Ruhrgebiet. WAZ-Talk diesmal mit Schalkes Kultfußballer Gerald Asamoah: über das Ruhrgebiet und Rassismus, über Herzenssachen und das Glück, Schuhe zu haben.
In Ghana geboren, in Niedersachsen Fußballer geworden, im Ruhrgebiet gemerkt: „Hier passe ich hin.“ Gerald Asamoah, Kultfußballer, Fan-Liebling und heute Leiter Lizenz auf Schalke, musste nur sich selbst treu bleiben (und kicken können), um im Revier anzukommen: bei „offenen Menschen, die sehr, sehr ehrlich sind“ – also wie er. Er musste sich nicht verstellen. Im „WAZ-Talk“ mit Chefredakteur Andreas Tyrock spricht der 44-Jährige über das Ruhrgebiet, Rassismus, seine Stiftung und, natürlich, seinen Verein.
Er muss selbst lachen – und „der Asa“ lacht viel –, es geht gerade um Pünktlichkeit, Respekt und seine Vorbildrolle, da sagt er diesen Satz: „Ich bin ein typischer Deutscher geworden.“ Das war auch im geografischen Sinne ein weiter Weg. „Ein Traum“ war es für den kleinen Gerald, die Eltern im fernen Hannover kennenzulernen, er bezahlte dafür den „Preis, meine Oma zu verlieren“, die ihn in Ghana aufgezogen hat. Sein Deutschland-Bild, sagt Asamoah, hatte er zuvor aus dem Otto-Katalog, den seine Mutter manchmal mitbrachte, aber dann war dieses Deutschland doch nicht so wie in der Werbung.
Asamoah: „Ich war einfach froh, Schuhe zu haben!“
Die Kälte, das Essen, die Sprache, die Schule, am Anfang tat sich der Junge schwer. Und dann spürte er manchmal diese Abneigung auf dem Schulhof, „ich wusste ja gar nicht, was Rassismus ist“. Und nicht, was dieses „N-Wort“ bedeutet, das sie ihm nachriefen; er musste erst lernen, „das ist nichts Gutes“. Und dass „die Menschen nicht alle gleich sind“. Hart sei das gewesen. Das Kind hatte auch keine Markenklamotten, begriff auch den Spott nicht, weil da nur zwei Streifen auf den Schuhen waren und nicht drei: „Ich war einfach froh, Schuhe zu haben!“
Aber Gerald Asamoah lernte sich zu wehren, sich durchzusetzen, wie er im Talk „Ruhrgebiet, wir müssen reden“ sehr offen in die Kamera erzählt. Auch mit Hilfe einer Lehrerin, die „Weltklasse“ war, mit Hilfe seiner Mitschüler, von Freunden, wie Fabian Ernst, der in seiner Klasse neben ihm saß. Und mit Hilfe seiner Schalker „Familie“, die ihn, wie das ganze Ruhrgebiet, „mit offenen Armen aufgenommen hat“, wo er bis heute „der Asa“ ist oder auch „Blondie“, wie ihn Rudi Assauer persönlich taufte. Man akzeptierte ihn, nicht nur, weil er zeigte: „Ich kann was mit dem Ball.“ Nicht nur, weil er ein Kämpfer war.
Kampf gegen Rassismus: „Ich will meinen Kindern das nicht mehr erklären müssen“
Und doch blieb der Rassismus so etwas wie sein Lebensthema. Er engagiert sich öffentlich, er redet offen darüber, „weil die Deutschen nicht wissen, wie weh sie anderen Menschen damit tun“. Auch seine drei Kinder müssten „leider“ noch mit Rassismus leben: Als sein Sohn sieben war, musste der Vater ihm erklären, warum es beim Fußballturnier Schokokuss-Brötchen gab, die noch den alten „N-Namen“ trugen. Niemand habe das böse gemeint, aber seine Kinder wollten wissen, „warum sind die Menschen so“? Er aber, der das aus seiner eigenen Kindheit kennt, wolle das nicht erklären müssen. „Ich hoffe, dass eine Zeit kommt, in der ich das nicht mehr erklären muss.“
Im Ruhrgebiet erlebte der spätere Nationalspieler es anders, „überrascht“ sei er gewesen, „wie schnell die Leute auf einen zugekommen sind“. Das habe er nicht gekannt. Die Region sei „Vorbild“ dafür, wie Menschen aus aller Welt zusammenleben. Asamoah setzt auf das „Miteinander“, man müsse einander akzeptieren und Chancen geben. „Man wünscht sich, dass wir eins sind.“ Die Ehrlichkeit der Menschen hier schätzt der 44-Jährige dabei besonders, auch wenn die mal gegen ihn ging: „Du hast richtig schlecht gespielt heute“, hört niemand gern, „aber ich liebe es so“. Was also ist für ihn Heimat? „Da, wo man sich wohlfühlt, wo man Menschen hat, die dich akzeptieren. Da bin ich zuhause.“
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Herzkranker Fußballer geht eine Wette mit Gott ein
Trotzdem lagen auf dem Weg zum Kultfußballer schwere Steine im Weg des Gerald Asamoah: Als bei dem jungen Spieler ein Herzfehler entdeckt wurde, entzog man ihm die Lizenz, die Karriere schien zu Ende. Auch darüber spricht der 44-Jährige bei der WAZ: über seine Angst, um sich selbst, seine Familie und die Zukunft im Fußball, über die Angst der anderen, ihn spielen zu lassen. Über den „Riesenkampf“, bis er wieder auf dem Platz stand, über Hoffnung, Glauben und Gott. Dem nämlich gab er ein Versprechen, schloss einen Deal, er nennt es „eine Wette“: Sollte er wieder Fußball spielen können, würde er anderen Menschen helfen.
