Ruhrgebiet. Bausachverständiger aus Essen begleitet Hochwasser-Opfer bis heute. Nicht immer konnte er helfen: „Manche Häuser musste man abreißen.“
Der Essener Architekt und Bausachverständige Peter Fütterer hat nach dem verheerenden Hochwasser im Juli 2021 nicht nur in Essen und Mülheim, sondern auch im Ahrtal geholfen. Zusammen mit dem Lions Club sammelte und verteilte der 67-Jährige Spenden. Bis heute betreut er als Sachverständiger Flutopfer, die bei ihren Anträgen Hilfe benötigen. Annika Fischer sprach mit ihm.
Es ist zwei Jahre her, dass die Flut ins Ruhrgebiet kam. Sie haben sie miterlebt, nicht nur hier, auch im Ahrtal, und Sie erzählen von vielen Menschen, die immer noch mit den Folgen kämpfen.
Peter Fütterer: Wer dabei war, hat etwas zu tragen. Wir kannten so etwas vorher nicht, wir kannten keinen Krieg. Das, was damals passierte, hatte eine neue Qualität: Diese Zerstörung zu erleben, die Opfer zu sehen, hängt vielen nach, auch nach zwei Jahren noch, wahrscheinlich ihr ganzes Leben.
Mit Ihrer beruflichen Expertise können Sie das beurteilen: Welche Schäden hat das Hochwasser an den Häusern angerichtet?
Bei manchen war das Wasser „nur“ im Untergeschoss. Aber es fließt unter den Estrich, viele denken, es ist alles wieder trocken, aber dann zieht es in den Wänden wieder hoch. Es kann ein Jahr dauern, auch länger, bis dicke Mauern wieder trocken sind. Das haben sich viele nicht klargemacht. Sie haben gedacht, es reicht, die Tapete von der Wand zu kratzen und einmal durchzuwischen. Und dann kam ich ins Haus und mahnte zu warten: Vielleicht muss das Haus abgerissen werden? Oder wenigstens der Putz abgeschlagen! Bei einigen trat an den „trockenen“ Wänden nach drei Wochen Schimmel auf. Es sah oft harmlos aus, aber die gesamte Bausubstanz war geschädigt.
Nach der Renovierung kehrte der Schimmel zurück
Dann waren Sie für die Menschen der Überbringer einer schlechten Nachricht, dabei wollten Sie doch helfen!
Ja, und das tut auch weh. Einige haben sich monatelang dagegen gewehrt einzusehen, dass ihr Haus mehr betroffen ist, als sie dachten. Teilweise hatten sie schon renoviert, das hat manches schlimmer gemacht. Manche musste ich bitten, ihr Haus zu verlassen, zu bleiben war einfach zu gefährlich.
Nicht alle Schäden sind inzwischen beseitigt. Warum ist das in manchen Fällen komplizierter als gedacht?
Bei manchen alten Häusern war die Bausubstanz von jeher nicht sehr gut, weil man früher einfach anders gebaut hat. Da hat die Flut die ohnehin schwachen Dichtungen gänzlich weggespült. Da hält sich die Feuchtigkeit noch länger. Aber die meisten Schäden sind inzwischen beseitigt – da, wo das überhaupt ging.
Betroffene klagen, sie hätten das nötige Geld aus verschiedenen Töpfen bis heute nicht erhalten. Wo liegt das Problem?
Zuallererst musste man sich ja fragen: Kann ich das Haus überhaupt retten? Und wenn ja, Handwerker finden. Oft klemmt es an formalen Dingen: Es gibt Menschen, die stellen schnell jeden möglichen Antrag und sind dann auch vorn dabei. Aber es gibt auch die, die waren zunächst in einer Schockstarre. Einige müssen von Nachbarn oder der Gemeinde an die Hand genommen werden, weil sie es allein nicht schaffen, sonst fallen sie durchs Netz. Viele hatten aber auch die Unterlagen nicht mehr, die sie brauchten. Wenn man das Grundbuch nicht retten konnte und auch die Verwaltung weggeschwommen war… wie soll man da Förderung beantragen? Wer bis zum Bauchnabel im Wasser steht, denkt vielleicht auch nicht daran, jede Rechnung sorgfältig abzuheften. Man braucht aber vollständige Unterlagen, und das ist ja auch richtig so.
Lesen Sie mehr zum Thema: