Bochum. Wie versprochen gibt der Ex-Politiker den Missbrauch von Jugendlichen und einem Kind vor Gericht zu. Verteidigerin spricht von Neugier.

Der Angeklagte hatte es so angekündigt: Er wolle seine Opfer schützen, hat Daniel Wolski am ersten Prozesstag gesagt. Am Freitag legt der frühere stellvertretende Bürgermeister von Lünen vor dem Landgericht Bochum ein umfassendes Geständnis ab. Punkt für Punkt geht der 41-Jährige die 36 Vorwürfe aus der Anklage durch. „Ich kann das so, wie hier beschrieben, einräumen.“ Allerdings, die Kinder und Jugendlichen kann er nur noch davor schützen, hier ebenfalls aussagen zu müssen – vor seinen Taten nicht mehr: Über mehrere Jahre hinweg, gibt Wolski zu, habe er Minderjährige für Sex bezahlt, in einem Fall sogar ein Kind unter Druck gesetzt, obwohl er wusste, dass das Mädchen erst zwölf Jahre alt war.

Wie er so dasitzt, dasselbe weiße Hemd und graue Sakko wie am Vortag, und antwortet mit „Das ist korrekt“ oder „Wird bestätigt“ – das wirkt fast bürokratisch anständig. Und passt so gar nicht zu den Fragen, die das Gericht dem Angeklagten stellt. Um „erotische Dienstleistungen“ geht es da mindestens, meist aber sehr konkret um Geschlechtsverkehr, Oralsex und wie er jeweils endete. Die Wörter „Titten“ und „Schwanzbilder“ fallen häufig, bei letzterem muss sich der Vorsitzende Nils Feldhaus kurz vergewissern, ob das auch wirklich so in der Anklageschrift steht. Je „schmutziger“ die aus Chats zitierte Sprache wird und je jünger die Opfer werden, über die Feldhaus spricht, desto kleiner wird Wolski allerdings zwischen seinen Verteidigern. Seine Stimme klingt heiserer, seine Kiefer malmen; als die Stunden vergehen, antwortet er oft nur noch mit „Ja“.

Vor den Fotografen verdeckt der Angeklagte sein Gesicht nicht: Daniel Wolski (r.) am ersten Prozesstag mit seinem Rechtsbeistand Edgar Fiebig.
Vor den Fotografen verdeckt der Angeklagte sein Gesicht nicht: Daniel Wolski (r.) am ersten Prozesstag mit seinem Rechtsbeistand Edgar Fiebig. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Sex mit 17-Jähriger im eigenen Wohnzimmer – für 100 Euro

Ja. Ja. Ja. Es stimme, dass er auf „Markt.de“ auf eine Anzeige reagierte: „Biete Oralsex gegen Geld“. Der Junge war 15, es passierte auf der Rückbank von Wolskis Auto. Es stimme auch, dass eine 17-Jährige in Unterwäsche bei ihm putzte, verabredeter Preis: 70 Euro. Dass sie eigentlich auch eine zwölfjährige Mitbewohnerin dazu habe mitbringen wollen. Die erschien allerdings nicht, dafür kam es zum Sex mit der Älteren im Wohnzimmer des Angeklagten – und 30 Euro Erhöhung. Das Treffen hat er als „fröhlich“ in Erinnerung. Trotzdem brach die Jugendliche den Kontakt danach ab.

Dabei hatte der Kommunalpolitiker für die Mutter eines Kindes sogar ein Konto einrichten wollen, in der Hoffnung, so etwas wie „ein dauerhaftes Verhältnis zu haben“. Zusätzlich zu „Sex gegen Geld“, sagt Anwältin Arabella Pooth, habe ihr Mandant die Rolle des „Sugar-Daddy“ spielen wollen. Im übrigen gebe es auch weibliche volljährige Partnerinnen in seinem Leben, für die angeklagten, aber auch homosexuelle oder sadomasochistische Dinge habe er sich nur „aus Neugier“ interessiert. Daniel Wolski selbst sagt: „Mein Interesse gilt heute nur noch erwachsenen Frauen.“

Angeklagter ist verlobt: Wer ist die Frau an Wolskis Seite?

Was erneut zu der Frage veranlasst, nach dem Beziehungsstand Wolskis zu fragen. Die Antwort überrascht: „Feste Partnerschaft und verlobt.“ Der Vorsitzende wirft einen Namen in den Raum; in Lünen spricht man seit Jahren von einer Frau an Wolskis Seite. Doch hier bestätigt der 41-Jährige nichts, aus Gründen des „Personenschutzes“.

Hier war Daniel Wolski bis zu seinem Rücktritt 1. Stellvertretender Bürgermeister: das Rathaus der Stadt Lünen.
Hier war Daniel Wolski bis zu seinem Rücktritt 1. Stellvertretender Bürgermeister: das Rathaus der Stadt Lünen. © picture alliance / imageBROKER | Thomas Robbin

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Dafür räumt Daniel Wolski auch im Fall einer anderen Zwölfjährigen ein, „dass das so stattgefunden hat“. Dass er sie zunächst für einen Jungen und für 13 gehalten habe, ihr „Nachhilfe“ in Sexpraktiken anbot, das Kind geradezu bedrängte, Nacktbilder zu schicken und sich für Oralsex mit ihm zu treffen. Das Mädchen aber erschien nicht zu den Treffen, sprach von „Panik“. Der Richter geht wie am Vortag der Ankläger den gesamten Chatverlauf durch. Insgesamt gibt es drei Ordner davon. „Miststück“, ging der damalige SPD-Ratsherr die inzwischen 13-Jährige schließlich an, es war das Jahr, in dem er zum Vize-Bürgermeister gewählt wurde. Vor Gericht tut ihm das „von Herzen leid: Ich habe total falsch reagiert“.

Alles tue ihm „unendlich leid“, sagt er zum Schluss in einer persönlichen Erklärung. Er wolle die Gelegenheit nutzen und sich insbesondere „bei meinen Opfern entschuldigen und um Vergebung bitten“. Seine Reue komme aus tiefstem Herzen. Das ganze Ausmaß seiner Taten, sagt Wolski mit tränenerstickter Stimme, sei ihm erst im Laufe der Haft bewusst geworden. Der 41-Jährige sitzt seit Oktober in Untersuchungshaft, legte alle politischen Ämter nieder. Auch seine Anstellung bei einer Versicherung hat er nicht mehr. Eine dritte Chance, sagt er in Bochum, werde es für ihn nicht geben. „Ich schäme mich und bin von mir selbst zutiefst enttäuscht.“

Einige Eltern mutmaßlicher Opfer im Saal, die auch diesmal wieder gekommen sind, reagieren unruhig auf die Einzelheiten des Geständnisses, können ihre Gefühle nur mühsam zurückhalten. Ihre Töchter hätten Wolski bereits vor längerer Zeit angezeigt, behaupten sie später, diese Verfahren seien aber eingestellt worden. Als Zeugen für den nun laufenden Prozess seien ihre Kinder nicht geladen.

Fünf andere junge Mädchen, die sich im Prozess als Nebenklägerinnen vertreten lassen, müssen jetzt womöglich nicht mehr selbst aussagen. Zumindest das, hatte Daniel Wolski am ersten Verhandlungstag versprochen, wolle er ihnen mit seiner Einlassung ersparen. Und auch weitere Opfer soll es aus seiner Sicht nie mehr geben: „Ich versichere, dass sich nichts von dem jemals wiederholen wird.“