Essen. Mehr Ruhetage, kleinere Karten – Patrick Rothkopf, NRW-Dehoga-Chef, im Podcast über Personalmangel, steigende Preise und die Mehrwegpflicht.
Die Restaurants und Kneipen sind wieder voll, die Leute hungern und dürsten in der Post-Pandemie nach Geselligkeit. Sie nehmen dafür auch teils happige Preise und längere Wartezeiten in Kauf: Die Pasta kostet gerne zwei, drei Euro mehr und zuweilen brauchen Küche und Service auch ein Viertelstündchen länger, bis sie auf dem Tisch dampft. Den durch Corona drastisch verschärften Personalmangel nennt Patrick Rothkopf das „Long Covid des Gastgewerbes“. Der Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) in NRW sagt in unserem Podcast „Die Wirtschaftsreporter“, welche Folgen das hat.
Lange suchen muss er das erste Beispiel nicht: Sein Hotel Restaurant Rothkopf in Euskirchen ist derzeit faktisch nur noch Hotel, das Restaurant musste der Dehoga-Chef für das à-la-carte-Geschäft schließen. In der Pandemie mit ihren monatelangen Zwangsschließungen der Gastronomie seien ihm sämtliche Küchenmitarbeiter abhanden gekommen. „Der eine ist auf den Bau gegangen, der andere in den Garten- und Landschaftsbau und der dritte kocht jetzt in Österreich“, sagt Rothkopf. So wie ihm sei es vielen ergangen, die Gastronomie und Hotellerie in NRW habe in der Pandemie binnen Monaten fast 100.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verloren.
Fehlen dem Wäschedienst Fahrer, bleiben Hotelbetten unbezogen
Einige seien zurückgekommen, aber viele auch nicht. Deshalb sei es auch jetzt noch „sehr weit verbreitet, ganze Tage zu schließen, die Küchenzeiten zu reduzieren, den Mittagstisch zu streichen oder die Karte zu reduzieren“, weiß der Verbandspräsident. Viele Gäste würden das verstehen, dennoch sei es für die Wirtinnen und Wirte „in höchstem Maße unbefriedigend“. Hotels bekämen zudem auch die Personalnot bei Dienstleistern zu spüren. „Wenn die Wäschelieferanten keine Fahrer haben, können wir einen Teil der Zimmer nicht vermieten“, sagt Rothkopf.
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Großveranstaltungen wie Abifeiern oder Hochzeiten könnten häufig gar nicht mehr gestemmt werden, weil für Veranstaltungen, die länger als zehn Stunden und bis tief in die Nacht dauern, zwei Schichten an Personal benötigt werden. Das sei „ein Riesen-Thema“ in der Branche, weshalb die Gastronomie von der Politik fordere, das Arbeitszeitgesetz entsprechend zu ändern – von der Tages-Höchstarbeitszeit hin zu einer Wochenhöchstzeit. Das würde Überstunden erlauben und zugleich sicherstellen, dass sie schnell wieder abgebaut werden.
Um wieder mehr Personal zu gewinnen, setzt der Dehoga-Landeschef neben mehr Zuwanderung auch darauf, Menschen eine Chance zu geben, die es in der Arbeitswelt nach wie vor schwer haben: Frauen, alleinerziehende Mütter und Väter, Rentner, Langzeitarbeitslose und Menschen mit Beeinträchtigungen. „Dass wir Integration in verschiedensten Bereichen können, zeigen wir jeden Tag auf´s Neue“, so Rothkopf. Er rät jedem Hotelier und Gastronom, sich zu fragen, wo er für wen Einsatzmöglichkeiten hat. Seinen Hotelgästen servieren etwa auch Rentnerinnen das Frühstück.
Wirte klagen: Verdienen schlechter als in der Pandemie
Das zweite große Problem im Gastgewerbe ist es derzeit, die steigenden Energie-, Lebensmittel- und Lohnkosten an die Gäste weiterzugeben. Auch Nachfragen unserer Redaktion ergaben zuletzt, dass Restaurantbetreiber ihre finanzielle Lage aktuell mit vollen Gasträumen schlechter bewerten als während der Zwangsschließungen, während der es Hilfe vom Staat gab.
Diese Sicht sei „sehr verbreitet“, sagt Rothkopf, denn nicht nur Energie und Lebensmittel seien teurer geworden. Mit dem neuen Tarifvertrag seien auch die Löhne kräftig gestiegen, für Aushilfen in der untersten Stufe auf 12,50 Euro die Stunde, Azubis erhielten im ersten Lehrjahr nun 1000 Euro, so dass Gastronomen gut 20 Prozent höhere Lohnkosten hätten. Rothkopf kritisiert das nicht, nur ist ihm wichtig zu betonen: „Da müssen die Preise dann steigen. Die Kollegen, die sich nicht trauen, vernünftige Preise aufzurufen, werden es schwer haben, wirtschaftlich zu überleben.“
Gastronomen haben bei Preisen „noch Nachholbedarf“
Der Dehoga-Präsident weiß, dass eine gute Preiskalkulation nicht die Stärke aller Wirte ist. Er kenne die Angst vor dem Gast bei Preiserhöhungen nur zu gut, das habe „die Generation unserer Eltern uns mitgegeben“, sagt Rothkopf. Der Verband biete dafür Hilfe an. Es sei wichtig, seine Preise regelmäßig statt nur alle paar Jahr neu zu kalkulieren „und Erhöhungen dann auch selbstbewusst zu vertreten“. Ob die Preise etwa bei einer Überwindung der Energiekrise auch wieder sinken? „Einige haben eher noch Nachholbedarf“, sagt der Hotelier.
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Rothkopf führt im Dehoga auch den Bundesausschuss für Energie, Nachhaltigkeit und Umwelt, und als solcher ist er „ein Fan“ der seit 1. Januar geltenden Mehrwegpflicht. Dass sich seine Branche sehr schwer damit tue, Mitnehmspeisen in Mehrwegverpackungen anzubieten, teilt er so nicht. Der Eindruck möge entstehen, weil die Pflicht für kleine Betriebe bis fünf Mitarbeiter, also die „typischen Takeaway-Läden“, gar nicht gilt. Er räumt aber auch ein, dass es auch größere Betriebe gebe, die noch nicht mitmachen, etwa „weil sie gerade voll damit beschäftigt sind, ihren Laden am Laufen zu halten“. Bei vielen stünden auch Sprachbarrieren der Mehrweg-Einführung im Weg.
Bundesweites Pfandsystem für Mehrweg-Durchbruch
Für wirksamer als Ordnungsstrafen und Bußgelder hält der Dehoga-Chef praktische, gezielte Hilfe. Kommunen, die Anbieter der Mehrwegsysteme und die Gastronomen sollten sich zusammensetzen, um zu sehen, an welcher Stelle es hakt und wer welche Hilfe braucht. Grundsätzlich sei er guter Dinge. Denn: „Immer mehr Menschen wollen das, wollen auf Müll verzichten. Deshalb wird der Markt vieles regeln, das ruckelt sich“, glaubt Rothkopf.
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Am besten für eine breite Akzeptanz auch bei den Gastronomen wäre ein bundesweit einheitliches Pfand-Rücknahmesystem. Wer sein Mehrweggefäß in der nächsten Stadt nicht mehr loswerde, werfe es schlimmstenfalls doch wieder in den Müll. Die Getränkeindustrie habe es vorgemacht. Ein solches Pfandsystem für Essensverpackungen aufzubauen, sei „die große Hausaufgabe“ für alle Beteiligten.