Düsseldorf. Ein Geständnis, wie man es in Terrorprozessen nur selten zu hören bekommt: Die vier Angeklagten erzählen im Sauerland-Prozess vorm Oberlandesgericht in Düsseldorf nüchtern, wie sie zu Terroristen wurden. Der Richter zeigt sich "beeindruckt vom Umfang der Aussage und von ihrer Offenheit.

Es klingt ein wenig nach Karl May. Es klingt nach großen Jungs, die einmal im realen Leben Cowboy und Indianer spielen möchten. Fritz Gelowicz, der Student und Sohn aus gutem Hause, der Junge aus Ulm, der als Teenager zum Islam konvertierte, er begibt sich auf eine Hadsch, auf eine Pilgerreise nach Mekka und endet als Terrorist auf der Anklagebank. Wie er wurde, was er ist, das gestand er am Montag detailliert und äußerst gelassen vor dem Oberlandesgericht in Düsseldorf. Ein Geständnis, wie man es in Terrorprozessen nur selten zu hören bekommt.

Im Pickup zu den Taliban

Man stelle ihn sich vor, diesen Fritz Gelowicz, wie er vor zwei Jahren im wilden, wilden Waziristan, im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet ankommt. 27 Jahre ist er alt, hat sich mit seinem Freund und Gesinnungsgenossen Adem Yilmaz auf den Weg gemacht. Über die Türkei, nach Teheran, von wo aus ein Schleuser sie über die pakistanische Grenze bugsiert. Immer bergauf geht es dort im offenen Pickup, bis schließlich die ersten Taliban vor ihnen stehen. Die Köpfe in Turbane gewickelt, bewaffnet mit Kalaschnikow, Munition und Granaten. Endlich ist Gelowicz dort, wo er hin will. In einem der Ausbildungscamps des Jihad, des heiligen Kriegs. Und was fragt Fritz Gelowicz die rechte Hand des Anführers als erstes? „Können wir kämpfen?”!

Fritz Gelowicz (M.) war der erste der vier Angeklagten, der sich im Prozess äußerte:
Fritz Gelowicz (M.) war der erste der vier Angeklagten, der sich im Prozess äußerte: "Fragen machen im Jihad misstrauisch." (Foto: ddp) © ddp

So erzählt er es dem Gericht, so haben er und seine drei Mitangeklagten es wochenlang den BKA-Beamten geschildert. 1200 Seiten Protokoll sind dabei entstanden, seit die Vier vor Wochen im Gerichtssaal verkündeten, sie wollten nun gestehen. Ottmar Breidling, der sich als hartleibiger und strenger Vorsitzender dieses 6. Strafsenats einen Namen gemacht hat, verfällt angesichts von so viel Auskunftsfreude geradezu in eine Lobeshymne: „Ich bin beeindruckt vom Umfang der Aussage und von ihrer Offenheit.”

US-Botschaften und Konsulate sowie die usbekische Botschaft waren die Ziele

Der Grund dafür liegt auf der Hand. Ein Geständnis verkürzt den Prozess, bietet den Angeklagten überdies die Chance, mit einer geringeren Strafe davon zu kommen. Fritz Gelowicz ist der erste, der öffentlich spricht. Sachlich. Nüchtern. Beinahe bar jeder Emotion. US-Botschaften und Konsulate sowie die usbekische Botschaft in Deutschland seien Ziel ihrer geplanten Sprengstoff-Anschläge gewesen. Sie sollten ein Signal sein, die Bundeswehr aus Afghanistan abzuziehen.

Zwölf Fässer mit Chemikalien hatte die Gruppe bereits besorgt, die sich als deutscher Arm der Islamischen Jihad Union (IJU) verstand. Doch bevor sie ihre Pläne umsetzen konnte, wurde ihr Unterschlupf im Sauerland von SEK gestürmt, von Spezialeinsatzkräften.

Alles, was mit dieser Tat zusammenhing, begann auf jener Mekka-Reise im Januar 2005. Hier lernte Fritz Gelowicz Atilla Selek und Adem Yilmaz kennen. Und schon bald wird aus dem gemeinsamen Ziel, dem Kampf im Jihad, ein Plan. In Syrien besuchen sie eine Sprachschule, lernen Arabisch. Und Adem Yilmaz bemüht sich um Kontakte.

Im Frühjahr 2006 wird es konkret. „Bis Du bereit?”, mailt Yilmaz an Gelowicz nach Deutschland, und der steigt ins Flugzeug. Doch anstatt wie angekündigt nach Tschetschenien, geht es nun nach Pakistan. Gelowicz macht, was von ihm erwartet wird. „Im Jihad fragt man nur, wenn es nötig ist. Fragen machen im Jihad misstrauisch!”, erklärt Gelowicz. Er fragt also nicht, er folgt.

Gelowicz und Yilmaz legen den Treueschwur ab

Erst Yilmaz, dem Freund, dann dessen Kontaktleuten. Knapp fünf Monate werden sie in den Bergen Pakistans verbringen, werden lernen wie man eine Kalaschnikow lädt, wie man schießt, werden Sprengstoff mischen und schließlich gemeinsam mit Taliban „Präsenz in Afghanistan” demonstrieren, den Amerikanern zeigen, „dass das Gebiet in unserer Kontrolle ist”.

Der Angeklagte Daniel Schneider am Montag im Verhandlungssaal des Oberlandesgerichtes in Duesseldorf.
(Foto: ddp)
Der Angeklagte Daniel Schneider am Montag im Verhandlungssaal des Oberlandesgerichtes in Duesseldorf. (Foto: ddp) © ddp

Kämpfen, wie sie sich das gewünscht haben, werden sie jedoch nicht. Aber Suleymann, die rechte Hand des Gruppen-Anführers, schlägt ihnen einen Anschlag in Europa vor. Dort, wo er größere politische Wirkung haben würde als in Afghanistan. „Können wir das denn überhaupt?”, zweifelt Gelowicz zunächst. Aber dann legen er und Yilmaz gar den Treueschwur ab.

Zurück in Deutschland machen sie sich eilig an die Vorbereitungen. Dass der Verfassungsschutz sie beobachtet, belustigt sie bis heute. „Es war so auffällig, dass man sie nicht übersehen konnte!” amüsiert sich Gelowicz auch am Montag im Gericht, das Lachen nur schwer unterdrückend. Am Ende, im September 2007, lachten jedoch die Ermittler.