Essen/Düsseldorf. „Ich bin nicht mehr der Bischof der Bergarbeiter“, sagte der Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck im WAZ-Interview. RAG-Mitarbeiter fühlen sich nun „tief getroffen“. SPD-Vertreter verteidigen die Bergbaupolitik.
Die kritische Analyse von Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck zum Zustand des Ruhrgebiets hat in der Region hohe Wellen geschlagen. Unternehmensspitze und Mitarbeiter der RAG warfen Overbeck in einem Brief vor, „die Herzen unserer Belegschaftsmitglieder tief getroffen“ zu haben und baten um „ein öffentliches Zugehen auf unsere Bergleute“.
Der Ruhrbischof hatte in der WAZ darauf hingewiesen, dass die Prägung der Region durch Kohle und Stahl zu Ende sei und sich mithin die Rolle der Kirche verändert habe. Es sei gefährlich zu glauben, „wir könnten diese untergegangenen Welten am Leben erhalten“. Er sei „nicht mehr der Bischof der Bergarbeiter“, da es die kaum noch gebe. Im Ruhrgebiet sei es versäumt worden, schon früh in Zukunftstechnologien zu investieren. Anders als in Bayern habe man eher auf klassische Industriezweige gesetzt, die jetzt an ihr Ende kämen. Die heutigen Probleme des Reviers bezeichnete Overbeck als „Kassensturz für eine Politik, die nicht genügend zukunfts- und zielorientiert gewesen ist“.
SPD-Politiker wirft Overbeck vor, Lage im Ruhrgebiet schlechtzureden
SPD-Landtagsfraktionschef Norbert Römer wies die Kritik zurück: „Ich halte nichts davon, die Lage schlecht zu reden: Das LogPort in Duisburg, der Technologiestandort Dortmund, der Gesundheitsstandort Bochum, das Designzentrum Zeche Zollverein in Essen und die vernetzte Wissenschaftslandschaft im Ruhrgebiet sind nur einige Beispiele für erfolgreichen Strukturwandel.“
Zum Stimmungswandel habe vor vielen Jahren auch Ruhrbischof Franz Hengsbach beigetragen, der den Initiativkreis Ruhrgebiet mit ins Leben gerufen habe. „Daran sollte sich heute so manch einer erinnern. Zur weiteren Gedächtnisauffrischung: Der Strukturwandel in Bayern wurde in großen Teilen von den charakterfesten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Ruhrgebiet bezahlt“, so Römer. Oberhausens Oberbürgermeister Klaus Wehling (SPD) zeigte sich ebenfalls verärgert: „Wie bitte denn hätten soziale Verwerfungen im großen Stil verhindert werden können, wenn nicht durch eine gezielte Unterstützung der Montanindustrie? Viele Tausend Kumpel und Stahlarbeiter wären von heute auf morgen arbeitslos gewesen“, sagte Wehling.
Rückendeckung erhielt der Ruhrbischof von FDP-Landeschef Christian Lindner: Er habe mit seiner kritischen Analyse recht. „In NRW, insbesondere im Ruhrgebiet, ist zu lange in unrentable und rückwärtsgerichtete Strukturen investiert worden. Statt den Steinkohlenbergbau künstlich zu beatmen und industrielle Flächen brach liegen zu lassen, hätte schon unter Johannes Rau stärker in Innovationen, wissenschaftliche Einrichtungen und bessere Schulen investiert werden müssen.“