Dortmund/München. . Der mutmaßliche NSU-Mord in Dortmund beschäftigt in dieser Woche das Oberlandesgericht München: Eine Zeugin will Beate Zschäpe in der Nähe gesehen haben. Und die Polizei entschuldigt sich bei den Angehörigen von Mehmet Kubasik auf ihre Weise.

„Für mich“, sagt Kriminalhauptkommissar Michael Schenk, „hatte der Mann eine ganz weiße Weste.“ Keine Straftaten, kein Verdacht, nichts. „Die Person Mehmet Kubasik passte einfach nicht zur Organisationstheorie.“ Sind das die Worte, auf die Gamze Kubasik gewartet hat? Ist das die Rehabilitation ihres Vaters, der im April 2006 mit nur 39 Jahren in Dortmund das wahrscheinlich achte Mordopfer des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) wurde?

Die Organisationstheorie – das war jene verhängnisvolle These von der Türkenmafia, die hinter der Mordserie stecken sollte, die mit dem Tod des Nürnberger Blumenhändlers Enver Simsek im Jahr 2000 begann. Auf die Idee, dass Neonazis die Mörder sein könnten, kamen die Ermittler nicht.

Der Dortmunder Mordfall Kubasik sollte diese Woche vor dem Oberlandesgericht München dominieren. Doch zwei Befangenheitsanträge der Hauptangeklagten Beate Zschäpe, in denen es vor allem um das Honorar ihrer drei Verteidiger ging, verzögerten den NSU-Prozess. Erst am Donnerstag lehnt das Gericht die Anträge ab – sodass nun Gamze Kubasik mit ihrer Mutter Elif verfolgen kann, wie mehrere Polizisten zum Tod ihres Vaters aussagen.

Schwere Stunden für die Angehörigen

Es werden schwere Stunden für die Angehörigen. Die Beamten referieren stundenlang zu den Details der „Hinrichtung“. Es folgen Bilder vom Tatort, projiziert auf die Wände des Gerichtssaals. Der Kiosk in der Mallinckrodtstraße, in dem Gamze Kubasik und ihre Eltern jeden Wochentag von 7 bis 23 Uhr arbeiteten. Regale, Flaschenkisten, Lebensmittel. Schließlich das Opfer, das von zwei Kopfschüssen entstellte Gesicht. Überall Blut.

Gamze Kubasik sieht die Fotos nicht, sie hat den Saal mit ihrem Anwalt verlassen und kehrt erst zurück, als der Projektor erlischt.

Sehr still wird es erneut im Münchener Schwurgerichtssaal A101, als Anwältin Doris Dierbach das Wort bekommt, die die Kasseler Opferfamilie Yozgat vertritt. Falls es sich als wahr herausstellt, was sie verliest, könnte dies eine Wende im Verfahren gegen Zschäpe bedeuten.

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Es habe sich eine Zeugin gemeldet, sagt Dierbach, die Zschäpe mit Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in der ersten Aprilwoche des Jahres 2006 in Dortmund gesehen habe, und zwar in Begleitung eines stämmigen Mannes, der wie ein Neonazi ausgesehen habe. Die Vier hätten für längere Zeit im Garten des Nachbarhauses der Zeugin im Westen der Stadt gestanden. Am 4. April wurde in der nur sieben Kilometer entfernten Mal­linck­rodtstraße Kubasik erschossen.

Doch wie glaubwürdig ist die Zeugin?

Laut Dierbach hat die Zeugin Böhnhardt und Mundlos sofort wiedererkannt, als nach dem Tod der beiden im November 2011 Fotos veröffentlich wurden. Auch Zschäpe sei von ihr wenig später zweifelsfrei zugeordnet worden, zumal die Zeugin mit der Angeklagten Blickkontakt gehabt habe. Die Frau will zudem auch in den Jahren 2004 und 2005 mehrfach Wohnmobile vor dem Nachbarhaus mit den Autokennzeichen Z, C und A gesehen haben. C ist das Kürzel für Chemnitz, wo das Trio bis etwa 2001 lebte. Danach zogen die Drei nach Zwickau (Kennzeichen Z). Tatsächlich wäre es das erste Mal, dass Zschäpe im Umfeld des Tatzeitpunktes in der Nähe eines Tatortes gesehen wurde.

Allerdings: Bereits in der Vergangenheit hatte diese Zeitung mit der Zeugin Kontakt. Die Recherchen konnten die zunächst vagen Angaben der Zeugin nicht verifizieren. Auch spätere, konkrete Aussagen zu angeblichen Treffpunkten des NSU-Trios mit mutmaßlichen Neonazis aus Dortmund waren nicht nachzuvollziehen.

