Essen. Viele wollen ihr Leben ändern: gesundes Essen, mehr Sport, kein Alkohol. Nur wenigen gelingt es. Wie aus Absichten Gewohnheiten werden.
Es gibt Dinge im Leben, die man dringend mal ändern müsste. Regelmäßig nehmen wir sie in Angriff – und scheitern dann, wenn es darum geht, konsequent am Ball zu bleiben. Wir haben mit Michael Tomoff, Psychologe aus Bonn, darüber gesprochen, was uns von unseren Zielen abhält und wie wir sie letztlich doch erreichen können.
Was war der letzte große Vorsatz, den Sie sich vorgenommen haben?
Tomoff: Ehrlicher zu sein. Zu mir selbst und zu anderen Menschen. Auch im Sinne von Offenheit: Mit Gefühlen offener umgehen, mich mehr zeigen, auch Sachen ansprechen, die ich vielleicht sonst eher für mich behalten hätte. Das mache ich seit ein paar Jahren, mittlerweile recht erfolgreich.
Gab es einmal ein Vorhaben, das einfach nicht zu ihnen gepasst hat? Und sind Sie daran letztlich gescheitert?
Natürlich, ich habe vor Jahren mal diesen typischen, sehr unkonkreten Vorsatz gehabt: „Ich müsste mal mehr Sport machen!“ Ich bin aber kein Typ, der einfach so ins Fitnessstudio geht. Die meisten schaffen es ja, sich wenigstens beim Fitnessstudio anzumelden, um es dann schnell aufzugeben. Aber immerhin habe ich mein Vorhaben dann umgemodelt, zwar nicht mit mehr Sport, aber mit mehr Bewegung. Was ich nämlich gerne mache, das ist Spazierengehen. Sogar, wenn ich eigentlich arbeite, gehe ich mal raus, auch wenn ich dann vielleicht ein Telefonat beim Spazierengehen führe. Damit ich nicht den ganzen Tag vorm Rechner sitze. Ich habe mir also etwas gebastelt, was zu mir passt.
Wie lange dauert es, bis aus einem Vorsatz eine Gewohnheit geworden ist?
Bei der Frage nach einer konkreten Dauer bin ich sehr zwiegespalten, denn es macht ja einen großen Unterschied, ob ich etwa jeden Tag so etwas machen möchte wie Bankdrücken oder Yoga – oder ob ich versuche, mir eine positivere Haltung in meinem Leben anzugewöhnen, denn das ist auch superschwer zu messen.
Aber eine ungefähre Dauer können Sie nennen?
Ich habe mal gehört: 21 Tage – so lange wie eine Henne braucht, um ihre Eier auszubrüten. Aber wahrscheinlich ist das auch nicht bei jeder Henne so. Es gibt Menschen, die haben es sehr leicht mit mentalen Veränderungen. Und anderen fällt es wahnsinnig schwer, die brauchen 60 Tage oder werden es nie schaffen, sich eine positivere Haltung anzugewöhnen. Was auf jeden Fall hilft: Eine sogenannte „intrinsische Motivation“ zu haben, also einen inneren Antrieb, etwas zu verändern für ein bedeutsames Ziel. Und man sollte die Ziele möglichst konkret formulieren.
Inwiefern?
Nehmen wir mein Beispiel: „Ich müsste mal mehr Sport machen!“ Da würde ich heute erstmal fragen: Was heißt denn mehr? Heißt das einmal die Woche? Heißt das täglich 30 Minuten? Man sollte es so konkret wie möglich machen, denn je klarer Ziele sind, desto leichter kann man die Erfolge messen. Was die Bedeutsamkeit eines Ziels angeht, lohnt es sich, ehrlich nachzufragen: Was bedeutet dein Sport für dich? Was wird sich in deinem Leben dadurch verändern? Welchen Einfluss hat das auf Menschen, die dich lieben und die du liebst oder mit denen du gerne Zeit verbringst? Wirst du fitter, produktiver, aufgeweckter sein? Wirst du besser schlafen? Und ich glaube, je größer diese Bedeutsamkeit wird, desto einfacher wird es auch, Motivation aufzubringen und das wirklich durchzuziehen. Am Ende kann eine ganze Philosophie dahinterstecken. Und dann kann ich auch besser Freunde in mein System mit einbeziehen.
