Dortmund. Weißwein kann Dortmund schon länger, nun wurde der erste Rote aus dem Ruhrgebiet verkostet. So schmeckt der Cabaret Noir von der Emscher.
Rheinhessen, Mosel, Nahe, Emscher. Ein Prosit auf das Ruhrgebiet, das sich tatsächlich einreiht in die Weinanbaugebiete Deutschlands: Dortmund hat am Freitag seinen allerersten Rotwein verkostet, der weiße wird immer besser, und demnächst wächst in Herne Rosé. Man mag nicht auf den Klimawandel trinken, aber er hat den neuen „Cabaret Noir“ vom Emscher-Südhang erst möglich gemacht.
Die erste Flasche – Schraubverschluss, kein Korken – zischt, der Wein sprudelt; der Kenner sagt: moussiert. Das war nicht so geplant, aber die Wärme, der Transport, vielleicht etwas zu viel CO2 beim Abfüllen in der Pfalz… Egal. Die Gäste am Weinberg oberhalb des Dortmunder Rüpingsbachs, der kürzlich noch eine Köttelbecke war, schnuppern, ein guter Wein kommt schließlich durch die Nase, sie nippen andächtig, nicken anerkennend. „Lecker“, sagen sie, oder „schmeckt gut“, was etwas mehr nach Ruhrgebiet klingt als die Bewertung eines Sommeliers. „Sehr ordentlich, ein schöner runder Rotwein“, sagt die Winzerin, ruhrgebiets-bescheiden. Sie sprechen aber auch von Brombeeren und „reifer Kirsche“, aber die Kirsche, mahnt der Oberbürgermeister, sei in Fußball-Dortmund etwas anderes. Gib mich das Glas!
Rotwein aus Dortmund: Stadtchefs feiern eine „Weltneuheit“
OB Thomas Westphal ist „erregt“, Kollege Frank Dudda aus Herne findet, die Sache sei „ein irres Ding“ und alles in allem: eine „Weltneuheit“, mehr noch, eine „Weltsensation“! Das also ist er, guter Dortmunder Roter, 2018 gepflanzt, 2021 gelesen, 12 Prozent Alkohol. Ein schwieriger Jahrgang, nicht nur weil es der erste war. Der Sommer war feucht, der Mehltau fies, deshalb hat alles länger gedauert mit der Reifung. Und auch mit der Ernte, die freiwilligen Helfer am Mitmach-Weinberg mussten „viel aussortieren, was nicht in den Wein gehört“.
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Nun serviert die Emschergenossenschaft ihren „Neuen“ also erst zusammen mit dem „Phoenix“ vom gleichnamigen See aus 2022. Der erinnerte im Vorjahr an „exotische Früchte, Maracuja und Cassisholz“, dieses Jahr sei er noch fruchtiger geworden, sagt Winzerin Tina Krachten. Die Zeiten, in denen Weintrinker leicht die Nase rümpften, weil die Säure in derselben kribbelte, liegen zehn Jahre zurück. „Wenig Säure“, heißt es heute, dafür mehr Aroma und „leichte Mineralität“.
„Das Beste am Wein ist das Bier danach“ – Das gilt jetzt umgekehrt
Auf den „echten“ Weingütern im Süden lachen sie nicht mehr über die Emscher-Winzerin, der nächste Jahrgang, haben sie in der dortigen Kelterei schon angedeutet, sei sehr gut. Dortmund hat schließlich schon im Mittelalter Wein angebaut, Winzerweg, Weingarten- und Fassstraße erzählen davon. Spotten tun die „Großen“ nur noch, „weil ich so wenig habe“, sagt Tina Krachten. Nur ist auch das nicht wahr. In Dortmund haben sie den alten Satz „Das Beste am Wein ist das Bier danach“ umgedreht, nach dem Auslaufen der Bierstadt ist man nach dem Gesetz längst Winzergesellschaft: 100 Rebstöcke muss man dafür haben, allein hier sind es nun schon bald 500.
Und es geht weiter: Am Wasserkreuz Castrop-Rauxel, wo die Emscher den Rhein-Herne-Kanal unterquert, bereitet die Emschergenossenschaft einen Weinberg vor, bis zu 9000 Weinstöcke sollen dort bald wachsen, was etwa 50 Hektoliter Ertrag verspricht. Und in Herne haben sie neulich bereits gepflanzt, im Revierpark Gysenberg soll es bald Rosé geben, Hunderte Flaschen. Auf denen aus Dortmund steht das Potenzial: in elegantem Schwung die Zahl 83,1 so viele Kilometer ist die Emscher lang. Tina Krachten träumt, realistisch, von einem guten Hektar. Und es gibt ja schon weitere Projekte: ein Friedhof an der Stadtgrenze zu Schwerte ist ebenso Wingert wie der Berg über dem Hengsteysee.
Neue Genossenschaft für Emscherwein
Verkauft aber wird der Emscherwein noch nicht. Weil er nicht reicht, aber auch, weil es für den Vertrieb professionelle Strukturen braucht. Die Emschergenossenschaft wird deshalb in der kommenden Woche eine neue Genossenschaft gründen: Die Allmende Emscher-Lippe eG wird dann Land-, Boden- und auch Weinwirtschaft bündeln.
Bis dahin bekommen die den Wein, die ihn ehrenamtlich pflegen. Im Revier ist das Weinbauen inzwischen Hobby Hunderter. Die bändigen, lichten, lesen, die alles lernen über diese Kunst. Wie Jürgen Auffarth, 78, der dem Roten von Dortmund mit ins Leben half und sagt, es sei „das pure Vergnügen“! Gerade dreht er das Glas in seiner Hand: „Phoenix“ vom See, sagt er, „schlägt jeden italienischen Weißwein“. Beim roten ist er „noch unsicher“. Immerhin, „er hat keine Fehler“. Und der nächste, hat Tina Krachten versprochen, die den 22er schon probieren durfte: Der hatte mehr Sonnenstunden und „macht richtig Freude“. Er lagert schon im Barrique – und in solchen Fässern reifen nur die kräftigere und edlere Weine.