Essen. . Ruhrbischof Overbeck hat sich tief besorgt über die Entwicklung der Region gezeigt. „Wir können nicht so tun, als müssten wir uns nicht verändern“, sagte Overbeck. Veränderungen fordert der Bischof auch von seiner Kirche: „Wir müssen uns vom klassischen Ruhrbischof als Mythos verabschieden“.
Die Innenstädte veröden, das Opel-Werk und die Nirosta-Stahlfabrik schließen, große Konzerne wie Thyssen-Krupp und RWE bauen Tausende Stellen ab: Mit Blick auf die Entwicklung des Reviers hat sich Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck im WAZ-Interview tief besorgt gezeigt. Zugleich forderte er ein Umdenken, wenn die Region „nicht dauerhaft abgehängt“ werden soll. „Wir können nicht so tun, als müssten wir uns nicht verändern“, sagte Overbeck. „Bildlich gesprochen: Sie können nicht wie im Theater einen alten Menschen immer weiter schminken, damit er nicht als alt erkannt wird. Irgendwann erkennt jeder das Alter.“ Dies gelte für die Kirche ebenso wie für das Ruhrgebiet.
Auch die Tradition des Ruhrbischofs als Arbeiterbischof erklärte Overbeck für beendet. „Wir müssen uns vom klassischen Ruhrbischof als Mythos verabschieden“, sagte er. Sich in der Berufsbezeichnung „auf Stände zu beziehen“, sei nicht mehr zeitgemäß. „Wie viele Bürger im Ruhrgebiet finden Sie denn, die sich noch freiwillig als Arbeiter bezeichnen würden? Wir sollten als Kirche nicht auf eine nach hinten geträumte Zukunft setzen.“ Das Ruhrbistum hat seit seinem ersten Bischof Franz Hengsbach den Ruf, sich stark für Arbeitnehmerbelange einzusetzen.
"Der Volkskatholizismus ist faktisch tot"
Die Kirche habe „eine andere Rolle bekommen“, betonte Overbeck. „Der Volkskatholizismus ist bis auf wenige Reste faktisch tot, und ich bin nicht mehr der Bischof der Bergarbeiter, die gibt es doch kaum noch“, sagte er. „Ich weiß, dass die Bergbautradition noch sehr viel Kitt gibt, aber machen wir uns nichts vor: Der Kitt von Schalke ist größer.“ Overbeck kritisierte, im Ruhrgebiet sei versäumt worden, schon früh in Zukunftstechnologien zu investieren. „Man hat eher auf die klassischen Industriezweige gesetzt, die jetzt an ihr Ende kommen“, sagte der Bischof mit Blick auf die jahrzehntelangen Kohlesubventionen. „Wir erleben im Ruhrgebiet nun eine Art Kassensturz für eine Politik, die nicht genügend zukunfts- und zielorientiert gewesen ist.“ Als Beispiel für einen gelungenen Strukturwandel nannte Overbeck Bayern.
Durch die Vorwürfe gegen den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst leide die Glaubwürdigkeit der Kirche, sagte Overbeck. „Ich hoffe, dass die Wirkung des skandalösen Geschehens in Limburg ist, dass wir uns alle, nicht nur wir katholischen Bischöfe, fragen: Wie leben wir eigentlich?“