Berlin. . Mit 115 Metern Höhe ist der Teufelsberg in Berlin die höchste Erhebung der Stadt. Bis 1991 befanden sich dort Anlagen, die nach dem zweiten Weltkrieg den Alliierten zur Spionage dienten. Seit kurzem werden Führungen angeboten - auf eigene Gefahr.
Mit so einer großen Gruppe haben die Veranstalter nicht gerechnet: Statt der üblichen 20 bis 30 Personen wollen an diesem Sonntag gleich rund 100 Berliner den Teufelsberg besichtigen. Doch ihr Führer Shalmon Abraham bleibt gelassen: "Dann werden die Erklärungen eben etwas kürzer", sagt er und fordert die Teilnehmer auf zu unterschreiben, dass sie die ehemalige Abhöranlage der Alliierten auf eigene Gefahr betreten. Denn das etwa 48 Hektar große Gelände ist voller Schutt, die Gebäude sind schlecht gesichert, überall klaffen Löcher. Doch die Neugier siegt: Hier soll ein Stück Berlin gezeigt werden, das ansonsten verbotenes Gelände ist.
Die weißen Türme der Anlage auf dem Berg im Grunewald sind von weither zu sehen. In ihnen befanden sich bis 1991 die Radaranlagen, mit deren Hilfe US-Amerikaner und Briten den Funkverkehr auf den Flugrouten bis nach Moskau verfolgten. Aber auch der Richtverkehr der Roten Armee und innerhalb der DDR wurde abgehört. Sogar über die Atomkatastrophe von Tschernobyl und den Prager Frühling erfuhren die Geheimdienste vom Teufelsberg aus.
Der Standpunkt war ideal: Mit knapp 115 Metern Höhe ist der Berg eine der höchsten Erhebungen der Stadt. Dabei ist er ein Trümmerberg. Während der NS-Herrschaft sollte hier eine Wehrakademie entstehen, Teil des Projekts "Welthauptstadt Germania". Unter der Akademie befand sich ein Bunker. Die Rohbauten wurden nach dem Zweiten Weltkrieg gesprengt. In den 50er Jahren begannen die Berliner, die Gebäudereste mit Trümmerschutt aufzufüllen. Täglich kamen hunderte Lastkraftwagen. Der Teufelsberg nahm ein Drittel des Schutts der Stadt auf und wuchs immer höher.
Spionagewelt auf Teufelsberg
Als das Land 1972 beschloss, den Berg zu begrünen, entdeckten ihn die Alliierten für ihre Zwecke. Jetzt stehen die Sonntagsspaziergänger in den einstigen Heiligtümern der Spionagewelt und lauschen ihrem Echo. "Dies ist der perfekte Ort, um die eigene Stimme in vielfachem Echo zu hören", sagt Abraham in der höchsten Abhörkuppel. Von hier aus sieht man weit in alle Teile der Stadt. Doch der Aufstieg zu der Kuppel führte über Glasscherben und aufgerissene Böden.
Die Wände sind besprüht mit Grafitti. 1996 hatte eine Investorengruppe um den Kölner Architekten Hartmut Gruhl das Areal erworben. Eigentumswohnungen, Restaurants, Sportanlagen und ein Fünf-Sterne-Hotel sollten gebaut werden. Heute erinnert nur noch ein Bauschild an diese Pläne. Es fehlte nicht nur an Investitionsmitteln. Auch eine Aktionsgemeinschaft Teufelsberg störte das Vorhaben, denn sie sperrte sich gegen das Projekt inmitten des Landschaftsschutzgebietes Grunewald. Der Senat gab nach und entzog den Besitzern 2004 die Baugenehmigung und wies den Teufelsberg als Wald aus. Seitdem klagen die Eigentümer gegen das Land.
"Turm der Unbesiegbarkeit"
Eine Organisation, die sich der Transzendentalen Meditation verschrieben hat, die Maharishi-Weltfriedensstiftung, wollte in den Folgejahren eine Universität mit einem 50 Meter hohen "Turm der Unbesiegbarkeit" gründen. Prominenter Unterstützer war Filmregisseur David Lynch. Doch das Projekt scheiterte, denn das Bezirksamt verweigerte die Genehmigung. Viel Zeit blieb da für Sprayer, Spaziergänger und Spontanparties. Seit einem Jahr haben sie es jedoch schwer, denn ein Sicherheitsdienst patrouilliert. Sein Chef Gerd Emde vermarktet auch das Gelände. "Wir hatten Filmshootings, Modeschauen und Geburtstagsfeiern", sagt er.
Die Führungen organisieren für ihn Stadtführer der Arbeitsgemeinschaft Sightout. Laut Emde haben die Eigentümer weitergehende Pläne. "Wir wollen ein Museum einrichten mit einer Ausflugsgaststätte", kündigt er an. Die Besucher freuen sich, dass der Berg zugänglich ist. "Die Anlage sollte als technisch-politisches Denkmal erhalten werden", sagt die Historikerin Ursula Basikow. Der Lehrer Andreas Kloke ist besonders von der Optik des Geländes begeistert. Diese "ungeordnete" Mischung aus Technik, Natur und Geschichte gebe es nur noch an wenigen Orten in Berlin. (AFP)