Bochum. Der in Bochum festgenommene Student Halil S. wurde dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe vorgeführt. Dieser erließ Haftbefehl gegen ihn. Halil S. steht unter Terrorverdacht. Das Akademische Förderungswerk will schnellmöglichst auf die jüngsten Ereignisse reagieren.

Nachdenklichkeit ist die überwiegende Stimmung unter den Bewohnern des Studentenwohnheims an der Querenburger Höhe, wo am Donnerstag der 27-jährige Halil S. unter Terrorverdacht festgenommen worden ist. Freitagmorgen wurde er dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe vorgeführt. Dieser erließ Haftbefehl gegen den Bochumer Studenten.

Unterdessen laufen die Ermittlungen gegen weitere Verdächtige aus dem Umfeld der „Düsseldorfer Zelle“ weiter, sie sollen sich auch gegen weitere Personen aus dem Umfeld des jetzt Festgenommenen richten. Wie es hieß, habe der Schwerpunkt der Durchsuchungen in Bochum gelegen.

Das Akademische Förderungswerk (AkaFö), in dessen Besitz sich der Wohnheim-Komplex „Querenburger Höhe“ im Uni-Center befindet, möchte schnellstmöglich auf die jüngsten Ereignisse reagieren. Obgleich bereits Strukturen von studentischer Selbstorganisation in dem Wohnheim existieren – darunter ein Heimrat, der die Gemeinschaftsräume verwaltet und Kennenlern-Partys organisiert – leben viele der knapp 500 Bewohner dort in weitgehender Anonymität.

Uni-Center verliert an Attraktivität

„Wir werden in den kommenden Tagen sicherlich überlegen, wie man auf die Studenten vermehrt zugehen kann“, versichert AkaFö-Sprecher Florian Kühlem. „Letztendlich können solche Aktivitäten nur Angebote sein, bei denen jeder selbst entscheiden kann, ob er daran teilnimmt oder sich lieber abschottet.“

Islamistischer Terror in Deutschland

Die Chronik vereitelter Terroranschläge

Der internationale Terror hat deutsche Polizei und Justizbehörden immer wieder beschäftigt. Die wichtigsten Ereignisse.

12. September 2001:

Einen Tag nach den Anschlägen in den USA durchsuchen die Sicherheitsbehörden eine Wohnung in Hamburg-Harburg, in der früher der Todespilot Mohammed Atta und der mutmaßliche Koordinator der Terrorpläne vom 11. September, Ramzi Binalshibh, gewohnt haben.

Später wird der Marokkaner Mounir el Motassadeq unter dem Vorwurf festgenommen, bis zuletzt in die Attentatsvorbereitungen des 11. September eingebunden gewesen zu sein. Motassadeq wird vom Oberlandesgericht Hamburg 15 Jahren Haft verurteilt.

16. April 2002:

In zwei verdächtigen Wohnungen in Frankfurt hatte die Polizei bei den Festnahmen im Dezember 2000 rund 30 Kilogramm Chemikalien sowie zwei fertige Sprengzünder und mehrere Waffen sichergestellt.

In Frankfurt am Main beginnt der Prozess gegen fünf Algerier, denen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vorgeworfen wird. Laut Anklage hatten sie einen Anschlag auf einen belebten Platz in Straßburg geplant.

26. November 2002:

Im ersten Terrorprozess gegen ein Mitglied der islamistischen Organisation Al Tawhid verurteilt das Düsseldorfer Oberlandesgericht Shadi Mohd Mustafa Abdalla zu vier Jahren Haft wegen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Passfälschung.

Der jemenitische Scheich Mohammed Ali Hassan el Moajed und sein Sekretär Mohammed Mohsen Jahja Sajed werden in einem Hotel am Frankfurter Flughafen unter Terrorverdacht festgenommen.

10. Januar 2003:

Medienberichten zufolge waren sie von US-Agenten nach Deutschland gelockt worden. Der Scheich, der eine führendes Mitglied in der islamischen Reformpartei seines Landes ist, hatte sich angeblich in Deutschland medizinisch behandeln lassen wollen.

10. März 2003:

Wegen eines Ende 2000 geplanten Bombenanschlags auf den Straßburger Weihnachtsmarkt verurteilt das Oberlandesgericht Frankfurt am Main vier angeklagte Algerier zu zehn bis zwölf Jahren Haft.

Ein weiterer Angeklagter, dessen Verfahren abgetrennt wurde, wird später freigesprochen.

4. Dezember 2003:

Die Münchner Staatsanwaltschaft meldet die Verhaftung eines mutmaßlichen Anführers der Islamistengruppe Ansar el Islam, die Kontakte zum Terrornetzwerk Al-Kaida haben soll.

Der Haftbefehl gegen den Iraker Mohammed L. lautet auf illegale Schleusung von Ausländern nach Deutschland. Berichten zufolge soll die Gruppe Selbstmordattentätern Reisen nach Irak organisiert haben.

