Mönchengladbach. . Am Pfingstwochenende hatten Jugendliche zwei Frauen im Mönchengladbacher Bahnhof verprügelt: weil diese sie gebeten hatten, draußen und nicht in der Halle Fußball zu spielen. Die beiden Frauen wurden schwer verletzt. Am Dienstag stand das Täter-Duo vor Gericht. Das Urteil: Arrest und Anti-Aggressivitätstraining.
Sie kommen durch die Hintertür des Saales A 32 im Mönchengladbacher Amtsgericht. Geschützt vor der Öffentlichkeit, weil sie erst 16 Jahre alt sind, und ihre Tat deshalb von einem Jugendgericht beurteilt werden soll. Ihre Brutalität hatte im Frühjahr für Schlagzeilen gesorgt. So groß war die Empörung über diese zwei Jungs, die im Mönchengladbacher Hauptbahnhof zwei Frauen mit der Faust ins Gesicht schlugen. Beinahe unvermittelt, und wie Zeugen berichten, „hochaggressiv“. Nur weil eine von ihnen gesagt hatte: „Spielt doch draußen!“
Die beiden Frauen sitzen gestern Mittag vor dem Gerichtssaal, sollen als Zeuginnen gehört werden. Etwas verunsichert über das, was auf sie zukommt, warten sie im Flur. Sabine D., die 39-jährige Kölnerin, und Sonja H., die 36-jährige aus Mönchengladbach. Zusammen wollten sie dieses sonnige Pfingstwochenende verbringen. Fahrradfahren, die Seele baumeln lassen. 13.30 Uhr am Samstag ist es, als sie im Bahnhof ankommen und Sabine D. ein Ball vor die Füße rollt. Sie schießt ihn zurück, habe noch diese eine Bemerkung gemacht und dann sei alles sehr schnell gegangen. Ob sie einen „Headshot“, etwas vor den Kopf haben wolle, habe B. noch gefragt und dann seine Faust in ihr Gesicht geschlagen.
Mit eingegipstem Arm traktiert
Sonja H., die schon weiter gegangen war, eilt zurück, will sich zwischen die beiden werfen, „ich dachte, man könne das noch friedlich regeln“, aber da ist schon ein zweiter Junge zur Stelle. Auch Y. holt aus. Seine Faust landet mitten in ihrem Gesicht, außerdem soll er sie mit seinem eingegipsten Arm traktiert haben.
Zu Hilfe gerufenen Bundespolizisten gelingt es noch, B. festzunehmen, der andere Junge flüchtet, wird jedoch später ermittelt. Sabine D. sitzt derweil blutüberströmt am Boden, ihr Gesicht ist über und über geprellt. Offenbar sei mehrfach zugeschlagen worden. Sie könne sich nicht erinnern. Platzwunden müssen genäht werden. Ihrer Freundin Sonja H. ist das Nasenbein gebrochen, sie wird eine Woche danach operiert.
„Wenn mein Sohn redet, haben deutsche Frauen den Mund zu halten“
„Ich habe selten bei einem Jugendlichen solch eine Aggressivität erlebt. Das kenne ich sonst nur bei alkoholisierten Erwachsenen“, sagt J., der 37-jährige Bundespolizist, der B. hinterher gespurtet war und ihn festnehmen konnte. Auch er, ein sportlicher Typ, sitzt inzwischen auf der hölzernen Bank im Gerichtsflur, wartet darauf, vom Gericht als Zeuge gehört zu werden.
Mit breiter Brust habe B. vor ihm gestanden, habe gedroht, beim nächsten Mal werde „es die Frau richtig kriegen“. Auf der Wache, als er eine Handschelle gelöst habe, habe B. sofort zugeschlagen. „Da habe ich ihn geohrfeigt. Ich lasse mich nicht schlagen“, sagt der Polizist. Und sogar die Mutter, die B. abgeholt habe, sei so furios gewesen, dass sein Chef, „sonst ein Gemütsmensch“, sie schließlich vor die Tür gesetzt habe. „Wenn mein Sohn redet, haben deutsche Frauen den Mund zu halten!“, habe sie lautstark erklärt.
Körperverletzung und Widerstand gegen Beamte
Die Jungs, Cousins aus einer türkischen Familie, gehörten zu einer kleinen Gang, die sich auf einem Platz in der Nähe des Hauptbahnhofs treffe und häufiger prügele, sagt der Bundespolizist.
Jeden Moment wird der Prozess beginnen, und inzwischen sind zwei türkische Jungs eingetroffen. Einer begleitet von seiner Mutter. Auch die beiden mögen kaum älter als 16 sein. Hänflinge noch, mit glatten Jungengesichtern. Adrett, höflich wirken sie, als könnten sie kein Wässerchen trüben. Freunde der Angeklagten und eben weitere Zeugen. Die Mutter sagt, ihr Sohn habe ihr nicht verraten, was passiert sei. Er sei wohl zu schockiert gewesen. Und dann mahnt sie ihren Sohn noch einmal, mit erhobenen Zeigefinger, laut und auf Deutsch: „Sag die Wahrheit!“
Opfer hätte sich Jugendarrest gewünscht
Was drinnen im Saal an diesem Nachmittag gesagt wird, weiß nur das Schöffengericht, bleibt hinter der dicken Holztür verborgen. Beiden Angeklagten wirft die Staatsanwaltschaft Körperverletzung bzw. gefährliche Körperverletzung vor, B. außerdem Widerstand gegen den Beamten. Und genau deshalb werden sie auch am frühen Abend verurteilt. B., der als erster zuschlug, wird wegen vorsätzlicher Körperverletzung und Widerstand gegen den Polizisten zu einer Woche Dauerarrest verurteilt, Y. wegen gefährlicher Körperverletzung zu drei Wochen Dauerarrest und 100 Arbeitsstunden.
Y. hat, wie sich im Prozess herausstellt, nicht nur mit der Faust, sondern auch mit seinem Gipsarm zugeschlagen. Beide Jungen müssen zusätzlich an einem Anti-Aggressionstraining teilnehmen. Jugendarrest, das hatte sich auch ihr Opfer Sabine D. als Strafe für sie gewünscht.