Düsseldorf. Der zweite Angeklagte im Prozess gegen die sogenannte Sauerland-Gruppe hat gestanden. Adem Yilmaz gab zu, Anschläge geplant zu haben. Zuvor hatte Fritz Gelowicz sich im Prozess in Düsseldorf als Kopf der Gruppe dargestellt. Er gab an, er habe die Möglichkeit seines Todes in Kauf genommen
Im Terrorismusprozess gegen die sogenannte Sauerland-Zelle hat ein zweiter Angeklagter die Anschlagspläne auf US-Einrichtungen in Deutschland gestanden. Der 30-jährige Adem Yilmaz bestätigte am Dienstag vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht den Wortlaut seiner entsprechenden Aussagen vor dem Bundeskriminalamt (BKA), dessen Mitschriften von den Richtern verlesen wurden. In der Anklageschrift «stimmt alles», gab Yilmaz demnach bei den polizeilichen Vernehmungen an.
Angeblich kleinere Explosionen auf Flughäfen geplant
Der türkische Staatsbürger schränkte allerdings unter anderem ein, bei einem von der Zelle erwogenen Anschlag auf die Flughäfen Dortmund oder Düsseldorf sei nicht die Tötung vieler Menschen geplant gewesen. Vielmehr sei eine «vergleichsweise kleine Explosion» vorgesehen gewesen.
Die Bundesanwaltschaft wirft den vier Angeklagten in dem Prozess vor, mindestens drei verheerende Autobombenanschläge auf US-Bürger und amerikanische Einrichtungen in Deutschland geplant zu haben. Auch die beiden weiteren Beschuldigten Daniel Schneider und Atilla Selek gaben nach Justizangaben vor dem BKA die Taten zu; das Gericht will sie zu einem späteren Zeitpunkt über ihre Aussagen befragen.
Demokratie und Islam als unvereinbar
Das seit 1986 im hessischen Langen lebende Yilmaz bestätigte vor Gericht, er sei seit Oktober 2003 entschlossen gewesen, in den Dschihad zu ziehen. Der zeitweise als Fahrkartenkontrolleur bei der Bahn und später kurzzeitig als Kaufhausdetektiv tätige Angeklagte bezeichnete nach eigenen Angaben bei der BKA-Vernehmung Demokratie und Islam als unvereinbar. «Ein Muslim darf gar nicht die Demokratie akzeptieren», sagte der 30-Jährige den BKA-Beamten. «Die Demokratie ist ganz anders aufgebaut als der Islam.
Am Montag hatte bereits der mutmaßliche Rädelsführer der Sauerland-Zelle, der deutsche Konvertit Fritz Gelowicz, ein umfassendes Geständnis vor Gericht abgelegt. Der mutmaßliche Rädelsführer der Sauerland-Gruppe hat bei seinen Dschihad-Plänen auch die Möglichkeit seines Todes in Kauf genommen. «Ich war mir bewusst, dass man dort umkommen kann», sagte der 29-Jährige am Dienstag vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf. «Das ist ein Teil des Dschihad.» Jedoch habe er nicht den Märtyrer-Tod als Ziel gehabt, als er sich dem bewaffneten Kampf anschließen wollte. Das Ziel sei «der Sieg über den Feind» gewesen.
Die Amerikaner "im Kopf"
Über die Möglichkeit, dass er etwa bei Kämpfen in Afghanistan auch auf deutsche Soldaten hätte treffen können, habe er nicht nachgedacht, sagte Gelowicz auf Nachfrage. Dies habe bei seinen Vorstellungen keine Rolle gespielt: «In meinem Kopf waren eher die Amerikaner.»
Bei Fragen nach seiner Einstellung zur Demokratie tat sich der Hauptangeklagte fühlbar schwer. «Als Moslem folge ich dem Koran», sagte er. Trotz seiner ausführlichen Aussage weigerte sich Gelowicz, Fragen der psychiatrischen Sachverständigen zu beantworten - weder im Gerichtssaal noch in einem Gutachter-Gespräch.
Selek laut Gelowicz aus der Gruppe ausgestiegen
Der 29-Jährige betonte, der Mitangeklagte Atilla Selek sei schon vor der Festnahme der anderen aus der Gruppe ausgestiegen. Er selbst und Adem Yilmaz hätten hinter den Anschlagsplänen gestanden - dagegen habe Selek von Beginn an geschwankt und dann beschlossen, in die Türkei zu gehen. Er habe ihn aber noch um die Zünderbeschaffung gebeten: «Ich hätte nicht gedacht, dass da eine Gefahr für ihn besteht.» Auch auf Nachfrage der Bundesanwaltschaft beharrte Gelowicz darauf, dass er Selek keineswegs für spätere Aktionen «geparkt» habe: «Er ist ganz konkret ausgestiegen.» Auch Daniel Schneider hatte nach den Worten des mutmaßlichen Rädelsführers stark geschwankt.
Die Verteidigung stellte die Rolle des möglichen Helfers Mevlüt K. in den Mittelpunkt ihrer Fragen. Dieser soll bei der Zünderbeschaffung geholfen haben und für den türkischen Geheimdienst gearbeitet haben. Gelowicz sagte, er habe gewusst, dass dieser entsprechende Kontakte hatte - habe dies aber eher als nützlich empfunden.
Der 11. September als Wendepunkt
Der Konvertit beschrieb sich als streng gläubigen Muslim. Er halte sich an die räumliche Trennung von Männern und Frauen und höre keine Popmusik. Anderen zwinge er diese Regeln aber nicht auf: «Jeder muss wissen, was er macht.» Ähnlich handhabe er es bei Bildern unverschleierter Frauen: «Ich sehe mir das Bild nicht an», sagte er. «Aber ich nehme es auch nicht und schmeiße es in den Mülleimer.»
Gelowicz war nach eigener Aussage nicht religiös erzogen worden und kurz vor seinem 16. Geburtstag zum Islam konvertiert. «Es war einfach die Überzeugung, dass der Koran die Wahrheit ist», sagte er. Anfangs habe er nicht viel über seine Religion gewusst - später sei der Glaube auch wegen der Berichterstattung über den 11. September 2001 für ihn präsenter geworden. Über seine Einstellung zu den Anschlägen sagte er, er habe sie zunächst nicht gut gefunden: «Später hat sich das geändert.»
2002 für den Dschihad entschlossen
Ende 2002 fasste Gelowicz nach eigener Aussage die «allgemeine Entscheidung», in den Dschihad zu ziehen. Diese habe sich immer weiter konkretisiert. Seine Einstellung zum bewaffneten Kampf sei auch geprägt worden durch die Entführung von Khaled el Masri - eines Deutschen libanesischer Herkunft - nach Afghanistan durch die CIA. Er habe El Masri aus dem Multikulturhaus in Ulm gekannt. «Das hat meine Einstellung bestätigt - dass die Amerikaner nicht nur gegen Muslime vorgehen, die irgendwo kämpfen.»
Gelowicz hatte am Montag als erster umfassend die Anschlagspläne der Gruppe gestanden und dabei auch seine eigene Führungsrolle unumwunden eingeräumt. Auch die Existenz der Islamischen Dschihad Union (IJU) hatte er bestätigt. Die vier Angeklagten sollen eine deutsche Zelle der IJU gegründet und Anschläge mit Autobomben in Deutschland geplant haben. Die Anklage gegen sie lautet unter anderem auf Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags. (afp/ap)