Oberhausen. . Die Fiebigs und die Antzaks konnten die DDR nicht mehr ertragen und verschworen sich beim Rommé. Sie wagten zusammen den Neuanfang - und erzählen 25 Jahre später von Ausreiseanträgen und Verhören, Stasi-Bespitzelung und dem mitunter schwierigen Neustart im Westen.
Woran es in Ostdeutschland nicht mangelte, sind dramatische Geschichten. Es ist Zufall, dass wir Eckhard Fiebig ansprechen, an diesem Morgen im „Geschmackszentrum Ost“ in Oberhausen, einem Tante-Emma-Laden für DDR-Produkte. Seine Frau Ursula und Melanie Antzak stöbern, während der 67-Jährige und Rainer Antzak berichten über die Freundschaft zweier Paare über Verhöre und Verrat, Exil und Neuanfang hinweg.
Stellen wir uns einen Romméabend 1985 in Naumburg an der Saale vor, die Stasi hört mit. Es ist ein Freitag, und damit was in den Topf kommt, haben Ursula Fiebig und Melanie Antzak ihre Arbeit stehen lassen müssen, wie es alle taten, um anzustehen, vielleicht auch Richtung Erfurt zu fahren, das „besser versorgt“ war, um dort die Straßen abzulaufen. Man tauscht und heimst und trickst und lebt gegen das System an. Auch darum wollen die Fiebigs mit ihrem Sohn ausreisen, wollen einen Antrag stellen, ahnen nicht, dass sie schon auf der Liste stehen. Die Spitzel werden gelacht haben, dass bei Rommé und Soljanka Post und Pakete getauscht wurden. „Wir haben das für Ursula und Eckhard weggeschickt und entgegengenommen“, sagt Rainer Antzak. Ein Brief für den Vater von Eckhard Fiebig ist darunter.
Die Quittung kam als Vorladung
Der war in den 50ern geflüchtet und hatte die Mutter mit drei Kindern zurückgelassen. Die Familie zerbrach. Den Vater sah Fiebig erst kurz vor diesem Romméabend wieder. Da besuchte er ihn in Kreuztal. „Es war Winter. Und ich brachte Weintrauben und Tomaten mit zurück. Das war hier normal, aber drüben hatten sie das gar nicht im Gehirn drin. Und ich Dussel hab die Früchte mit zur Arbeit genommen und verteilt. Da kam der erste Dampfhammer: Wie ich dazu käme, Westreklame zu machen.“
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Vielleicht gab das den Ausschlag. „Aber so ein Antrag auf Familienzusammenführung baut sich ja langsam auf“, sagt Eckhard Fiebig. Familienzusammenführung, Antrag, das hört sich so trocken an, aber natürlich war jedem klar: Ich unterzeichne hier eine Misstrauenserklärung an das Regime. Die Quittung kam als Vorladung.
„Ein vergitterter, fensterloser Raum, eine Tür ohne Klinke. Ich wusste nicht, ob ich wiederkommen würde. Einer verhört, der andere beobachtet nur. Kontakte? Warum? Wieso? Und die können Ihnen auf Tag und Uhrzeit vorhalten, wo sie waren.“ Bei der Romméverschwörung zum Beispiel. „Das sitzt immer noch tief.“
"Heute haben wir unsere Ruhe"
Natürlich wurde der Vorarbeiter Fiebig degradiert. Wurde wieder vorgeladen und wieder. „Sie standen in Hauseingängen und auf der Straße.“ Das Leben der Anderen? „Wenn ich sowas sehe, muss ich manchmal abschalten ... Ich wollte meine Akte lesen in der Gauck-Behörde. Dort hat eine Mitarbeiterin mir gesagt: Das dürfen Sie lesen, das nicht. Mein Meister, mein bester Freund, hat mich ausspioniert. Es war erschütternd. Den anderen Teil hat sie mir vorenthalten. Ich hätte mich sicher beschweren können, habe es aber sein gelassen. “
„Heute haben wir unsere Ruhe, Ecki“, sagt Rainer Antzek und klopft dem Freund aufs Knie. „Das ging in die Familie hinein“, sagt der. „Ach, es verfolgt dich doch.“
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Dreieinhalb Jahre dauerte es, bis Fiebigs gehen durften, ein knappes Jahr vor der Wende. Sie wurden untergebracht in einer Turnhalle in Gießen und in einem abgelegenen Gasthaus in Bayern, bevor Freunde, die ebenfalls ausgereist waren, sie nach Remscheid holten. Der Dreher Eckhard Fiebig lernte, wie man computergestützte Fräsen bedient. „Es gab viel Kritik von den Westkollegen, warum ich so viel arbeite, viel dummes Zeug. Fast bösartig; allerdings rechne ich den Kollegen hoch an, dass sie fachlich hilfsbereit waren.“
"Wir sind ausgereist mit nichts"
Gleich nach der Wende zogen Melanie und Rainer Antzak ihren Freunden nach. Die drei Familien wohnen seit einem Vierteljahrhundert wenig voneinander entfernt. Sie mussten gemeinsam kämpfen. „Als Sachse sind Sie erst mal abgewertet. Man wird anders eingestuft, und wenn man sagt, dass man es geschafft hat, wird man beneidet.“
„Wir sind ausgereist mit nichts“, sagt Fiebig. „Durch unsere Arbeit können wir uns nun doch so einiges leisten. Und das machen wir auch. Wir gönnen uns noch was ...“
„Das Schlimmste war die Partei! Und die Stasi!“, ruft Freund Rainer daneben, in Gedanken noch nicht beim Fazit.
„... es hat so geklappt, wie wir uns das vorgestellt haben.“