Duisburg. Für Kriegskinder aus der Ukraine hat die Kindernothilfe im vergangenen Jahr Millionen gesammelt. Wie sie mit dem Geld das Lachen zurückbringt.

Den Himmel sollten die Kinder von Charkiw in der Ukraine malen und die Sonne. Es war ihr erster Tag im neuen Kinderschutz-Haus in der umkämpften Stadt ganz in der Nähe der russischen Grenze. Aber was sie malten, waren ihre eigenen Hände, kunterbunt, und ein dickes deutsches „DANKE“. Danke für die vielen Spenden aus Deutschland, danke für die Unterstützung durch die Kindernothilfe, die für die Kriegskinder Millionen Euro eingesammelt hat – viel mehr als im Jahr zuvor. Geld, mit dem viele Kinder wieder so etwas wie ein „normales Leben“ haben dürfen, wie Lana Solapanova sagt, jedenfalls manchmal. Und das ist der Himmel für sie.

In ihrer ersten Nacht in Duisburg konnte Lana Solapanova nicht gut schlafen. So still findet die Programmdirektorin der Hilfsorganisation „Myrne Nebo“ das Ruhrgebiet. Keine Bomben, keine Sirenen, kein Minenalarm. Erstaunt hat sie in ihrer App auf dem Handy nachgesehen: Die zeigt minutengenau, was zu Hause in Charkiw gerade die Menschen bedroht, „wie viele Sekunden ich noch Zeit habe, mich in Sicherheit zu bringen“. Obwohl, nicht sich selbst: die Kinder. Lana Solapanova, die bis zum ersten Tag des Krieges eine Kino-Managerin war, arbeitet nur noch für die Jüngsten in der Stadt, und die Kindernothilfe hilft ihr dabei.

Lana Solapanova vom Kindernothilfe-Partner „Myrne Nebo“.
Lana Solapanova vom Kindernothilfe-Partner „Myrne Nebo“. © FUNKE Foto Services | Lars Heidrich

Kinder leben bei Weißbrot im Bunker

Kurz vor Weihnachten hat Lana Solapanova im WAZ-Interview erzählt, wie es den Kindern in Charkiw damals ging. Es war kein harter Winter, sagt sie jetzt, nur wenige Wochen mussten sie ausharren bei minus 20 Grad. Aber da hatten sie schon ein halbes Jahr russischer Besatzung hinter sich, ein halbes Jahr im Bunker, ohne Medizin, nur mit Weißbrot und Nudeln ohne Soße. Und zehn Bombenangriffen am Tag, mindestens. Leserinnen und -leser der WAZ spendeten damals mehr als eine halbe Million Euro für die Weihnachtsspenden-Aktion 2022 mit der Kindernothilfe, so viel wie nie zuvor.

Die Spendenbereitschaft für die Ukraine füllte auch die Töpfe der Kindernothilfe mehr denn je: Auf 72,3 Millionen Euro beliefen sich die Erträge im vergangenen Jahr, das sind 6,3 Millionen mehr als 2021. Das meiste Geld war zweckgebunden, sagt die Vorstandsvorsitzende Katrin Weidemann: für die Ukraine, für die Kinder und ihre Familien, für die Flüchtlinge in den Nachbarländern Moldau und Rumänien. Alle drei Länder nahm die Hilfsorganisation mit Sitz in Duisburg neu in ihre Liste von nun 36 Ländern auf. 20.000 Kriegskinder konnte sie dort erreichen von 2,1 Millionen in 523 Projekten weltweit.

Spenden für Wärmedecken, Essen und Therapiestunden für die Kinder

Ein großer Batzen des Spendengelds ging an den neuen Partner nach Charkiw, an „Myrne Nebo“. Das heißt „Friedlicher Himmel“, ausgerechnet, dabei wurde die Organisation gegründet gleich nach Kriegsbeginn. Sie hat dafür Essen gekauft, 11.500 Portionen, 1200 Wärmedecken, 150 Laptops für den Schulunterricht. Sie hat 1000 Kinder zum Arzt geschickt, 250 Kranke zu Spezialisten und Operationen und 500 Therapiestunden bezahlt – nach denen traurige Kinder, freut sich Solapanova, wieder lachten. „Wir sehen ganz andere Gesichter.“

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    Am Anfang, sagt Solapanova, sei es „das Wichtigste gewesen, Leben zu retten. Wir haben alles gebracht, was die Kinder brauchten“. Nun aber, nach 483 Tagen Krieg, „bringen wir ihnen eine neue Kindheit“. Man müsse den Kleinen erst wieder zeigen, was eine „normale Kindheit“ sei: „Spielen, Spaß, Kommunikation.“ Und auch den Müttern nahelegen, sich zu entwickeln. „Wir können nicht warten, bis der Krieg endet. Wir wissen nicht, wie lange er dauert.“

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    Viele Menschen in der Ukraine seien des Krieges müde geworden, erzählt die Direktorin, und die Kämpfe „Routine“. Nach zwei Jahren Pandemie hätten die Schülerinnen und Schüler nun mehr als ein weiteres ohne richtige Schule verloren, und es werde nicht besser. Es seien nur wenige Lehrer geblieben. Und anderswo wächst die Not: Gerade versucht Myrne Nebo mit Hilfe aus Duisburg, Feldküchen auch in Cherson aufzubauen, wo kürzlich der Staudamm barst. Ein logistisches Problem, aber „dort ist die Situation noch schlimmer“.

    Schulkinder in Moldau: Die Kindernothilfe unterstützt hier eine Schule, an der auch ukrainische Flüchtlingskinder unterrichtet werden.
    Schulkinder in Moldau: Die Kindernothilfe unterstützt hier eine Schule, an der auch ukrainische Flüchtlingskinder unterrichtet werden. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

    Manchmal liegt Lana Solapanova auch in Charkiw wach und weint. Dann denkt sie: „Ich schaffe das nicht.“ Aber wenn sie morgens aufsteht in ihrer Wohnung, in der die Fenster kaputt sind, so sie selten Strom hat und nie Heizung, dann „genießt“ sie, dass sie anwenden kann, was sie als Managerin gelernt hat. „Endlich fühle ich mich nützlich.“

    >>INFO: HILFE FÜR DIE UKRAINE

    Das Spendenwachstum um 3,5 Prozent im ersten Kriegsjahr führt die Kindernothilfe auf die Bereitschaft der Deutschen zurück, gerade in der Ukraine zu helfen. Dabei hatte der Krieg nicht nur Auswirkungen auf die Ukraine selbst, sondern auch auf die Länder, die Flüchtlinge aufnahmen, die von Engpässen bei der Getreidelieferung und bei Energie betroffen waren.

    Zudem kümmerte sich die Kindernothilfe auch um die Opfer anderer humanitärer Notlagen weltweit: etwa die Betroffenen der Dürre in Ostafrika oder der Überschwemmungen in Pakistan.