Essen. Einige Gastronomen im Revier verlangen Geld, wenn Gäste ihre Reservierung missachten. Doch für viele Wirte ist das keine leichte Entscheidung.
Das 7-Gänge-Menü ist das Aushängeschild des Dortmunder Sternerestaurants „Der Schneider“: Gäste bekommen für 150 Euro unter anderem Ahrenhorster Waller, Schweinebacke vom Hällischen Schwein und Tafelspitz aus dem Münsterland. Sie reservieren meist Monate im Voraus. Und Gourmetkoch Phillip Schneider verlässt sich darauf, denn er kalkuliert und kauft immer nach der Anzahl der Buchungen.
Ihn ärgert es besonders, wenn Gäste ohne abzusagen einfach nicht erscheinen. So gehen ihm rund 1000 Euro Umsatz verloren, wenn ein Tisch mit vier Stühlen frei bleibt. Das passiere Schneider täglich. „Irgendwann hatte ich darauf keinen Bock mehr“, sagt der Chef. Seitdem greift er hart durch: Wer im „Schneider“ reserviert, aber trotz Rückruf unbegründet nicht kommt, muss 75 Euro Gebühr zahlen.
Dehoga-Umfrage: Jeder zehnte Wirt in NRW kennt „No Show“-Problem
Gastronomen nennen Gäste, die trotz Reservierung nicht erscheinen, auch „No Shows“. In NRW kennt fast jeder Wirt dieses Problem, wie eine Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) zeigt. „Besonders ärgerlich ist zum Beispiel, wenn Gäste in drei verschiedenen Restaurants Tische am selben Abend reservieren, sich spontan entscheiden und dann zwei Reservierungen verstreichen lassen“, erklärt Dehoga NRW-Präsident Patrick Rothkopf dieser Redaktion.
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Die Erfahrungen mit „No Show“-Gästen gehen weit auseinander. So berichteten auf Anfrage mehrere Lokale, sie hätten nur ganz selten im Jahr Gäste, die ihre Reservierung nicht einhalten. Dazu zählen die Restaurants „Mod by Sven Nöthel“ und „Küppersmühle“ in Duisburg, „1831“ und „Pierburg“ in Essen, „Bahnhof Nord“ in Bottrop und „The Stage“ in Dortmund.
Wirtschaftlicher Schaden wird zu groß
Andere hingegen müssen Gebühren verlangen, weil der wirtschaftliche Schaden zu groß wird. Der Dehoga-Umfrage zufolge greift gut jeder zehnte Wirt in NRW zu diesem Mittel, sieben Prozent arbeiten mit Vorkasse bei der Reservierung. „Das machen vor allem Restaurants aus dem gehobenen Segment, die reservierte, aber freigebliebene Plätze nicht durch Laufkundschaft ohne Weiteres neu besetzen können“, meint Rothkopf. Aber auch Lokale in mittleren Preisklassen würden diesen Schritt überlegen.
Viele Gastronomen schreiben die Regeln, wann Gebühren fällig werden, in ihre Geschäftsbedingungen (AGB). „Die Bedingungen müssen die Gäste einsehen können – bei einer telefonischen Reservierung zum Beispiel mit einem Hinweis auf die AGB“, sagt Dehoga NRW-Sprecher Thorsten Hellwig. Um das Geld abzubuchen, schicken die Wirte den Kunden entweder nachträglich eine Rechnung, oder sie fragen die Kreditkartennummer direkt bei der Reservierung ab.
Warum Wirte ungern Gebühren verlangen
Für viele Wirte ist die Einführung der Gebühren ein harter Entschluss. So war es auch für Sternekoch Phillip Schneider, als er sich 2019 dafür entschieden hat: „Man kämpft ja um jeden Gast und will niemanden mit Gebühren verschrecken.“ Viele Kunden wollen ihre Bankdaten nicht angeben. Daher hätten 2019 zunächst weniger Gäste im „Schneider“ reservieren wollen. Mittlerweile habe sich die Situation beruhigt, „aber es gehen immer noch viele auf die Revolte, wenn sie die Gebühren zahlen müssen“, meint Schneider.
Bürokratischer Aufwand ist der „Schote“ in Essen zu groß
Auch das Essener Restaurant „Schote“ von TV-Koch Nelson Müller kennt das „No Show“-Problem. An Wochenenden sei das Lokal meist zehn Wochen im Voraus ausgebucht, sagt Katrin Lohmann von der Geschäftsführung dieser Redaktion. „Und trotzdem sind immer wieder drei der acht Tische leer, weil Gäste ohne Absage nicht kommen.“ Bei einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Umsatz von 250 Euro gehe eine Menge Geld verloren.
Bisher haben sich die Mitarbeiter der „Schote“ aber gegen „No Show“-Gebühren entschieden. Zu groß sei der bürokratische Aufwand, von jedem Gast Bankdaten abzufragen und ihm hinterher zu telefonieren, wenn er nicht kommt. „An einem normalen Abend würden die Gäste das nicht mitmachen“, erklärt Lohmann. Nur bei besonderen Veranstaltungen wie Kochkursen arbeite die „Schote“ mit einer Vorkasse.
Geld fürs Nichterscheinen oft eine Sache der Abwägung
Es gibt auch Wirte im Ruhrgebiet, die eigentlich Geld verlangen, wenn sich jemand nicht an die Reservierung hält, im Endeffekt aber abwägen – je nachdem, wie nachvollziehbar die Ausrede und wie treu der Kunde ist. So macht es zum Beispiel das Restaurant „Hackbarth’s“ im Oberhausener Gewerbegebiet: „Ich schicke keinem eine Rechnung, der 15-mal im Jahr kommt und einmal trotz Reservierung nicht“, sagt Inhaber Jörg Hackbarth.
Überraschungsmenü für 36 Euro
Im „Hackbarth’s“ servieren einmal pro Monat ehemalige Auszubildende ein Überraschungsmenü für 36 Euro. Gäste, die einen der begehrten Plätze reservieren und ohne frühzeitige Absage nicht kommen, müssen die 36 Euro zahlen. Und von gewerblichen „No Shows“ verlangt Jörg Hackbarth eine Gebühr. Ansonsten vereinbare er oft einen Kompromiss: „Wenn Gäste kurzfristig wegen Krankheit absagen, bieten wir zum Beispiel an, dass sie das Essen abholen.“
Gastronom: „Gebühr wird in allen Restaurants mit Full-Service kommen“
Dass auch Chefs von Lokalen mit niedrigen und mittleren Preisen über die Gebühren nachdenken, ist für Christian Bickelbacher nur noch eine Frage der Zeit. Ihm gehören sieben Gastro-Betriebe, zum Beispiel die Sportsbar „ThreeSixty“ und das Café „Tucholsky“ im Bochumer Bermudadreieck.
Der Wirt spricht sich für ein digitales Kassensystem aus, bei dem die Kunden schon bei der Reservierung ihre Kreditkarte angeben: „Dann kann man direkt Geld abbuchen, wenn jemand nicht kommt.“ Dieses System soll es langfristig auch in seinen Betrieben geben. Er prognostiziert: „Die Gebühr wird in allen Restaurants mit Full-Service kommen. Die Frage ist nur, ob in fünf oder in zehn Jahren.“