Duisburg. .
„Vollendeter Totschlag“ statt Mord - für Hells Angel Timur A., der einen Bandido umgebracht hatte, plädiert die Staatsanwalt auf 13 Jahre Haft. Laut Verteidiger sei der Rocker in eine Falle gelockt worden und habe aus Notwehr geschossen.
Von Mord ist keine Rede mehr. Überhaupt hat sich einiges entspannt im Rockerprozess von Duisburg. Nur noch drei Vertreter jeder Seite kamen zum gestrigen Verhandlungstag, begleitet von deutlich weniger Polizei. Man erzählt sich sogar, „Hells Angels“ und „Bandidos“ hätten gemeinsam zu Mittag gegessen.
Der Angeklagte Timur A. ist etwas schmaler geworden um die Oberarme in den letzten fünf Monaten, die schmale Frisur dafür im Nacken länger. An früheren Prozesstagen tat er cool und unbeteiligt, am Freitag hört er mit großen Augen zu.
Sinnloser Tod
eines Wehrlosen
Die wichtigste Veränderung aber ist: Der „Hells Angel“ sitzt nicht mehr als mutmaßlicher Mörder vor dem Schwurgericht. „Vollendeter Totschlag“, sagt Staatsanwalt Martin Hein in seinem Plädoyer, und versuchter in zwei Fällen – das betrifft die beiden Frauen, denen am 8. Oktober 2009 die Querschläger um die Ohren pfiffen, als A. (31) den Gelsenkirchener „Bandido“ Eschli vor dessen Clubhaus erschoss.
Warum, sagt selbst Gerichtssprecher Stefan Ulrich, „werden wir nie erfahren“. Ging es um die unlängst beigelegte Dauerfehde der beiden Clubs? Ging es um die Zeugin K., um die angeblich beide buhlten? Alles „Zufall“, sagt der Staatsanwalt. Da seien zwei zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Offen feindselig hätten Timur und Eschli sich gegenseitig provoziert.
Timurs Aussage, das spätere Opfer habe eine Waffe gehabt, hält der Staatsanwalt für „widerlegt“: „Die hätte gefunden werden müssen.“ Hingegen habe der Täter „rumgeballert“, den anderen „abgeknallt“ aus „Imponiergehabe“, formuliert später die Nebenklage-Vertretung. Es geht das Wort vom „sinnlosen Tod eines Wehrlosen“.
Das allerdings bringt Verteidiger Rüdiger Böhm in Wallung. Zwar solle man über Tote nichts Schlechtes reden, aber ob an den Kollegen, dieser „Riege der Ahnungslosen“ vielleicht etwas vorbei gegangen sei? „Haben Sie nicht mitgekriegt, was das Opfer für ein Kaliber war?“
Schließlich habe die Beweisaufnahme gezeigt: Die Konfrontation von Timur und Eschli habe eine Geschichte: die der Frau, die von vorausgegangenen Drohungen, die eines Kopfgeldes, das das spätere Opfer auf den Täter ausgesetzt haben soll. Was der Gejagte denn tun solle, wenn der Kopfgeldjäger plötzlich vor ihm stehe? Immerhin habe der Mann seinen Mandanten provoziert: „Komm raus, du Schwanz, mach dich gerade!“
In eine
Falle gelockt
Immer wieder zitiert der Anwalt diesen Satz, „markige Sprüche eines markigen Mannes“. Die tödlichen Schüsse seien deshalb „alles andere als Zufall“ gewesen, sondern „der Abschluss eines Konflikts mit langen Wurzeln“.
Womöglich sei Timur A. von den „Bandidos“ sogar in eine Falle gelockt worden. Für die Verteidiger schoss er jedenfalls aus Notwehr. „Kann die Kammer ihm das vorwerfen?“ Das wird sie am 30. August verkünden. Staatsanwalt und Nebenkläger haben 13 Jahre Haft gefordert.
Und strafmildernd dürfte das letzte Wort des Angeklagten kaum gewirkt haben. So „unflätig“, „dreist“ und frei von Reue war es, dass Prozessbeteiligte daraus nicht zitieren wollten.