Dijon (dapd). Letztendlich war er ein Verlierer. Dennoch blieb er der Held. Vercingétorix, der "französische Arminius", unterlag mit seinen Galliern 52 v. Chr. den römischen Legionen Cäsars. Seit 1865 thront seine Bronzestatue über dem einstigen Schlachtfeld von Alésia, etwa 60 Kilometer nordwestlich von Dijon. So wollte es Kaiser Napoleon III., der sich für Archäologie und das gallo-römische Erbe begeisterte. Es wird gemunkelt, dass sein Jugendbildnis Vorlage für das sieben Meter hohe Denkmal war. Waffen und Habitus sind ahistorisch, haben aber längst die Vorstellung von den Galliern geprägt. Wer kennt schon Vercingétorix? Mit dem unbesiegbaren Gallier Asterix der Comicserie dagegen ist schon jedes Kind vertraut.

Der Blick des bronzenen Helden scheint über die Kulisse aus Wiesen und Wäldern im sanft hügeligen Burgund zu streifen. Vorbei an mäandernden Flüssen und gemütlichen Dörfern mit unzähligen Kirchtürmen, verliert er sich in der Ferne an den bewaldeten Hängen des Bergmassivs Morvan. "Wenn die herbstliche Laubfärbung und die Weinlese beginnen, erstrahlt die Landschaft in einem besonders bunten Licht", begeistert sich Laurent de Froberville, Generaldirektor des MuséoParc von Alésia. Die Weinkultur brachten allerdings erst die Römer mit. Eine Amphore mit 25 Litern Wein galt als Gegenwert für einen Sklaven.

Burgund, nicht nur geografisch das Herz Frankreichs, ist heute fast ein Synonym für Wein, aber mit seinen Flüssen und Kanälen auch bekannt für Bootstourismus. Und die grünen Wander- und Radwege sind beliebt wie die regionalen Produkte: Fleisch der weißen Charolais-Rinder, 30 verschiedene Käsesorten, Cassis-Likör aus schwarzen Johannisbeeren, Senf aus der einstigen Herzogsresidenz Dijon und die berühmten Anisbonbons aus Flavigny. Kein Wunder, dass allein fünf Weinstraßen sowie zahlreiche Feinschmecker- und Schlemmerrouten durch die Region führen. Genießen wird hierzulande groß geschrieben. Zum genussvollen Schmecken, Riechen und Schauen kommt eine gefühlte, von Schriftstellern als Luxus gepriesene "Kultur der Langsamkeit".

Warum also plötzlich, 2.063 Jahre nach der verlorenen Schlacht von Alésia, die Besinnung auf die Vergangenheit? "Mit einer modernen Präsentation der archäologischen Schätze ermöglichen wir eine lebendige Zeitreise in die omnipräsente gallo-römische Epoche und werden damit eine neue Zielgruppe an Besuchern nach Burgund locken", sagt de Froberville. Schon sticht ein Rundbau im Holz-Gewand römischer Befestigungsanlagen mit einem Durchmesser von 52 Metern ins Auge. Im März 2012 wird er als "Interpretationszentrum" eröffnet. Die Begeisterung für das 50 Millionen Euro teure Projekt MuséoParc ist de Froberville anzumerken. Dabei solle aber keineswegs ein überdimensionierter Abenteuerspielplatz oder gar ein Disneyland entstehen. Auch werde Burgund der "Hort der Langsamkeit" bleiben, beruhigt er.

Schließlich hätten die Touristen ein Gebiet zu erobern, das fast so groß ist wie das heutige Paris. So weitläufig wie einst die Belagerungsanlagen und Schlachtfelder sind die Entdeckungspfade, die zu kleinen Spaziergängen oder längeren Wanderungen einladen. Damals hatte Alésia circa 5.000 Einwohner, heute nur noch 500. Erst in zwei Kilometer Entfernung, nahe der Statue, wird das Archäologische Museum mit Steinfassade entstehen und optisch an gallische Schutzwälle erinnern.

Ein 13,5 Kilometer langer Rundweg um das Schlachtfeld von Alésia startet in dem auf einem Hügel gelegenen sehenswerten mittelalterlichen Ort Flavigny-sur-Ozerain. Hier erlaubt die Unternehmerin Catherine Troubat gern einen Blick in ihre Traditionsfabrik in der ehemaligen Benediktinerabtei. Seit mehreren hundert Jahren wird das Geheimnis gehütet, wie aus winzigen Anissamen und Zuckersirup die begehrten Anisbonbons verschiedener Geschmacksrichtungen entstehen. Nur wenige Schritte weiter ist bei Marie-Francise Couthier in einer zum Restaurant "La Grange" ausgebauten Scheune Platz für eine Stärkung. Auf der Speisekarte stehen ausschließlich regionale Produkte, auch Bier mit Cassis.

Ein Wanderweg, auf dem auch Reiter und Mountainbiker unterwegs sind, verbindet Alésia mit Bibracte. In der alten Hauptstadt des größten keltischen Stammes in Gallien wurde Vercingétorix zum Anführer des geeinten Gallierheeres ausgerufen. Die Streckenführung entspricht der Route, die seine Truppen nahmen. Für die rund 120 Kilometer, die über den schon in der Antike bekannten Rastort Saulieu ins Tiefland des Auxois und schließlich nach Alésia führen, braucht selbst der geübte Wanderer sechs Tage, meint de Froberville. Im nächsten Mai werden zum dritten Mal Neuzeitlegionäre die historische Strecke zurücklegen, nunmehr mit Kriegsausrüstung, Wagen und Schleuderwaffen - als experimentelle Archäologie.

Andere begnügen sich mit dem fünf Kilometer langen Rundkurs durch einen Buchenwald um die antike Befestigungsanlage von Bibracte. Sie umschloss ein 200 Hektar großes Areal und wurde im Jahr 10 v. Chr. zugunsten der 20 Kilometer entfernt gegründeten gallo-römischen Stadt Autun verlassen. An den Grabungsstätten oder dem monumentalen Tor-Nachbau kommen Geschichtsinteressierte schnell mit den Archäologen ins Gespräch und erfahren Neues über die keltische Lebensweise und Kultur, was sich im Museum am Fuße der antiken Stadt vertiefen lässt. Empfehlenswert ist ein Stopp auf dem Gipfel des 821 Meter hohen Mont Beuvray mit einem herrlichen Blick über den Naturpark des Morvan. Keineswegs versäumen sollte man es, die keltische Küche zu probieren. Im Restaurant "Le Chaudron" lassen sich gallische Gerichte und Biersorten kosten. Besucher können auch an römischen Gelagen teilnehmen oder Workshops besuchen, um zu lernen, wie gallisch gekocht wird. Das gibt es nur in Burgund.

dapd