Düsseldorf/Duisburg. Vor Gericht kämpfen sie um Fassung: Freunde erzählen von der Nacht, als Irfan starb. Sein mutmaßlicher Mörder plante wohl auch Brandanschläge.
Sie wollten Geburtstag feiern, die fünf Freunde aus Duisburg, am späten Abend des Karsamstags. Doch Irfan, ihr Kumpel, überlebte die Nacht nicht. Der 35-Jährige starb nach 28 Messerstichen, zugefügt mutmaßlich von dem Mann, der sich derzeit für mehrere Angriffe verantworten muss. Vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht erzählen die Männer am Montag, wie sie schrien, brüllten, heulten, als sie Irfan fanden in seinem Blut – und sie müssen sich sichtlich zusammenreißen, das angesichts des Angeklagten nicht wieder zu tun.
Es war der 33. eines der Zeugen, sie hatten Alkohol gekauft und sich in der Innenstadt getroffen. Sie haben schon häufig so „gefeiert“, berichten sie alle vor dem Staatsschutzsenat: „Gequatscht, gelacht, geredet, ganz normal.“ Und viel getrunken, das auch. Einem ging es schon schlecht, mehrere Flaschen harter Spirituosen hatten sie geleert und wollten eigentlich längst nach Hause. Doch da verschwand Irfan, einer der Freunde ging ihn suchen – und fand ihn schwerst verletzt. „Hilf mir, ich wurde abgestochen!“, das seien Irfans letzte Worte gewesen.
Vater des Ermordeten aus Duisburg stellt sich den schrecklichen Bildern vom Tatort
Mit hochroten Köpfen erzählen die jungen Männer, starren den Angeklagten immer wieder durchdringend an. Beine wippen, Finger krampfen, Stimmen versagen. Auch ein Cousin von Irfan ist unter den Zeugen; im Publikum weint Irfans Tante. Als Nebenkläger hört der Vater erneut alles mit an. Er sieht die Fotos der Polizei auf riesigen Leinwänden: den Tatort. Die Pappbecher, aus denen Irfan und seine Freunde tranken bei ihrer kleinen Privatparty auf der Straße. Flaschen, abgestellt auf einem beschmierten Trafohäuschen. Ein kleiner Lautsprecher auf einem Fenstersims. Und die Blutlache, durch die einer der Männer noch gelaufen sein muss in seinem Schock. Überdimensional wird alles vergrößert. Irfans Vater kann nicht hinsehen und will es doch. Von beiden Seiten versuchen seine Anwältin und seine Prozessbetreuerin, ihn zu beruhigen – aber sie können nicht helfen.
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Dass Maan D., der hinter dem Sicherheitsglas meist leer zu Boden blickt, der Täter war, hat er am zweiten Verhandlungstag wortreich zugegeben. Kein Verbrechen habe er begangen, eine Notwendigkeit erledigt: „Möglichst viele Menschen töten“, das sei sein Plan gewesen, sagte er, wieder und wieder. Der 27-jährige Syrer bestätigt, dass Irfan, 35, sein erstes Opfer war, in der Osternacht. Und dass er im Fitnessstudio „John Reed“ wenige Tage später alle Männer töten wollte, die er dort antraf. Vier verletzte der Täter schwer, zum Teil lebensgefährlich, sagt die Anklage. Und Maan D. bestreitet nichts: Mit derselben Ruhe, mit denen er beide Tatorte verlassen haben soll, mit der er zurückkehrte in seine Wohnung ganz in der Nähe, erklärte er vor den Richtern, im Namen Gottes gehandelt zu haben.
Bei beiden Angriffen dabei: Die Tatwaffe war ein langes Messer mit gelbem Griff
Er wollte zurück nach Syrien, er wollte sich dem IS anschließen, in den sogenannten „Heiligen Krieg“ ziehen. Er wollte möglichst viele „Ungläubige“ töten, Menschen, die nach ihren eigenen Gesetzen lebten und nicht nach denen Gottes, „eigentlich alle“, sagte er am vorvergangen Donnerstag. Es gelang ihm davon nicht viel, dabei hatte Maan D. offenbar noch viel mehr vor: Wie eine Kommissarin vor Gericht aussagt, fand die Polizei in seiner Einzimmerwohnung neben Zetteln voller IS-Propaganda auch handschriftliche Anleitungen für das Herstellen von Giftgas, Benzinbomben und Molotowcocktails. Und ein Flugticket in die Türkei, dazu eine Hotelbuchung, 20. März bis 10. April. Die Reise aber trat der 27-jährige nie an. Am Tag vor der geplanten Rückkehr starb Irfan.
Angeklagter in Düsseldorf wollte auch Polizisten töten
Die großformatigen Bilder aus der Polizeiakte zeigen auch die Waffe, mit der Maan D. zugestochen haben soll. Ein Küchenmesser, gelber Plastikgriff, durchsichtige Plastikscheide, 20 Zentimeter Länge, rostfrei. Als die Polizei zugriff, lag es direkt neben der Matratze, auf der der Angeklagte schlief. Ein kleineres Messer daneben, griffbereit: Der Syrer wollte damit die Polizisten töten, die ihn abholen würden, das hat er vor Gericht selbst so erklärt. Doch die überraschten ihn im Schlaf.
Untersuchungen, sagt die Ermittlerin, hätten eindeutig ergeben: Es ist dasselbe Messer, mit dem der Angreifer auch im Fitnessstudio zustach. Wie auch die Schuhe, die Hose, die Jacke, der Rucksack dieselben waren wie bei der ersten Tat. Und auch die Reaktion des Täters änderten sich nicht, alle Zeugen erzählen davon: wie der Unbekannte bei aller Panik der Opfer, aller Wut der Freunde ruhig, gemessenen Schrittes davonging. Im Kopf, wie er selbst sagt, seinen Gott. Und die nächsten Menschen, die er um seinetwillen töten würde.