Bilder zum NSU-Prozess

Der zweite Verhandlungstag im Prozess gegen die Neonazi-Terrorgruppe NSU hat begonnen.
Der zweite Verhandlungstag im Prozess gegen die Neonazi-Terrorgruppe NSU hat begonnen. © REUTERS
Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe wird wieder dem Richter vorgeführt.
Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe wird wieder dem Richter vorgeführt. © TA
Mit Zschäpe stehen vier mutmaßliche Helfer der Terrorzelle vor Gericht.
Mit Zschäpe stehen vier mutmaßliche Helfer der Terrorzelle vor Gericht. © REUTERS
Bevor der Prozess fortgesetzt wird, spricht Zschäpe mit ihrem Anwalt Wolfgang Heer.
Bevor der Prozess fortgesetzt wird, spricht Zschäpe mit ihrem Anwalt Wolfgang Heer. © REUTERS
Die Anwälte der Ermordeten werfen den Verteidigern der Hauptangeklagten Beate Zschäpe vor, den Prozess zu verschleppen.
Die Anwälte der Ermordeten werfen den Verteidigern der Hauptangeklagten Beate Zschäpe vor, den Prozess zu verschleppen. © REUTERS
Der erste Prozesstag gegen die rechte Terrorgruppe NSU: Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe ....
Der erste Prozesstag gegen die rechte Terrorgruppe NSU: Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe .... © REUTERS
.... betrat ohne Handschellen den Gerichtssaal. Ihr wird ...
.... betrat ohne Handschellen den Gerichtssaal. Ihr wird ... © REUTERS
... die Mittäterschaft an den Morden und Anschlägen der rechtsradikalen Untergrundgruppe vorgworfen. Die beiden mutmaßlichen anderen Mittäter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begingen  vor ihrer Verhaftung Selbstmord.
... die Mittäterschaft an den Morden und Anschlägen der rechtsradikalen Untergrundgruppe vorgworfen. Die beiden mutmaßlichen anderen Mittäter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt begingen vor ihrer Verhaftung Selbstmord. © dpa
Mitangeklagt sind vier mutmaßliche Helfer der Terrorgruppe wie André E., Holger G., Carsten S., der die Tatwaffe besorgt haben soll, und der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben.
Mitangeklagt sind vier mutmaßliche Helfer der Terrorgruppe wie André E., Holger G., Carsten S., der die Tatwaffe besorgt haben soll, und der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben. © Getty Images
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Beate Zschäpe mit ihren Anwälten Anja Sturm (r.), Wolfgang Heer and Wolfgang Stahl (l.).
Beate Zschäpe mit ihren Anwälten Anja Sturm (r.), Wolfgang Heer and Wolfgang Stahl (l.). © REUTERS
Die Sicherheitsmaßnahmen rund um den Prozess sind enorm. Das Verfahren gilt als größter Terroristenprozess seit der juristischen Aufarbeitung der linksradikalen RAF.
Die Sicherheitsmaßnahmen rund um den Prozess sind enorm. Das Verfahren gilt als größter Terroristenprozess seit der juristischen Aufarbeitung der linksradikalen RAF. © Getty Images
Hunderte Journalisten aus der ganzen Welt beobachten das verfahren. Im Gerichtssaal selbst ...
Hunderte Journalisten aus der ganzen Welt beobachten das verfahren. Im Gerichtssaal selbst ... © AFP
... sind nur 50 Plätze für Presse vertreter reserviert. Das Verfahren zur Vergabe der Plätze hatte für Proteste gesorgt - und musste nach einem Urteil des Verfassungsgerichtes wiederholt werden.
... sind nur 50 Plätze für Presse vertreter reserviert. Das Verfahren zur Vergabe der Plätze hatte für Proteste gesorgt - und musste nach einem Urteil des Verfassungsgerichtes wiederholt werden. © dpa
Vor dem Prozessgebäude kam es zum Teil zu ...
Vor dem Prozessgebäude kam es zum Teil zu ... © dpa
... tumulartigen Szenen und Demonstrationen gegen rechte Gewalt.
... tumulartigen Szenen und Demonstrationen gegen rechte Gewalt. © AFP
Eine junge, türkischstämmige Frau versucht gewaltsam in die Bannmeile vor dem Gericht einzudringen und wird von Polizisten abgeführt.
Eine junge, türkischstämmige Frau versucht gewaltsam in die Bannmeile vor dem Gericht einzudringen und wird von Polizisten abgeführt. © dpa
Adile Simsek (L), Witwe des von der NSU ermordeten Enver Simsek mit ihrer Rechtsanwältin - die Hinterbliebenen der Terroropfer sind als Nebenkläger vor Gericht vertreten.
Adile Simsek (L), Witwe des von der NSU ermordeten Enver Simsek mit ihrer Rechtsanwältin - die Hinterbliebenen der Terroropfer sind als Nebenkläger vor Gericht vertreten. © REUTERS
Die Anwälte von Beate Zschäpe auf dem Weg ins Gerichtsgebäude:  Wolfgang Stahl, Anja Sturm and Wofgang Heer (von links).
Die Anwälte von Beate Zschäpe auf dem Weg ins Gerichtsgebäude: Wolfgang Stahl, Anja Sturm and Wofgang Heer (von links). © AFP
Die Angeklagte Beate Zschäpe und die vier Mitangeklagten kommen in einem Fahrzeugkonvoi zum Gericht in München.
Die Angeklagte Beate Zschäpe und die vier Mitangeklagten kommen in einem Fahrzeugkonvoi zum Gericht in München. © dpa
Die Angeklagten auf dem Weg ins Gerichtsgebäude.
Die Angeklagten auf dem Weg ins Gerichtsgebäude. © Getty Images
Die Angeklagten auf dem Weg ins Gerichtsgebäude
Die Angeklagten auf dem Weg ins Gerichtsgebäude © REUTERS
Proteste gegen rechtsradikale Gewalt vor dem Prozess.
Proteste gegen rechtsradikale Gewalt vor dem Prozess. © REUTERS
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