Oberhausen. . Die Eheleute Frühauf haben sich mit ihrem Laden in Oberhausen auf Waren aus Ostdeutschland spezialisiert. Das Geschmackzentrum Ost erfreut sich am Niederrhein wachsender Beliebtheit. Halloren-Kugeln, Oma Hartmanns Kalter Hund’, Würzfleisch, Tiegelwurst und Tempo-Bohnen sind hier erhältlich.

Wer heute Lust auf ein Spreewalder Gürkchen hat, braucht Rhein und Ruhr nicht mehr zu verlassen. Ehepaar Frühauf verkauft in Oberhausen in dem „Geschmackszentrum Ost“ DDR-Produkte, wie Tiegelwurst und Tempo-Bohnen. Oma Hartmanns Kalter Hund darf da natürlich auch nicht fehlen.

Die Geschäftsidee materialisierte sich eigentlich immer mal wieder in Reichweite von Jörg Frühauf, ohne dass er sie sogleich erkannt, geschweige denn ergriffen hätte. Denn wann immer der Oberhausener Lastwagenfahrer in den letzten Jahren einen Lkw in den Osten lenkte, fuhren ein paar leckere Wünsche mit: Würste aus Thüringen sollte er dem einen Kollegen mitbringen, echte Spreewaldgurken einem anderen, „da wurde dann der Beifahrersitz mit bestückt – und fertig“, erinnert sich Frühauf.

Echte Spreewaldgurken in Oberhausen

Doch eines Tages sah er die Sachen neben sich mit anderen Augen.

Und dann war das Ehepaar Frühauf lange schwanger mit einer Idee. Jedem Anfang wohnt ein Zaudern innen.

Um das jetzt entschieden abzukürzen: So geht die langjährige Entstehungsgeschichte des „Geschmackszentrums Ost“, Oberhausen, Saarstraße, am Rande der Fußgängerzone, wo Heike Frühauf seit Ende November 2013 ausschließlich Lebensmittel verkauft, die aus dem Osten Deutschlands kommen und die es schon in der DDR gab. Naja, viele bekanntermaßen nicht immer und nicht außerhalb von Ost-Berlin, aber das wäre jetzt ein ganz anderes Thema – und im übrigen kann in einem Land, in dem es Lebkuchen nur zur Weihnachtszeit gab, nicht alles schlecht gewesen sein.

Denken Sie nur an Döbelner Fleischbrätklopse!

Manches von damals gibt es allerdings gar nicht mehr: Nudeln im Kombinationsglas mit Ketchup etwa, oder, tatsächlich, Schwarz-Weiß-Schokolade; und an dieser Stelle ist es schon wieder erstaunlich, wie schnell dieses spezielle kulinarische Thema ins Politische schwappt. Auch trug die Partei gewissenhaft dafür Sorge, dass es nie Mangel gab an Süßem, an Alkohol und an Bier, um die Leute bei geduldiger Laune zu halten.

Das war jedenfalls der Plan.

Doch flugs zurück nach Oberhausen, wo die beiden Frühaufs ein gewisses Aufsehen erregten, als ihr Laden Gestalt annahm; die Nachbildung einer DDR-Fahne im Firmenschild offenbarte freilich ebensolche Bildungslücken unter jüngeren Einheimischen („Was für ein Land ist das denn?“) wie die anschließende, großzügige Bestückung des Ladenlokals von innen: „Och, die hatten ja auch was zu essen!“ Und so sind, nicht ganz unerwartet, viele unter den Kunden, die selbst aus dem Osten stammen: Sie suchen den Geschmack ihrer Kindheit.

Ernährungsgewohnheiten haben sich angeglichen

„Viele sagen dann, als ich das zuletzt gegessen habe, saß ich daundda“, sagt Heike Frühauf. Sie und ihr Mann haben ja durchaus auch den eigenen Geschmack zum Geschäft gemacht, mit dem sie groß wurden, denn er stammt aus Halle an der Saale und sie ist eine Cottbuserin. „Sachen aus dem Osten schmecken oft intensiver“, sagt Jörg Frühauf voller Überzeugung und meint: „Wenn sie rheinische Wurst im Osten verkaufen, werden die Leute ihnen sagen, die schmeckt ja nach gar nichts.“

Man kann sagen, da bewegen sich die beiden in der Hauptströmung. Denn so entschieden, wie der Osten 1990 auf West-Lebensmittel umschwenkte, so entschieden kehrte er Jahre später zu Ostprodukten zurück. Doch abseits bestimmter Marken, sagen alle Studien, haben die Ernährungsgewohnheiten sich angeglichen; bei ganz geringen Unterschieden isst man im Osten mehr Obst und Fisch, aber weniger Käse und Getreide, und trinkt eher Bier denn Wein. Ach, und man isst mehr Brot, heißt ja auch so, der alte Propagandaspruch, „Der Osten ist Brot!“

Nein, er ist viel mehr: Da stehen Halloren-Kugeln in den Frühaufschen Regalen und ,Oma Hartmanns Kalter Hund’, Würzfleisch, Tiegelwurst und Tempo-Bohnen, Nudossi, Naschi und Pfelino, Im-Nu-Malzkaffee und Brockensplitter, Gurken aus Golzen, Soljanka natürlich, Rotkäppchen, Halberstädter, Brausepulver und Perligran-Seifenschwamm, Papageienkuchen, Schlager Süßtafeln. Alles Dinge, die man auch bei spezialisierten Internet-Versandhändlern bekommt; dass ein leibhaftiges Ladenlokal damit bestückt wird, ist hingegen eher selten. „Die nächsten sind bei Kassel und im Saarland, glaube ich“, sagt Heike Frühauf und setzt mithin auf Mundpropaganda über hunderte Kilometer.

Anderes steht hingegen nur im Laden oder im Schaufenster, um ihnen ein bisschen DDR-Atmosphäre zu verleihen. Die Ente Schnatterinchen zum Beispiel und Pittiplatsch, der Kobold; das Sandmännchen natürlich und der Badefisch.

Das Schild „Ausfahrt freihalten“ im Schaufenster bezieht sich aber tatsächlich auf die Ausfahrt nebenan; doch zwei Meter unter jener stilisierten DDR-Fahne wirkt es trotzdem wie Satire. Wie eine Anlehnung an Rosa Luxemburg, die sagte: Vorfahrt ist immer die Vorfahrt des Anderslenkenden.