Essen. Dauernotbetreuung in NRW-Kitas lässt Eltern verzweifeln. Einige fordern nun die 4-Tage-Woche für mehr Planbarkeit. Aber hilft das wirklich?
Notbetreuung, Gruppen- und Kita-Schließungen: Die Lage in NRW-Kitas spitzt sich zu. Der Ruf einiger Eltern nach verkürzten Betreuungszeiten oder sogar einer Vier-Tage-Woche wird lauter. Für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf kann das allerdings problematisch werden, warnt Gerhard Bosch, Arbeitsmarkt-Experte von der Universität Duisburg-Essen, im Gespräch mit Laura Lindemann.
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Herr Bosch, inwieweit ist die Betreuungssicherheit in Kitas in NRW gefährdet?
Gerhard Bosch: Die Situation spitzt sich gerade deutlich zu. Viele Kinder können nicht mehr zuverlässig betreut werden. Zwar ist die Ganztagsbetreuung in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut worden. Der Bedarf steigt jedoch so stark weiter, dass man mit den Angeboten nicht hinterherkommt. Hinzu kommen die konstant hohen Krankenstände der Erzieherinnen und Erzieher. Deshalb führt jeder Ausfall dazu, dass Betreuungszeiten verkürzt oder Kita-Gruppen geschlossen werden.
Heute ist es in vielen Familien selbstverständlich, dass beide Elternteile arbeiten. Kann die fehlende Betreuungssicherheit zu einem Rückschritt bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf führen?
Ja. Familien fällt es zunehmend schwerer, Beruf und Privatleben zu organisieren. Gerade für Frauen können die unsicheren Betreuungszeiten zu Barrieren in der Karriere führen. Sie haben zum Teil Angst davor, sich beruflich zu verändern oder im Job aufzusteigen.
Aber auch für Unternehmen kann es dramatisch werden, wenn ihnen regelmäßig Personal fehlt. Wenn ein Mitarbeiter, etwa bei der Bahn, seine Schichten mit den Betreuungszeiten der Kita abgestimmt hat, diese aber dann kurzfristig schließt, fällt wegen Personalmangels die Straßenbahn aus.
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Eine kurzfristige Lösung sieht etwa die Gewerkschaft Verdi in verkürzten Betreuungszeiten. Verzweifelte Eltern fordern darüber hinaus sogar die Vier-Tage-Woche in Kitas, um besser planen zu können.
Das wäre aus meiner Sicht eine Verschlechterung im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Gerade für Eltern, die in Schichten arbeiten oder lange Pendelwege haben, braucht es in den Kitas lange Öffnungszeiten. Verkürzte Betreuungszeiten oder gar eine Vier-Tage-Woche würden dazu führen, dass sich Eltern neu organisieren müssten, etwa in Teilzeit gehen. Die meisten Eltern machen ja ohnehin schon erhebliche Kompromisse im Job. Gerade Frauen verkürzen oft ihre Arbeitszeit, sobald sie Kinder bekommen. In Deutschland ist der Anteil der Mütter in Teilzeit mit der höchste in Europa.
Was schlagen Sie als kurzfristige Lösung vor?
Es gibt leider keine kurzfristige Lösung. Wir müssen weg von der reinen Notstandsverwaltung. Der Erzieherberuf muss dringend attraktiver werden. Da müssen wir bereits bei der Ausbildung anfangen.
Und inwieweit können sich Arbeitgeber anpassen?
Arbeitgeber sollten mögliche Fehlzeiten durch Kinderbetreuung in der Personalbesetzung oder einer Projektzusammensetzung mitberücksichtigen. In vielen Unternehmen hat sich da schon einiges getan – etwa durch flexible Arbeitszeiten. Diese sind in einem Unternehmen entscheidend.
„Wie gut können Sie Familie und Beruf vereinbaren? Und wie familienfreundlich ist Ihr Arbeitgeber?“ Das haben wir unsere Userinnen und User für den großen WAZ-Familiencheck gefragt. Mehr als 7000 Menschen aus dem Ruhrgebiet haben an der nicht-repräsentativen Umfrage teilgenommen. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bewerten sie im Durchschnitt mit der Schulnote „Zwei minus“. Besser schneiden die Arbeitgeber selbst ab: Ihre Familienfreundlichkeit wird durchschnittlich mit einer glatten Zwei benotet. Auffällig ist dabei allerdings, dass die Arbeitgeber anscheinend zu selten eine spontane Kinderbetreuung (Schulnote 2,9) oder Home-Office (Schulnote 3,6) ermöglichen. Vor welchen Herausforderungen stehen Eltern im Alltag? Und wie muss sich die Arbeitswelt verändern? Weitere Texte unseres Schwerpunkts lesen Sie hier:
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