Hattingen. Die Naturheilkunde erfreut sich großer Beliebtheit. Anfeindungen von Schulmedizinern gehören der Vergangenheit an.
„Anfangs war es nicht so leicht sich neben der Schulmedizin zu behaupten“, erinnert sich Prof. Andre-Michael Beer an das Jahr 1997, als die Abteilung Naturheilkunde der Klinik Blankenstein ins Leben gerufen wurde. Früher sei das Interesse für alternative Heilmethoden hauptsächlich von den Patienten ausgegangen. „Heute ist es eher so, dass die Hausärzte uns ihre Patienten schicken.“
Wer in die Klinik von Chefarzt Beer kommt, sei in der Regel chronisch krank oder habe akut starke Schmerzen. „Die Patienten haben dann meist schon einen langen, erfolglosen schulmedizinischen Behandlungsprozess hinter sich.“ Die naturheilkundliche Behandlung ist mittlerweile derart anerkannt, dass viele Kassen sie übernehmen. Allerdings gelte das nur für den stationären Aufenthalt. „Wer ambulant zu mir in die Praxis kommt, muss privat dafür aufkommen“, sagt Beer. Über die Notwendigkeit eines stationären Aufenthalts entscheidet zuvor der Haus- oder Facharzt. „Es wird natürlich erst einmal alles versucht, einen Krankenhausaufenthalt zu vermeiden.“
Viele Behandlungsmethoden, die in der Naturheilklinik angeboten werden, erforderten jedoch ständige Anwesenheit. Die stationäre Verweildauer beträgt in Blankenstein für gewöhnlich 14 Tage. „Die positiven Effekte der zweiwöchigen Behandlung dauern dafür meist mehr als sechs Monate an.“ Die Rückmeldungen ehemaliger Patienten seien durchweg positiv, berichtet Chefarzt Beer stolz. Als Ersatz für die klassische Schulmedizin sieht er die Naturheilkunde indes nicht. Vielmehr sei es eine Ergänzung. Dafür spricht vor allem, dass ein großer Teil seiner Patienten von den Kollegen aus dem eigenen Haus überwiesen wurden. „Es gibt praktisch keine Berührungsängste zwischen den Abteilungen mehr.“ Die Kapazität der Klinik betrage 60 Patienten. „Momentan sind wir ausgebucht. Wartezeit: Etwa drei Monate. Die Nachfrage ist groß.“ 80 Prozent der behandelten Personen kämen durch eigenes Interesse. Das Einzugsgebiet der Blankensteiner Klinik ist riesig. Kein Wunder: Gibt es in Deutschland doch nur sechs vergleichbare Einrichtungen, die von den Kassen bezahlt werden. Jeder fünfte Patient, so Beer, käme aus einem Ort, der weiter als 80 Kilometer von Hattingen entfernt liege.
Viele der Patienten, die in der Naturheilklinik in Blankenstein behandelt werden, haben eine medizinische Odyssee hinter sich. Therapeutische Maßnahmen bei Haus- und Facharzt seien in der Regel ohne Erfolg geblieben. Schulmedizinisch austherapiert, heißt es im Fachjargon. Von einem „Auffangbecken“ will Chefarzt Andre-Michael Beer nicht sprechen. Viele Patienten hätten oft schon alle gängigen medizinischen Maßnahmen hinter sich. Das Erfolgsrezept der Naturheilkunde, die noch vor wenigen Jahren als Scharlatanerie oder Quacksalberei bezeichnet wurde? „In erster Linie liegt es wohl daran, dass es weitaus weniger Nebenwirkungen gibt, als bei der Schulmedizin.“ Zudem erfordere die Naturheilkunde ein gewisses Maß an aktiver Mitarbeit. „Viele unserer Patienten sind behandlungsmüde oder frustriert, wenn sie in unser Haus kommen. Der Aufenthalt hier gibt ihnen noch mal einen gewissen naturheilkundlichen Kick“, so Beer.