Ein weiterer Angeklagter, dessen Verfahren abgetrennt wurde, wird später freigesprochen .

10. Februar 2004:

Im streng gesicherten neuen Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf beginnt der zweite Prozess gegen vier mutmaßliche Mitglieder der Al Tawhid.

Sie sollen Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Deutschland geplant haben. Zudem werden ihnen Mitgliedschaft in der Terrorvereinigung, bandenmäßige Urkundendelikte sowie Anstiftung zum Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz vorgeworfen.

23. Januar 2005:

Zwei mutmaßliche Al-Kaida-Mitglieder werden in Mainz festgenommen, später folgt eine dritte Verhaftung. Die drei Al-Kaida-Helfer werden Ende 2007 nach einen spektakulären Prozess zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.

14. Juni 2005:

Bei einer deutschlandweiten Razzia gegen die Gruppe Ansar al Islam werden in mehreren deutschen Städten drei Iraker verhaftet.

Sie werden verdächtigt, von Deutschland aus Gelder für die Gruppe gesammelt und gespendet zu haben, um Terroranschläge zu finanzieren.

10. Juli 2005:

Ein Jahr vor der Fußball-WM in Deutschland kündigt der Bundesnachrichtendienst (BND) eine intensive Überwachung der Islamisten-Szene an. Konkrete Hinweise auf Attentate in Deutschland gibt es aber nicht.

31. Juli 2006:

Zwei Männer deponieren auf dem Kölner Hauptbahnhof zwei Kofferbomben in Regionalzügen nach Hamm und Koblenz, die aber nicht explodieren.

Rund zweieinhalb Jahre später verurteilt das Oberlandesgericht Düsseldorf den 24-jährigen Libanesen Youssef El Hajdib zu lebenslanger Freiheitsstrafe.

Der Mittäter Jihad Hamad war zuvor bereits im Libanon zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden.

4. September 2007:

In einer spektakulären Polizei-Aktion werden zunächst drei Terroristen der sogenannten Sauerland-Gruppe festgenommen. Zwei Monate später geht den Fahndern in der Türkei der vierte Verdächtige ins Netz.

Die selbst gebastelten Sprengsätze der Männer sollten vor US-Einrichtungen in Deutschland im Namen des Islams Hunderte von Menschen in den Tod reißen.

Die Autobomben, die die Islamisten zünden wollten, hätten nach den Berechnungen der Experten einer Sprengkraft von rund 410 Kilogramm TNT entsprochen.

Im März 2010 werden die vier Terroristen der Gruppe zu Haftstrafen zwischen fünf und zwölf Jahren verurteilt.

12. Januar 2008:

Libanesische Ermittler warnen deutsche Sicherheitsbehörden laut Medienberichten vor Racheaktionen militanter Islamisten.

Anhänger des Terrornetzwerkes Al-Kaida planen demnach offenbar einen Vergeltungsschlag in Berlin für die Fahndungserfolge gegen mutmaßliche Terroristen.

Das Bundeskriminalamt (BKA) bestätigte, dass es einen Hinweis aus dem Libanon gebe. Deutschland sei Teil des weltweiten Gefahrenraumes.

23. September 2008:

Mit einem Mordanschlag auf zwei Kölner Polizisten wollen, wie sich später herausstellt, drei 15- bis 17-jährige Jungen aus Köln einen "Heiligen Krieg" gegen Amerikaner beginnen.

Die türkischstämmigen Jugendlichen planten, sich mit der Tat Polizeiwaffen zu besorgen und dann amerikanische Einrichtungen anzugreifen.

Die Beamten behielten aber die Nerven, schlugen die Angreifer mit Warnschüssen in die Flucht und blieben unverletzt.

August/September 2009:

Islamistische Video-Drohungen gegen Deutschland sorgen verstärkt für Unruhe. Die Drohungen richten sich gegen Deutschland, aber auch gegen Deutsche im Ausland wie die Bundeswehrsoldaten in Afghanistan.

2. Oktober 2009:

Wegen erhöhter Terrorgefahr verschärft die Berliner Polizei ihre Sicherheitsmaßnahmen für die Feierlichkeiten zur Deutschen Einheit rund um das Brandenburger Tor. Auch das Oktoberfest in München steht unter scharfem Polizeischutz.

Ende Oktober 2010:

Paketbomben aus dem Jemen sorgen für Aufregung. Sie waren für das Ziel Chicago bestimmt. Eine der Paketbomben wurde per Luftpost über Deutschland transportiert.

Sie konnte nach einem Hinweis der deutschen Sicherheitsbehörden in Großbritannien abgefangen werden.

2. November 2010:

Nicht vereitelt werden kann ein Angriff auf US-Soldaten am Frankfurter Flughafen. Ein 21-jähriger Kosovare tötet dort zwei Militärangehörige und verletzt zwei weitere. Beim Prozess vor dem Frankfurter Oberlandesgericht ist der Angeklagte geständig. Das Urteil soll im Januar verkündet werden.

