Duisburg.

Wegen Totschlags an dem Gelsenkirchener „Bandido“ Eschli verurteilte die Kammer den „Hells Angel“ Timur A. zu elf Jahren Haft. Mord, wie ursprünglich angeklagt, war es nicht.

Er hat getötet, um sein Gesicht nicht zu verlieren. Nicht wegen einer Frau. Nicht wegen irgendwelcher Gebietsansprüche. In der Welt von „Höllenengeln“ und „Banditen“, diesem „Milieu mit eigenen Rechtsvorstellungen“, so der Vorsitzende Richter, kann ein Rocker einem anderen einfach nicht weichen. Und weil auch der sein Gesicht nicht verlieren wollte, verlor er sein Leben.

So schlicht ging am Montag die Geschichte aus, die das Duisburger Schwurgericht monatelang beschäftigt hatte – und Hundertschaften der Polizei, die die zuschauenden Rockerbanden voneinander fernhalten musste. Wegen Totschlags an dem Gelsenkirchener „Bandido“ Eschli verurteilte die Kammer den „Hells Angel“ Timur A. zu elf Jahren Haft. Für den Vorsitzenden Joachim Schwartz war der tödliche Schuss vom 8. Oktober 2009 „das Finale eines Konflikts zweier Motorradclubs, den diese Beiden bei jeder sich bietender Gelegenheit ausgetragen hatten“.

Da reizen sich zwei bis zum Äußersten

Was auch immer die wahren Gründe gewesen sein mögen, warum Täter und Opfer sich derart hassten: „Das Tatgeschehen wäre zwischen irgendwelchen Herren Mustermann kaum denkbar“, glaubt Richter Schwartz. Da reizen sich zwei bis zum Äußersten, „wechselseitig immer aggressiver“, weil keiner vor Publikum „klein beigeben will oder ihm Rahmen seiner Sozialisation kann“. Der inzwischen angeblich beigelegte Rockerkrieg im Mikrokosmos einer Straßenkreuzung im Ruhrgebiet. Das Problem sei nur: „Unsere Rechtsordnung billigt das nicht.“

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Was bleibt von Theorien, Vermutungen, Räuberpistolen ist nach Ansicht des Gerichts: Mit einem Totschläger im Hosenbund ging Eschli „strammen Schritts“ vom Clubhaus der „Bandidos“ am Tatabend zur Ampel, vor der Timur im Auto warten musste. „Komm raus, du Sau, mach dich gerade“, forderte er den Anderen auf, mit dem ihn bereits eine längere Geschichte gegenseitiger Drohungen verband. Timur aber stieg nicht aus, sondern zog eine Waffe, worauf Eschli provozierte: „Mach doch, schieß!“

„Ich hab’ einfach sofort geschossen“

Ein „Szenario wie beim Schachspiel“, nennt Richter Schwartz das „Turbulenzgeschehen“ weniger Sekunden: „Vier Züge bis zum Matt.“ Tatsächlich hat A. auch viermal geschossen, ein Schuss trifft den Fliehenden in den Hinterkopf. „Es kam ihm darauf an, Eschli zu töten“, sagt Schwartz, und doch: Mord, wie ursprünglich angeklagt, sei es nicht gewesen. Dafür hätte A. die Arglosigkeit seines Gegners ausnutzen müssen; die aber „ist niemals gegeben, wenn sich Täter und Opfer in offen feindseliger Haltung gegenübertreten“.

Timur A., wartet am Montag (30.08.10) in einem Saal des Landgerichts Duisburg auf die Urteilsverkündung.
Timur A., wartet am Montag (30.08.10) in einem Saal des Landgerichts Duisburg auf die Urteilsverkündung. © ddp

Notwehr, wie von der Verteidigung angedeutet, konnte das Gericht ebenfalls nicht erkennen. Im Hosenbund habe eben keine Pistole gesteckt, auch habe Eschli nicht danach gegriffen. Zudem hätte Timur A. ja wegfahren können, die Ampel war längst grün. „Er tat es aber nicht, denn er war noch nicht fertig.“ Schließlich sagte der Festgenommene damals der Polizei: „Was für eine Scheiße. Da hab ich einfach sofort geschossen.“

Gähnend im Gericht

Zug um Zug sei es im Disput der Beiden „nur nach vorn“ gegangen, glaubt Richter Joachim Schwartz. Und zumindest das bleibe von der Aussage der angeblichen gemeinsamen Geliebten: „Sie waren sich sehr ähnlich.“ Deshalb, so Schwartz, gelte für beide: „O si tacuisses! – Wenn du doch geschwiegen hättest.“ Was auch für das letzte Wort des Angeklagten passt, in dem er seine Tat noch einmal dreist verteidigt hatte.

Nun geht er als Totschläger hinter Gitter, aber sein Gesicht hat er in der Szene sichtlich nicht verloren. Auch an diesem letzten Verhandlungstag sucht er immer wieder beifallheischend die Blicke seiner Unterstützer in der Zuschauerbank, bestellt, bevor er abgeführt wird, einen von ihnen zum „nächsten Besuch“. Ungerührt, hin und wieder gähnend hat er das Urteil verfolgt, die „Bandidos“ haben den Saal da längst verlassen. Und erst, als auch die Richter gegangen sind, sieht man den 31-Jährigen heftig gestikulieren. Wütend sieht er aus, unzufrieden, und auf die Frage, wie er reagiert habe, sagt Verteidiger Rüdiger Böhm nur dies: „In der ihm eigenen Art.“