Aber wie? „Eine große Summe zu spenden, war nicht nachhaltig genug.“ Also gründete Gerald Asamoah eine Stiftung für herzkranke Kinder. Die holt kleine Patienten aus aller Welt nach Deutschland, bezahlt ihre Operationen, will künftig auch Ärzte zu den Kindern schicken, weil das viel günstiger ist und so mehr Betroffenen „die Hoffnung zurückgegeben“ werden kann. „Es gibt“, sagt der ehemalige Fußball-Profi sichtlich bewegt, „nichts Schöneres, als am Krankenbett zu sitzen und ein Kind lacht dich an, das gibt dir so viel“. Gerade eben erst hat Asamoah das bei einem kleinen Mädchen aus Uganda erlebt, es ist erst ein Jahr alt. Die Stiftung ist ihm im doppelten Sinne Herzenssache.
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Glaube an Gott hat geholfen: Asamoah betet vor jedem Spiel
Als Christ, gesteht Asamoah WAZ-Chefredakteur Andreas Tyrock, bete er aber nicht nur für die Kinder, sondern auch vor jedem Spiel. Wohl wissend: „Die Spieler der gegnerischen Mannschaft beten auch.“ Wieder lacht er, man weiß ja auch nicht, ob Gott sich da einmischt, aber es ist dem Schalker ernst. Und vielleicht kann Beten helfen, es läuft gerade nicht bestens für seinen Verein, aber das hat er gewusst. Dieses Jahr würde schwierig werden, es gehe nicht um die Champions League, sondern um das Ziel, nicht abzusteigen. Man kämpfe in dieser Saison „vom ersten bis zum letzten Spieltag gegen den Abstieg“, und das gehe nur so: „Weiterarbeiten, weiterarbeiten.“ Asamoah über Schalke-Nacht- „Angst in Buyos Augen gesehen“
Asamoah steht dabei nicht mehr selbst auf dem Platz, aber als Leiter Lizenz bei Schalke 04 versucht er den jungen Spielern Vorbild zu sein. Ihnen Werte mitzugeben, vorzuleben, was er selbst erst lernen musste, sie zu verstehen, zu erklären, warum ein Waldlauf jetzt wichtig ist. Und muss sich manchmal über sich selbst wundern: Hat er nicht früher auch manches hinterfragt? Und heute, gewissermaßen als Vorgesetzter, „mache ich das gleiche“
Wunsch für das Ruhrgebiet: „Dass die Menschen uns treu bleiben“
Was er, der im Ruhrgebiet längst zuhause ist, dem Ruhrgebiet wünscht? Dass die Menschen, die hier leben, nicht weggehen aus der Region, in der es so viel Schönes gibt, in der so viele nahe beieinander liegende Städte so viel bieten – „was will man mehr“? Nun, außer Dortmund vielleicht, in die Stadt des Erzrivalen BVB „wage ich mich noch nicht, man muss die Leute nicht provozieren“. Gesundheit wünscht Asamoah außerdem, das ist einem wie ihm wichtig. Und drittens: „Dass die Menschen uns treu bleiben und bleiben, wie sie sind.“
Der nächste Gast beim WAZ-Talk mit Andreas Tyrock ist Ruhr- und Militärbischof Franz-Josef Overbeck
Weitere Folgen von „Ruhrgebiet, wir müssen reden!“
Folge 1: Martina Merz, Thyssenkrupp-Chefin
Folge 2: Christian Stratmann, Theatergründer und -Prinzipal des „Mondpalasts“
Folge 3: Julia Gajewski, Schulleiterin in Essen-Altendorf
Folge 4: Gerald Asamoah, Schalke-Legende
Folge 5: Franz-Josef Overbeck, Bischof von Essen
Folge 6: Katharina Bach, Aufsichtsrätin von Lern-Fair.de