Das heißt: Wenn ich die Gewohnheit in mein soziales Umfeld einbette, fällt sie mir leichter?
Man kann das leicht zu seinem Vorteil nutzen. Wenn ich einfach jemanden habe, der unten klingelt und sagt: „Micha, ich bin da, kommst du raus“, dann fällt es mir natürlich viel leichter zu sagen: „Ach ja, na gut, dann ziehe ich mich jetzt an und gehe joggen.“ Und ich lerne dann dabei, dass es wieder gut war, dass wir rausgegangen sind. Hingegen: Wenn ich das allein mache und keinen sozialen Druck habe, dann wird es häufiger eben nicht funktionieren. Zumindest bei mir.
Hilft es, das große Ziel zu visualisieren? Oder kann man auch scheitern, wenn man nicht erstmal kleiner Ziele anstrebt?
Visualisierung hilft sehr dabei, schon mal die Windungen im Gehirn richtig zu schalten, das ist statistisch bewiesen. Es gibt zum Beispiel Bobfahrer, die visualisieren, wie sie durch den Eiskanal preschen, die gehen die Bewegungen im Geiste vorher genau durch. Und natürlich hilft es auch, die konkreten Ziele kleiner zu machen. Kleingliedrig bedeutet meist auch: leicht erfüllbar. So hat man schnell ein Erfolgserlebnis. Wenn ich sage: „Ich möchte im Fitnessstudio dreimal pro Woche zum Bankdrücken“ und das dann durchziehe, dann ist das besser, als wenn ich sage: „Ich möchte in einem Jahr zehn Kilo Muskelmasse aufgebaut haben.“ Das ist zwar auch konkret, aber noch sehr weit weg und schwer messbar.
Wie steht es mit Hindernissen, die mich beim Erreichen solcher Ziele behindern? Wenn ich etwa jeden Abend 50 Seiten lesen will, hilft es dann, mich vorsorglich bei Netflix abzumelden?
Es ist eine berechtigte Frage zu überlegen: Was muss ich an Zeit freiräumen, damit ich mein Vorhaben auch hinbekommen kann? Schaffe ich das zeitlich und habe ich genug Energie dafür? Aber es ist ohnehin immer clever zu überlegen: Was lasse ich in Zukunft lieber sein, wenn ich mit etwas Neuem beginne? Die meisten von uns haben sowieso ziemlich volle Kalender. Wenn man da eine neue Routine reinpackt, dann sollte man sich schon vorher überlegen, wo es Konflikte geben könnte. Bestes Beispiel ist natürlich, dass wir wahrscheinlich alle viel zu viel Zeit am Handy verbringen. Oder vorm Rechner oder mit Streaming-Medien. Man muss sich tatsächlich fragen: Wo kriege ich die Zeit her? Könnte ein Monat Netflix-Pause einen Unterschied machen? Dann probiere ich es einfach mal aus. Ich bin ein großer Fan von Selbstexperimenten, ich probiere Dinge gern aus, um an mir selbst zu beobachten, ob das etwas für mich ist.
Hilft es, wenn ich mich für ein erreichtes Ziel selbst belohne?
Da sind wir beim Thema der klassischen Konditionierung. Die hilft nur dann nicht, wenn ich etwas ausschließlich für die Belohnung mache. Aber wenn ich merke: Ich habe ein Ziel erreicht, das mir sogar etwas Positives gegeben hat und dafür kann ich mich auch belohnen, dann hilft das auf jeden Fall.
Hilft auch das Gegenteil, also wenn ich mir eine Bestrafung androhe, falls ich scheitere?
Ich frage bei meinen Coachings schon mal: Was würdest du machen, wenn du scheiterst? Die meisten antworten dann, dass sie es nicht wissen. Dann sage ich so: Wie wäre es, wenn du 500 Euro an eine Partei spendest, die du absolut nicht leiden kannst? So eine Bestrafung funktioniert normalerweise auch sehr gut.
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