Viersen. Weil die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach zu langsam arbeitete, musste das Oberlandesgericht Düsseldorf einen mutmaßlichen Sexualstraftäter aus der U-Haft entlassen. Die Polizei kritisiert das Justizministerium, beruhigt aber die Bürger: "Wir wissen, wo er sich aufhält."

Die Freilassung eines mutmaßlichen Sexualstraftäters aus der Untersuchungshaft ist von den Bürgern der Stadt Viersen offenbar besonnen aufgenommen worden. Bei dem von der Polizei Viersen eigens geschalteten Bürgertelefon für besorgte Eltern seien nur einzelne Anrufe eingegangen, sagte eine Sprecherin am Freitag. Über öffentliche Protestaktionen war der Polizei und auch einer Sprecherin des Rathauses bislang nichts bekannt.

Dem Mann werde der sexuelle Missbrauch von ihm gut bekannten Mädchen vorgeworfen, sagte die Polizeisprecherin. Es gebe daher keine Hinweise darauf, dass fremde Kinder wegen seiner Freilassung gefährdet seien. Dennoch stehe die Polizei in ständigem Kontakt zu dem Mann und habe ihn «im Auge». «Wir wissen, wo er sich aufhält», sagte die Sprecherin.

Polizeigewerkschaft kritisiert fehlende Unterstützung

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) kritisierte die fehlende Unterstützung des Justizministeriums bei der Bewachung des mutmaßlichen Sexualstraftäters. Es sei «unerträglich», dass Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) «ihre eigene organisatorische Unfähigkeit der Polizei in die Schuhe schiebe und dann einfach ins Wochenende fahre», sagte DPolG-Chef Rainer Wendt. Bei der Bewachung handele sich um eine «originär polizeiliche Aufgabe im Zuge der Gewaltenteilung», sagte ein Sprecher des Justizministeriums dazu.

Dem Mann aus Viersen wird vorgeworfen, mehrere Mädchen aus Viersen sexuell missbraucht zu haben, in fünf Fällen ist von schwerem Missbrauch die Rede.

Opfer und Angehörige wurde vor Entlassung informiert

Die Opfer und ihre Angehörigen wurden nach Angaben der Polizei bereits frühzeitig über die bevorstehende Entlassung informiert. Sie hätten die Nachricht «überrascht, aber besonnen aufgenommen», sagte die Sprecherin.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte den mutmaßlichen Sexualstraftäter am Mittwoch aus der Untersuchungshaft entlassen. Das Verfahren gegen ihn sei von der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach nicht mit der gebotenen Schnelligkeit bearbeitet worden, hieß es zur Begründung.

Anfang September 2008 war gegen den Mann Haftbefehl erlassen worden, erst im Juni 2009 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage. Dem Mann soll voraussichtlich ab August der Prozess gemacht werden. Bis zu einer möglichen Verurteilung wird er jedoch auf freiem Fuß bleiben.

Organisationsreform der NRW-Justiz gefordert

Die Justizministerin habe eindeutig ein Organisationsproblem in ihrer Behörde, kritisierte DPolG-Chef Wendt. Auch bei hoher Arbeitsbelastung könnten die Mitarbeiter Vorgänge so organisieren, dass sie in so einem wichtigen Fall Fristen nicht verpassten. Wendt forderte von Müller-Piepenkötter «endlich eine durchgreifende Organisationsreform der NRW-Justiz».

Der Bund der Richter und Staatsanwälte in Nordrhein-Westfalen verwies erneut auf die schwierige Personalsituation in den Behörden. Es fehlten seit Jahren gut 500 Richter und über 200 Staatsanwälte im Land, sagte der Vorsitzende Reiner Lindemann. Bei Dauerüberlastung seien folgenreiche Fehler wesentlich wahrscheinlicher.

Staatsanwaltschaft hatte nicht so viel Arbeit wie im Vorjahr

Der Sprecher des Justizministeriums sagte, es gebe keinerlei Hinweise, dass eine Überlastung der Staatsanwaltschaft ursächlich für die langsame Bearbeitungszeit des Falls war. Vielmehr sei der Arbeitsaufwand bei der Mönchengladbacher Behörde bei gleichem Personal im ersten Quartal 2009 um ein Fünftel geringer gewesen als noch im Vorjahreszeitraum.

Im März hatte der Zuzug eines verurteilten Vergewaltigers für wochenlange Proteste in Heinsberg gesorgt. Ihm wurde ein hohes Rückfallrisiko bescheinigt. (ddp)