." Anderen dagegen sind die Kosten ein Dorn im Auge.

Bau soll sich nach zwei Jahren selbst tragen

Für die Finanzierung des Projektes gibt es einen Zuschuss aus dem EU-Programm "Leader" in Höhe von 448.000 Euro, weitere 400.000 Euro kommen aus dem Etat der Stadt, der Landkreis gewährt einen Kredit über 100.000 Euro. Damit ist der Start finanziert, also der Bau von Parkplätzen, sanitären Anlagen sowie die Verlegung von Wasserleitungen. Nach zwei Jahren sollen sich alle weiteren Arbeiten über die Eintrittsgelder selbst tragen. Sieben Euro pro Person sind angedacht. "Eine Umfrage aus Guédelon zeigt, dass jeder Besucher im Durchschnitt alle drei Jahre wieder kommt, um die Fortschritte zu sehen. Darauf hoffen auch wir", sagt Zwick.

Das neue Jahr will der Verein "Karolingische Klosterstadt" vor allem für Werbung und Akquise nutzen. Im Januar 2013 soll dann der eigentliche Bau losgehen. Die Materialien beziehen die Arbeiter ausschließlich aus Wald und Boden bei Meßkirch. Die Stadt kümmert sich dagegen um die Genehmigungen - und leistet weiterhin Aufklärungsarbeit. "Viele können sich das Projekt immer noch nicht so richtig vorstellen", sagt Zwick. Abhilfe schafft da das Modell von Reinhold Münz, das einige Wochen in der Stadthalle zu sehen war. Der gelernte Maschinenschlosser fertigte die Miniatur-Klosterstadt aus Holz bereits 1996 an. "Dass mein Modell einmal Vorlage für ein Großprojekt werden würde, hätte ich nie gedacht", sagt Münz. (dapd)