Duisburg. Einst war er die „Apotheke des Ruhrgebiets“: 82 Jahren lang wurden im Thyssen-Werk im heutigen Landschaftspark Nord Stahlsorten hergestellt. Nun ist er ein Parade-Beispiel der Industriekultur im Ruhrgebiet. Zum 20. Geburtstag wird am Samstag während „Extraschicht“ groß gefeiert.
Wenn sich ortsfremde Autofahrer zu nächtlicher Stunde auf der A 42 dem Kreuz Duisburg-Nord nähern, tritt so mancher vor Schreck kräftig in die Eisen. Ein in schillerndsten Farben strahlendes UFO scheint da direkt vor ihnen auf der Fahrbahn gelandet zu sein
Erst ein paar Meter weiter wird klar, dass da kein Raumschiff, sondern ein starkes Stück Industriekultur den Himmel über Meiderich zum Leuchten bringt. Der Landschaftspark Nord mit seiner weltweit beachteten Lichtinstallation hat auch nach 20 Jahren nichts von seiner Faszination verloren. Bei den Feierlichkeiten zum runden Geburtstag am Samstag verleitet er alle Neulinge im erwarteten Besucherstrom wieder zur Liebe auf den ersten Licht-Blick.
Die "Apotheke des Ruhrgebiets" – für sehr spezielle Eisensorten
Vor dem schönen Schein stand die Maloche: Denn die Kathedrale der Industriekultur war einst ein Hüttenwerk, das Industriemagnat August Thyssen im Jahr 1903 in Betrieb nehmen ließ und das später den Spitznamen "Apotheke des Ruhrgebiets" verpasst bekam.
20 Jahre Landschaftspark Nord
300 verschiedene Sorten Spezialroheisen wurden hier in 82 Jahren Produktionszeit erzeugt – insgesamt 37 Millionen Tonnen. Die Herzen der Mitarbeiter (in Spitzenzeiten bis zu 2000) bluteten, als am 4. April 1985 das Werk geschlossen wurde. Viele gingen in den Vorruhestand, die meisten wurden auf andere Thyssen-Werke verteilt. Nur der stählerne Koloss auf dem rund 200 Hektar großen Gelände, der durfte bleiben. Vorerst zumindest.
Denn in den ersten Jahren nach der Schließung redeten Großteile der Duisburger Lokalpolitik schon die Bagger mit den Abrissbirnen herbei. Erst der Historiker Wolfgang Ebert brachte die Idee von einem Industriemuseum auf die große Bühne der Öffentlichkeit. Ein Vorstoß, der von vielen abschätzig belächelt wurde, den Karl Ganser, der Geschäftsführer der „Internationalen Bauausstellung“ (IBA), aber aufnahm und ihn mit dem damaligen NRW-Städtebauminister Christoph Zöpel beherzt vorantrieb.
1989 fällten die städtischen Entscheidungsträger den nötigen Beschluss, im Rahmen der IBA den Landschaftspark Duisburg-Nord zu errichten – nach den Plänen des Münchner Landschaftsarchitekten Peter Latz. Am 18. Juni 1994 folgte dann die feierliche Eröffnung.
Landschaftspark wird beliebte Kulturspielstätte
„Damals war ich der größte Schrottbesitzer Duisburgs“, erzählt Dirk Büsching mit einem Augenzwinkern von seinen Anfangszeiten als Leiter des Parks. Schnell wurde klar, welch riesiges Potenzial in dieser wach geküssten Stahlschönheit schlummerte. Der Landschaftspark wurde zur beliebten Kulturspielstätte: Stücke des Theaterfestivals Duisburger Akzente wurden hier aufgeführt.
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Das Traumzeit-Festival lockte in den ersten Jahren Jazz- und Weltmusikgrößen wie Al Jarreau, Herbie Hancock oder John McLaughlin an. Jetzt setzen die Macher eher auf populäre Musik: Erst am Wochenende tanzten über 4000 Besucher zu den Hits von Mia, Judith Holofernes und Zaz in den mächtigen Hallen unter den Hochöfen.
Die "Ehemaligen" arbeiten noch heute
Der Landschaftspark zählte aber auch zu den zentralen Orten der Kulturhauptstadt Ruhr 2010 und der Ruhrtriennale. Über 41 000 Freiluft-Cineasten lockte allein im Vorjahr das Sommerkino an. „Auch deshalb haben wir 2013 erstmals die Jahres-Marke von einer Million Besuchern geknackt“, sagt der heutige Landschaftspark-Leiter Ralf Winkels.
Tausende Besucher nahmen an einer der Führungen durch den Park teil. Und einige der Tourenleiter wissen ganz genau, was sie den Gästen erzählen. Schließlich standen sie einst selbst hier an den Hochöfen. Diese Gruppe der „Ehemaligen“ (der Jüngste ist 65, der Älteste 79) trifft sich noch heute wöchentlich im Landschaftspark. Und arbeitet! Kleinere Reparaturen und Instandsetzungen werden erledigt. Einer von ihnen ist Wolfgang Schulden. Von dem sagen seine acht Mitstreiter: „Der Wolfgang kennt hier im Werk jede Schraube mit Vornamen.“
Das "Krokodil" leuchtet nun energiesparend
Anziehungspunkt Nummer eins des Landschaftsparks war und ist aber die Lichtinstallation. Die schuf der britische Lichtkünstler Jonathan Park. Im Dezember 1996 wurden die Neonröhren und Scheinwerfer angeknipst. Egbert Bodmann, der Technikchef, und seine Helfer tauschen diese in die Jahre gekommene Beleuchtung seit 2010 Schritt für Schritt gegen LED-Technik aus.
Zuletzt kam die markante Verladebrücke, die im Volksmund nur "Krokodil" heißt, an die Reihe. Rechtzeitig zum 20. Geburtstag, der am Samstag im Rahmen der „Extraschicht“ mit einem Familienfest bereits ab 12 Uhr gefeiert wird, ist der zweite von drei Umrüstungsschritten fertig geworden. Und die drei Leuchtkränze an den 80-Meter-Schornsteinen und die übrigen Strahler verwandeln den Landschaftspark in das, was er für Duisburg ist und schon immer war: eine Lichtgestalt.