Bochum/Lünen. Staatsanwalt will hohe Strafe für Lünens Ex-Vizebürgermeister, der Jugendliche für Sex bezahlt haben soll. Was die Verteidiger sagen.
Im Prozess gegen den früheren Lüner Vize-Bürgermeister Daniel Wolski sind am Mittwoch, 24. April, die Schlussvorträge gehalten worden. Die Beweisaufnahme war bereits am Montag zu Ende, zu Wochenbeginn hatte eine Gutachterin den Angeklagten für „voll schuldfähig“ erklärt. Für den Staatsanwalt bedeutet das: Der 41-Jährige soll unter anderem wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen für drei Jahre und zehn Monate in Haft.
Für mindestens eine der fünf Nebenklägerinnen, die als Opfer teils vor Gericht ausgesagt hatten, wäre das zu wenig; ihre Anwältin forderte eine höhere Strafe. Die anderen Opfervertreter schlossen sich den Ausführungen des Anklägers an. Wolskis Verteidiger Arabella Pooth und Edgar Fiebig wollen hingegen ihren Mandanten gar nicht hinter Gittern sehen: Pooth bat in ihrem Plädoyer um eine Bewährungsstrafe. Damit das möglich ist, müsste die 3. Strafkammer des Bochumer Landgerichts weniger als zwei Jahre Haft verhängen.
Jahrelang soll Daniel Wolski Jugendliche, Kinder gar, für Sextreffen bezahlt haben. Auf seinen Computern fanden Ermittler Tausende Suchanfragen nach Minderjährigen, unter Stichworten wie „Teen“ oder „Porn“; offenbar speicherte der frühere Vize-Bürgermeister von Lünen auch kinder- und jugendpornographisches Bildmaterial. Vor Gericht ging es deshalb vier Wochen und acht Prozesstage lang auch um die Frage, wie „verfestigt“ dieses sexuelle Interesse bei dem 41-Jährigen ist. Zeitgleich hatte der auch erwachsene Partnerinnen – wenn auch deutlich jüngere. Prozessbesucher allerdings erfuhren darüber nicht viel.
Weil es in dieser Verhandlung auch weiter zwangsläufig vor allem um „den Intimbereich“ geht, um sexuelle Vorlieben, schloss die Strafkammer die Öffentlichkeit zuletzt immer wieder aus, so auch für die Schlussvorträge. Weniger zum Schutz des Angeklagten, dessen schmutzigste Fantasien schon mit der Anklageschrift ausführlich verlesen wurden. Und die Wolski am zweiten Prozesstag schmallippig, aber in fast jedem Detail bestätigte. Es geht um die „schutzwürdigen Interessen“ zweier Zeuginnen, die inzwischen erwachsen sind, die laut Richter Nils Feldhaus „nicht in der Öffentlichkeit erörtert werden müssen“. Aber auch um die einer ebenfalls in Lünen stadtbekannten Frau, die über Jahre eine Beziehung mit Wolski führte.
Partnerin Wolskis: Verlobt oder nicht?
Oder noch führt? In die Haft jedenfalls soll die heutige SPD-Ratsfrau, die Wolski auch auf den Vorstandssessel der Lüner Jungsozialisten folgte, Briefe geschickt haben. Man sei „verlobt“, sagte der Angeklagte – was die angebliche Zukünftige aber nicht bestätigen wollte. Das hätte sie möglicherweise von der Pflicht entbunden auszusagen. So aber redete die Frau im Zeugenstand, wollte sich dort aber nicht an Streits mit dem Partner erinnern. Die soll es laut Chatprotokollen durchaus gegeben haben: Unter anderem ging es darin um Chatprofile ihres Freundes, etwa „danielsuchtjung“, und dessen mutmaßliche „Sucht“.
Die Zeiten, in denen er auf besonders junge Sexpartner und -innen stand, seien vorbei, hat Wolski wiederholt erklärt. Sein Interesse liege „nur noch bei erwachsenen Frauen“, bekräftigte auch Verteidiger Edgar Fiebig zuletzt. Was die psychologische Gutachterin dazu meint, blieb Beobachtern im Detail allerdings ebenfalls verborgen. Weil Dr. Maren Losch sich auf die Aussagen der Frauen über Wolskis bevorzugte Sexualpraktiken bezog, musste das Publikum den Saal erneut verlassen. Bekannt ist aber: Die Sachverständige hält den Angeklagten für „voll schuldfähig“, mangelnde Einsichtsfähigkeit oder eine Persönlichkeitsstörung lägen nicht vor. Allerdings hat der Angeklagte sich von ihr auch nicht persönlich untersuchen lassen.
Früherer Vize-Bürgermeister zahlte 14.000 Euro an die Opfer
Strafmindernd kann deshalb wohl nur gewertet werden, dass Wolski, der bereits ein halbes Jahr in Untersuchungshaft sitzt, umfangreich gestanden hat. Und dass er zahlte: Bislang sind über seine Familie 14.000 Euro als freiwilliger Täter-Opfer-Ausgleich geflossen. Laut im Gerichtssaal verlesenen Überweisungsvorlagen waren die Zahlungen ab 500 Euro gestaffelt. 14 Jugendliche, die für sexuelle Handlungen manchmal 30, 40 oder 100 Euro bekamen, sollen auf diese Weise „entschädigt“ worden sein, zu dreien fehlt laut Verteidigung bislang der Kontakt. Der höchste Betrag ging mit 3000 Euro an das laut Anklage jüngste Opfer, das 12 und später 13 Jahre alt gewesen sein soll.
Wolski-Opfer im Chat: „Ich bin nicht gemein, ich bin ein Kind“
Mit diesem Kind chattete der Angeklagte offenbar mehr als ein Jahr lang, verlangte Nacktfotos und Sextreffen. Teile der stark sexualisierten virtuellen „Unterhaltung“ waren schon mit der Anklageschrift verlesen worden, an einem der Prozesstage gaben der Vorsitzende Richter und seine Beisitzerin den Chat mit verteilten Rollen wieder – ein denkwürdiger Auftritt. Einmal mehr war das für die Beteiligten nicht leicht zu ertragen: In ausgesprochen vulgärer Sprache soll Wolski das Mädchen bedrängt, geradezu genötigt und – als es trotz Verabredungen nicht erschien – beschimpft haben. Als der so viel Ältere nach einem missglückten Treffen kindisch „gemein“ schrieb, kam die Antwort zurück: „Ich bin nicht gemein. Ich bin ein Kind.“
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Wolski soll das gewusst haben: Schon in ersten Nachrichten ging es explizit um das Alter, den anstehenden 13. Geburtstag. Er hielt Sprache und körperliche Entwicklung seines Gegenübers für „frühreif“ – und fand genau das besonders „schön“. In das Auto des Mannes stieg das Mädchen nicht ein. Dafür soll es mit anderen Jugendlichen zwischen 15 und 17 Jahren auf Parkplätzen zum Oralsex gekommen sein oder auch zum Geschlechtsverkehr in der Wohnung des Kommunalpolitikers.
Urteil gegen Daniel Wolski soll bald fallen
Um Details seiner sexuellen Präferenzen ging es bei den Plädoyers ein weiteres Mal, am Urteilstag ist noch einmal damit zu rechnen. Am 14. Mai aber darf das Publikum wieder zuhören: Dann geht es im Urteil voraussichtlich „nur“ noch um 32 von ursprünglich 36 angeklagten Fällen, vier sind bereits eingestellt worden.