17. November 2010:

Bundesinnenminister Thomas de Maizière gibt eine Terrorwarnung heraus und kündigte eine "sichtbare Polizeipräsenz" an.

Am 1. Februar 2011 ordnet er an, dass die Präsenz zurückfahren wird. Diese Maßnahme sei zu verantworten, "wenngleich kein Anlass zur Entwarnung besteht".

In der Poststelle des Kanzleramtes wird eine an Kanzlerin Angela Merkel adressierte Paketbombe entdeckt.

Wahrscheinlicher Absender war eine linksextremistische Gruppe aus Griechenland, die für eine Anschlagswelle mit Paketbomben verantwortlich gemacht wird. Sprengstoffexperten machten die Postsendung unschädlich.

2. März 2011:

Nicht vereitelt werden kann ein Angriff auf US-Soldaten am Frankfurter Flughafen. Ein 21-jähriger Kosovare tötet dort zwei Militärangehörige und verletzt zwei weitere. Beim Prozess vor dem Frankfurter Oberlandesgericht ist der Angeklagte geständig. Das Urteil soll im Januar verkündet werden.

29. April 2011:

Die Bundesanwaltschaft lässt drei mutmaßliche Mitglieder einer Düsseldorfer Zelle der Terrororganisation Al-Kaida festnehmen.

Der Marokkaner Abdeladim El-K., der Deutsch-Iraner Amid C. und der Deutsch-Marokkaner Jamil S. sollen beim Bau eines Sprengsatzes "noch in der Experimentierphase" gewesen sein. Sie hätten aber den Auftrag gehabt, einen Anschlag in Deutschland zu begehen.

8. September 2011:

Die Berliner Polizei nimmt zwei Männer fest, die einen Bombenanschlag geplant haben sollen. Ende Oktober werden die Haftbefehle aufgehoben, weil kein dringender Tatverdacht gegen einen 24-jährigen Deutsch-Libanesen und einen 28 Jahre alten Mann aus dem Gaza-Streifen vorliegt.

25. November 2011:

Die Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen zwei in Nordrhein-Westfalen festgenommene islamistische Terrorverdächtige. Der 24-jährige Ömer C. soll seit September 2009 Mitglied der ausländischen terroristischen Vereinigung "Islamische Bewegung Usbekistan" (IBU) gewesen sein.

Der 29-jährige Turgay C. soll die IBU mit Geldtransfers unterstützt haben. Bei Turgay C. handelt es sich um den Schwiegersohn des als "Kalif von Köln" bekanntgewordenen Islamistenführers Metin Kaplan.

8. Dezember 2011:

Bundeskriminalamt und GSG-9 nehmen in Bochum ein weiteres Mitglied der Düsseldorfer Al-Kaida-Zelle fest. Der 27 Jahre alte deutsche Staatsbürger Halil S. soll zur finanziellen Unterstützung der Anschlagspläne Betrugstaten begangen haben.

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Insgesamt verliert der Standort Uni-Center zunehmend an Attraktivität. In den Einkaufspassagen häufen sich die Leerstände. Zuletzt wanderte der Supermarkt „Toom“ ab. Tagsüber sorgt der Center-eigene Wachdienst für die Sicherheit der einkaufenden Uni-Mitglieder und Hustadt-Anwohner. „Nachts würde ich hier als Frau aber nicht gern alleine durch die Dunkelheit gehen“, meint eine 28-Jährige Uni-Mitarbeiterin.

Schummrige Beleuchtung in den Abendstunden

Schummrige Beleuchtung in den Abendstunden und wiederholte Polizeistreifen sorgen für gemischte Gefühle der Anwohner. Die Festnahme des terrorverdächtigen Halil S. ist dabei nur die Spitze des Eisbergs: Weniger die mögliche Bedrohung durch Terroristen besorgt die Passanten, als vielmehr die derzeitige Gesamtsituation des Viertels.

„Das ist schon eine ziemlich schlimme Wohnlage“, findet Jura-Studentin Eva. „Der Polizei-Einsatz tangiert mich aber überhaupt nicht“, fügt die 23-Jährige auf Nachfrage hinzu. „Terroristen kann es heute doch an jeder Ecke geben.“ Auch der pensionierte Gymnasiallehrer Dr. Anselm Vogt sieht sich in seiner Sicherheit nicht beeinträchtigt: „Selbst wenn es Terroristen gibt, die hier aus dem Umkreis kommen, heißt das doch noch lange nicht, dass sie ihre Anschläge hier vor Ort durchführen.“

Übrigens richtete sich zeitweise eine gewisses Interesse auf den 30-jährigen Bochumer Sozialarbeiter Halil Simsek, der unter anderem für die Ifak arbeitet. Wer Halil S. bei „Google“ eingab, bekam auch den unbescholteten Mitarbeiter, mit Telefonnummer und Foto angezeigt: „Freunde haben angerufen und gefragt, ob ich was mit der Terrorsache zu tun habe. Die Polizei war zum Glück nicht darunter“, erzählte er recht entspannt.