Berlin. Die City-West in Berlin wird immer beliebter. Vor allem der Kudamm hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Publikumshit entwickelt. Das große Interesse lockt auch Investoren an. Doch Baustellen prägen das Stadtbild. Der Berliner nimmt das locker: Die Baustellen drücken die Dynamik der Stadt aus.

Berlin liebt seine Baustellen. "Die Berliner sagen: Da passiert was, diese Baustellen drücken die Dynamik der Stadt aus", schwärmt Christian Tänzler, Sprecher von VisitBerlin, der Tourismusagentur der Hauptstadt. Nach Jahren der Baukräne in der neuen Mitte befindet sich inzwischen der Westen im Visier der Investoren.

Am Bahnhof Zoo wird gerade das mit 118 Metern höchste Gebäude der City-West fertig: Im "Zoofenster" wird ein Luxushotel mit Spa eingerichtet, das einzige Waldorf Astoria außerhalb von New York. Daneben wird das sogenannte Bikinihaus saniert und der Mittelstreifen auf der Tauentzienstraße wird zur Flaniermeile umgestaltet.

Der Kudamm-Hype

"Wir haben eine Renaissance der City-West", sagt Tänzler. Der Kurfürstendamm und die angrenzenden Straßen würden immer beliebter. Die Entwicklung blieb zunächst unbemerkt. Erst das 125-jährige Jubiläum des Boulevards in diesem Jahr hat das angestaubte Image des Westens aufpoliert.

Bei zahlreichen Veranstaltungen entwickelte sich der Kudamm zum Publikumshit, zum Beispiel bei einer Festwoche im Mai oder einem lichtreich geschmückten Boulevard beim "Festival of Lights" im Oktober. Zur Weihnachtszeit wird der Kudamm-Hype vermutlich weitergehen.

Neuer Atlas-Tower

Hier steht einer der größten Weihnachtsmärkte Berlins mit drei 17,5 Meter hohen Lichtpyramiden, und die Straße hat die "längste Weihnachtsbeleuchtung der Welt". Das behauptet zumindest Klaus-Jürgen Meier, Vorstandsvorsitzender der AG City, einem Zusammenschluss der Gewerbetreibenden am Kudamm. "Sie ist 4,2 Kilometer lang - vom Tauentzien den ganzen Kudamm runter.", sagt er.

Von den Baustellen will er sich auf keinen Fall die Laune verderben lassen. Sie werden auch so bald nicht aufhören, denn dieser Tage wurden neue Pläne bekannt. Zwischen Kudamm und Kantstraße soll in unmittelbarer Nähe der Gedächtniskirche der sogenannte Atlas-Tower gebaut werden, mit 119 Metern Höhe und 33 Etagen das höchste Gebäude am Platz. Investor ist die Strabag Real Estate (SRE) in Köln. Im nächsten Jahr geht es los, in drei Jahren soll der Bau fertig sein.

Gedächtniskirche im Schatten

In einer Presseerklärung spricht SRE von einem "Filetgrundstück mit Landmarkcharakter". Geschäftsführer Thomas Hohwieler zeigt sich überzeugt, dass das Gebäude "über die Grenzen Berlins hinaus bekannt sein wird". Davon ist auszugehen, schon allein wegen Lage und Ausmaß des Gebäudes. Während Meier den Neubau begrüßt ("Das passt doch"), ist der Pfarrer der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche, Martin Germer, eher skeptisch. "Wir betrachten diesen Neubau mit Sorge", sagt er. Die Gedächtniskirche, eines der wichtigsten Wahrzeichen Berlins, werde "im Schatten" des Atlas-Towers stehen.

Er fürchtet um das Sonnenlicht, das bisher in das Kirchenschiff der nach dem Krieg gebauten Gedächtniskirche fällt. Die sehr bekannten blauen Glaswände des Baus von Egon Eiermann schuf der Künstler Gabriel Loire aus Chartres. Dabei hat der Pfarrer eigentlich gerade andere Sorgen.

Neue Baustelle

Seit mehr als einem Jahr wird die ursprüngliche Gedächtniskirche renoviert, denn der 1895 eingeweihte und 1943 schwer zerstörte Bau ist in die Jahre gekommen. Bis Ende 2012 wird die Öffentlichkeit sie noch in einem Mantel aus Aluminium- und Acrylglas-Platten sehen. "Der Plattenbau vom Breitscheidplatz heißt sie bei uns", sagt Germer scherzhaft.

In den letzten Wochen hat der Pfarrer aber noch an einem weiteren Ort Sanierungsbedarf entdeckt. Auf dem Breitscheidplatz rund um das Gedächtniskirchen-Ensemble ist die Aufschüttung morsch. "Die Steine haben sich an vielen Stellen gesetzt. Es gibt zahlreiche Stolperstellen", sagt der Pfarrer. Zunächst will er sich mit "Achtung, Pflasterschäden"-Schildern behelfen. Doch, wenn die Gedächtniskirche fertig renoviert ist, müssen diese Schäden behoben werden - wegen der "Millionen Leute", die es zu der Kirche, zum Kudamm, in die City-West zieht, wie Germer sagt. (afp)