München.. Sebastian Scharmer vertritt in dem NSU-Prozess die Nebenklägerin Gamze Kubasik (28) aus Dortmund. Er wirft den Ermittlern „institutionellen Rassismus“ vor, dass sie immer nur in eine Richtung ermittelt hätten und nicht auf die Idee kamen, in der rechtsextremen Szene zu suchen.

Nebenklägerin im NSU-Prozess: Gamze Kubasik.
Nebenklägerin im NSU-Prozess: Gamze Kubasik. © Unbekannt | Unbekannt

Der Berliner Rechtsanwalt Sebastian Scharmer vertritt im NSU-Prozess die Nebenklägerin Gamze Kubasik (28), die Tochter von Mehmet Kubasik, der am 4. April 2006 mutmaßlich von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in Dortmund erschossen wurde. Kubasik war eigentlich als Zeugin geladen. Doch der Prozesstag wurde abgesagt, da das Gericht über zwei Befangenheitsanträge der Hauptangeklagten Beate Zschäpe entscheiden muss. Martin Debes sprach mit Anwalt Scharmer.

Gamze Kubasik ist dank der Befangenheitsanträge der Verteidigung von Beate Zschäpe umsonst nach München gereist …

Sebastian Scharmer: ... was sehr bedauerlich ist. Sie hat sich lange emotional auf diesen Termin vorbereitet. Sie können sich vorstellen, wie sie sich jetzt fühlt. Meine Mandantin wird aber dennoch als Nebenklägerin im Gerichtssaal dabei sein, wenn der Prozess mit den Aussagen der Dortmunder Ermittler fortgesetzt wird.

Was ist das wichtigste Anliegen Ihrer Mandantin, die ja als Nebenklägerin auftritt?

Scharmer: Aufklärung. Zum einen geht es um die genauen Tatumstände. Zum anderen wollen wir gemeinsam mit Gamze Kubasik die Ermittlungen hinterfragen, die eindeutig von rassistischen Untertönen geprägt waren. Wie in anderen Fällen der Mordserie wurde immer nur in die Richtung der so genannten Ausländerkriminalität ermittelt – und so gut wie nie in Richtung Rechtsextremismus.

Sind die Polizisten aus Dortmund, die als Zeugen geladen sind, für Sie wirklich Rassisten?

Scharmer: Nein. Ich rede immer von institutionellem Rassismus. Das heißt, der Apparat in seiner Gesamtheit kam nicht auf die Idee, dass Neonazis hinter den Morden stecken könnten. Stattdessen vermuteten sie ständig Verbindungen in irgendeine Türkenmafia, die es nie gab. Andere Hinweise, wie etwa auf die zwei Radfahrer, die auch an anderen Tatorten gesehen wurden, nahm man nicht ernst.

Erwarten Sie eine Entschuldigung der Ermittler?

Scharmer: Ich erhoffe sie, aber ich erwarte sie nicht. Dafür haben die verantwortlichen Beamten schon zu viele Gelegenheiten verpasst. Worauf wir aber unbedingt drängen werden, ist die offizielle und vollständige Rehabilitation von Mehmet Kubasik. Die Beamten müssen sagen, was Fakt ist, nämlich dass der Mann, der mutmaßlich von Neonazis ermordet wurde, völlig unschuldig und ein in jeder Hinsicht unbescholtener Bürger war.