Essen. . Das Ruhrgebiet trauert – und beginnt langsam, an Wiederaufforstung zu denken. Duisburg etwa verspricht, überall, wo der Sturm Bäume gefällt hat, neue aufzustellen. Doch so aussehen wie früher wird das Revier damit noch lange nicht.
„Mein Freund, der Baum, ist tot.“ Ein halbes Jahrhundert ist Alexandras Lied schon alt – und wurde diese Woche zum Soundtrack des Ruhrgebiets. Dem Entsetzen über Sturm „Ela“ folgt die Trauer über das Sterben der Bäume. Tausende liegen ja gebrochen in den Städten; ihr sattes Grün, das dem Wind nicht widerstehen konnte, welkt.
„Da liegen 80-jährige Buchen und Eichen, die noch eine Lebenserwartung von 100 Jahren gehabt hätten“, sagt Volker Adamiak, Revierförster des RVR in Bottrop. „Es tut einem“, sagt selbst der Profi, „echt leid.“ Auch Sander Dros, Baumpfleger aus Dortmund, ist „einfach nur traurig“: So viele alte Bäume muss er fällen, die zu umsorgen er doch gelernt hat, „und nun bin ich der Henker, der Leichen entfernt“. Bei Dros stauen sich die Hilferufe von Leuten, die ihre Bäume retten wollen: „Sie hängen dran.“ Wer einst einen Geburtsbaum gepflanzt bekam, denke vielleicht, „wenn der Baum kaputt geht, sterbe ich auch“.
Der Deutsche und sein Baum.
Eine besondere Beziehung ist das von jeher, dabei war der Wald einst gefürchtet; Räuber, Hexen, diese Geschichten. Später kamen die Romantiker. Generationen von Schülern lernten, den Wald als Symbol von Natur und Deutschtum zu sehen. Nach dem 20. Jahrhundert ist der Wald kein Nationalsymbol mehr, aber das Symbol für Natur – und Natur ist für Deutsche ja etwas Gutes. Zuletzt kam es gar in Mode, sich unter einem Baum beerdigen zu lassen.
Und nun werden Zigtausende Bäume selbst beerdigt. Wie viele, wagen die meisten Städte noch gar nicht zu schätzen. Fünfstellig sei die Zahl der verletzten Riesen, meldeten bislang Mülheim und Düsseldorf, alle anderen räumen noch auf und denken schon gar nicht daran, welche Bäume die Straßen künftig zieren werden. „Der Blick in die Zukunft ist hinten angestellt“, erklärt die Stadt Essen.
Duisburg will neu pflanzen, wo der Sturm Lücken gerissen hat
Duisburg immerhin verspricht schon jetzt, überall, wo der Sturm Bäume gefällt hat, neue aufzustellen. „Wenn aber neben einem gefallenen Baum noch zwei weitere stehen“, sagt Volker Heimann, Leiter des Umweltamtes, „und deshalb das Licht nicht ausreicht, wäre eine Neupflanzung nicht sinnvoll.“ Auch in Dortmund soll wieder aufgeforstet werden. Stadtsprecher Frank Bußmann aber weiß: „Wenn es soweit ist, werden auch Baumarten auf dem Prüfstand stehen.“
Es hat allerdings die gute, deutsche Eiche genauso gerissen wie die Platanen mit ihren „kleinen Wurzeln wie von Topfpflänzchen“, wie Baumpfleger Dros sagt, und das robuste Platanenholz wie das weiche der Linde. Und im Wald wird manches von allein wiederkommen, hofft Förster Adamiak. „Die Natur holt sich das zurück. Wo Buchen und Eichen sind, wachsen sie auch wieder.“ Leider dauert das: Selbst, wenn ein vierjähriger Baum neu gepflanzt wird, vergehen 15 Jahre, so Adamiak, bis wieder etwas Stattliches steht, das der Bürger „Baum“ nennt.
Die Kosten werden sich läppern
Die Kosten für Neupflanzungen – möglich ohnehin erst im Frühjahr 2015 – werden sich Kosten für die Städte trotzdem läppern: „Bei solchen Massen an Bestellungen gibt es Vergaberegeln. Wir werden unseren Auftrag dann ausschreiben müssen“, heißt es aus Essen. In Forstbaumschulen gibt es Linde, Ulme, Eiche zwar für Großabnehmer billiger; 100 Rotbuchen etwa, rund einen Meter hoch, machen dort um die 150 Euro – durch die wohl hohe Zahl der benötigten Bäume, Arbeits- und Materialkosten aber wird die Sache teuer.
Und selbst dort, wo Städte überhaupt noch eigene Gärtnereien betreiben, helfen sie wenig: „In unserer städtischen Gärtnerei“, heißt es aus Gelsenkirchen, „werden nur Sträucher und Blumen gezüchtet.“
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